Der BMW 750iL (E32) auf einen Blick
- Erster deutscher Nachkriegs-V12 in einem Pkw
- 5,0-Liter-V12-Saugmotor, 300 PS, 450 Nm
- 0-100 km/h in 7,4 s, Vmax 250 km/h
- Langversion mit 12 Zentimeter mehr Radstand
- Ehemaliger Neupreis ab 115.000 D-Mark (1987)
Lasst die Hubraumspiele beginnen
Noch bevor sich die deutschen Premiumhersteller Anfang der 2000er in noch nie dagewesener Weise in Leistungskämpfe verwickelt hatten (immer stärkere V8- und V10, Biturbo-12-Zylinder), tobte bereits viel früher ein Kampf zwischen Mercedes-Benz und BMW. Es ging um die Deutungshoheit im Oberklasse-Segment. Darum, wer seine Kunden mit dem größtmöglichen Antriebskomfort umgarnen konnte. Gerüchte gab es schon länger, dass BMW bereits Anfang der 1970er-Jahre noch für den ersten Siebener E23 mit der Entwicklung eines Zwölfzylinders begonnen hatte, doch erst auf dem Genfer Automobilsalon 1987 wurde ein entsprechendes Serienfahrzeug gezeigt. Der erste Nachkriegs-V12 arbeitete nicht etwa in einem Mercedes-Benz, sondern im BMW 750i der Baureihe E32. Der intern als M70 bezeichnete Motor leistete 300 PS und hatte ein Drehmoment von 450 Nm bei einem Hubraum von fünf Litern.
Das überrumpelte seinerzeit auch die Daimler-Vorstandschaft, die bisher nichts von der Notwendigkeit eines V12 wissen wollte, dann aber von ihren Ingenieuren eilig forderte, deutliche Verbesserungen an der für 1989 geplanten neuen S-Klasse W140 vorzunehmen. Außerdem müsse ein Zwölfzylinder her, der jenen von BMW in Hubraum und Leistung maßgeblich überflügeln sollte. Folglich wurde der geplante Produktionsstart verschoben, ab 1988 explodierten die Kosten und Chefentwickler Wolfgang Peter musste seinen Hut nehmen. Erst ab 1991 konnte Mercedes-Benz mit der Produktion der neuen S-Klasse, auch bekannt als „Helmut-Kohl-Benz“, samt 408 PS starkem V12 (später ohne Vollastanreicherung 394 PS) beginnen. Für BMW war dies Spiel, Satz und ein prestigeträchtiger Sieg, wobei es für die Stuttgarter noch viel ärger hätte kommen können.
Jetzt lesen: Oldie-Test BMW M5 Touring (E34)
Die E32-Geschichte kommt nicht ohne den „Goldfisch“ aus
Noch bevor der BMW 750i ab dem Spätsommer 1987 überhaupt bei den Händlern stand, hatte man sich in München schon höhere Zylinder-Ziele gesteckt. So erbat der damalige BMW-Motorenchef Karlheinz Lange vom V12-Konstrukteur Adolf Fischer einen Sechszehnzylinder, um im Rennen gegen Daimler auch weiterhin die Nase vorn zu haben. Fischer lieferte fristgerecht zum Dezember 1987 (der Motor sollte als Geschenk unterm Tannenbaum liegen) und konnte der Vorstandsriege einen funktionsfähigen V16 auf dem Prüfstand präsentieren. Im Laufe des Jahres 1988 besorgte man sich dann „auf dem kurzen Dienstweg“ einen 735iL und verpflanzte den 408 PS starken V16 in die Karosse des E32. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde das Erprobungsfahrzeug Jahre später unter seinem Projektnamen „Goldfisch“. Nur wenige BMW-Mitarbeiter waren überhaupt eingeweiht, doch am Ende entschied sich die Chefetage am Münchner Petuelring gegen die irrwitzige Konstruktion. Zu komplex, zu schwer, in der Karosserie des E32 schlicht nicht realisierbar urteile man. So füllte der V16 gänzlich den Motorraum aus, die Kühlaggregate wurden in den Kofferraum verbaut und zur Belüftung mussten zwei riesige Kiemen in die hinteren Kotflügel geschnitten werden.
Parallel arbeitete Mercedes an gleich mehreren ähnlichen Projekten. Denn wo man schon dabei war den heute bekannten V12 mit der Motorkennung M 120 zu entwickeln, konnte man auch gleich noch mehr Zeit und Geld aufwenden, um BMW mit einem V16 oder gar einem W18 (M 216) aus dem Rennen, um die beste Oberklasse-Limousine der Welt zu werfen. Ende der 1990er war man mit der Auferstehung der Luxusmarke Maybach sogar drauf und dran einen 24-Zylinder zur Marktreife zu führen. Geworden ist aus diesen Plänen nichts und anders als bei BMW, schafften es die Konstruktionen auch nie vom Reißbrett in fahrfertigte Entwicklungsfahrzeuge. Der Rest ist Geschichte. So auch, dass BMW den 5,0-Liter-V12 zwei Jahre nach dem Debüt des Siebener ab 1989 in die neue Achter-Reihe einsetzte.
BMW 750iL (E32): Automobiler Luxus anno 1993
Im Sportcoupé erfüllte dieser jedoch kaum die Leistungsansprüche der zahlungskräftigen (US-)Kundschaft. Das veranlasste BMW zunächst dazu, den Hubraum des M70 auf 5,6 Liter als S70 zu erhöhen (850 CSi mit 380 PS). Später wurde jedoch unter anderem ein drehfreudigerer Achtzylinder (840i mit 286 PS) mit kaum schlechteren Fahrleistungen nachgereicht. Das führt uns schlussendlich zu unserem Fotofahrzeug aus dem Jahre 1993. Obwohl der 300 PS starke V12 im Siebener keine rennsportverdächtigen Fahrwerte liefert, bietet dieser Motor vor allem für den langen 750iL und all jene, die sich zur schwarzen Limousine einen passenden Fahrer leisten konnten, einen enormen Komfortgewinn. Das besondere Zündgeräusch des Zwölfzylinders lässt einen beim Anlassen innehalten, die beiden fusionierten M20B25 Reihensechszylinder verfallen kurz in eine Phase des erhöhten Leerlaufs, um dann in eine seidenweiche Ruhedrehzahl abzusinken. Leise säuselnd, aber immer noch ohne merkliche Vibrationen, rollen wir vom Hof der BMW Classic in München auf den Mittleren Ring und dann auf die A95 nach Garmisch. Das Getriebe, ein Viergang-Wandler von ZF, beherrscht die große Kunst der Zurückhaltung, ebenso wie das M70-Triebwerk.
Wer den knapp 1,9 Tonnen schweren 750iL nicht fordert, sondern ihn stets so bewegt, wie es einer Chauffeurs-Limousine angemessen ist, erfährt auch 30 Jahre nach der Erstzulassung, was automobilen Luxus anno 1993 wirklich ausgemacht hat. Klar zieht dich heute der Cupra mit seinem seelenlosen Vierzylinder-VW-Motor nach allen Regeln der Kunst ab, braucht dabei weniger und wird dir auch beim Unterhalt nicht die Haare vom Kopf fressen. Doch darum geht es nicht. Du könntest die Uhrzeit genauso gut an deinem Handgelenk von einer 20-Euro-Uhr aus dem Discounter ablesen. Oder aber du greifst zu einem aufwändigen Automatikchronographen. Es ist eben alles eine Frage des persönlichen Stils.
Früher war (fast) alles besser
Während wir auf der rechten Spur gen Süden gleiten haben wir Zeit uns umzuschauen. Dickes Leder, echtes Wurzelholz, analoge Instrumente und ein C-Netz-Telefon in der Mittelkonsole künden vom nüchternen Luxus vergangener Tage. Da begrüßt dich beim Öffnen der Tür keine Startmelodie, auch der Dachhimmel kommt nicht mit Beleuchtung und Prismenstruktur daher (BMW XM). Man erspäht schlichte Vliesstoffe, im Bereich des Schiebedachs ergänzt um feine Nähte. Überhaupt haben sie sich damals – selbstverständlich gegen Aufpreis – sehr mit den Kanten gespielt. Wer schon schlägt, außer vielleicht Rolls-Royce, heute noch ein Münzfach (hinter dem Telefon) derart fein aus.
A-, B- und C-Säule fallen gemessen an heutigen Verhältnissen spindeldürr aus, die Rundumsicht ist derlei auch hervorragend. PDC konnte man bereits ab dem Modelljahr 1991 bestellen, verschandelte damals aber die perfekte Heckansicht des E32. Besser, man beherrschte das rückwärtige Parkieren nach Augenmaß – eine Bordsteinautomatik für den Rückspiegel war immerhin schon früher erhältlich, sofern man sich für das teure Memory-Sitzpaket entschied. Wir halten derweil für ein paar Fotos an der Erdfunkstelle Raisting und nehmen Platz im Fond des langen Siebener. Oft ist man heute verwundert, wie klein die Autos früher waren. Wir hingegen sind verwundert, wie luftig der Beinraum im 750iL dann doch ausgefallen ist. Wer gefahren wird, darf mit Rollos für die Seitenscheiben (manuell) oder die Heckscheibe (elektrisch), einer Sitzverstellung und der Sitzheizung spielen. Die Klimaanlage musste jedoch von der ersten Reihe aus bedient werden und USB-Steckplätze waren schlicht noch nicht erfunden.
Testverbrauch um 14,5 Liter auf 100 Kilometer
Sehr wohl erfunden war allerdings (ab 1988) schon ein Fahrwerk mit elektronischer Dämpferkontrolle (EDC). Es ermöglichte dem Fahrer, je nach Fahrsituation, den Härtegrad des Siebener anzupassen. Da der 750iL ohnehin nicht sänftenartig über schlechte Fahrbahnbeläge gleitet, darf dieses Feature gerne als "schön zu haben, braucht es aber eigentlich nicht" abgehakt werden. Der sportlich begeisterte Selbstfahrer griff seinerzeit ohnehin lieber zum M3 (E30 und E36) und später zum M5 (E34). Doch sei hervorgehoben, dass sich der um 12 Zentimeter auf 5,02 Meter verlängerte "iL" dennoch sehr präzise und gemütserhellend über Landstraßen steuern lässt. Wem die Viergang-Automatik zu langsam schaltet, kann auch einen "Sportmodus" aktivieren. Wahrscheinlich die unwürdigste Art, diese Ikone heute zu bewegen. Am Ende noch der Blick auf den Hightech-Bordcomputer neben dem Radio (oder auf die Anzeige im Kombiinstrument): Auf unserer Ausfahrt erzielten wir einen Durchschnittsverbrauch um 14,5 Liter je 100 Kilometer. Gut, dass der Tank 102 Liter fasst.
Fazit
Der 750iL besitzt noch heute, knapp 30 Jahre nach dem Baureihenende des E32, eine enorme Strahlkraft. Er verkörpert eine Harmonie, die man heutzutage im Automobilbau nur noch selten findet. Angefangen vom seidig laufenden V12, über den exklusiv ausgeschlagenen Innenraum bis hin zu den kleinen Technikdetails, die den Ehrgeiz seiner Entwickler erahnen lassen. Einst kostete der 750iL ab 115.000 D-Mark. Gut erhaltene Exemplare starten bei AutoScout24 heute ab 10.000 Euro. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Weitere Bilder: BMW Group Classic)
Technische Daten BMW 750iL (E32)*
Modell | BMW 750iL (E32) |
Motor | 12-Zylinder-V-Motor, 4.988 ccm³ |
Leistung | 220 kW/300 PS bei 5.200 U/min |
Drehmoment | 450 Nm bei 4.100 U/min |
Antrieb | Hinterradantrieb, 4-Gang-Automatik |
Kraftstoffverbrauch kombiniert | - l/100 km² |
CO2-Emissionen kombiniert | - g/km² |
Beschleunigung (0–100 km/h) | 7,4 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Abmessungen (L/B/H) | 5,02 m/1,85 m/1,40 m |
Kofferraumvolumen | ca. 500 Liter |
Leergewicht | ca. 1.860 kg |
Grundpreis BMW 750iL 1987 | ab 115.000 D-Mark |
*Herstellerangaben