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BMW 745e im Test: Der perfekte Hybrid?

Teilelektrisch geht vor vollelektrisch. Um die strengen EU-Flottenverbrauchsziele zu erreichen, kommen immer mehr Hybrid-Modelle auf den Markt. Wir waren mit dem BMW 745e Hybrid unterwegs und wollten im Fahrbericht vor allem klären, was das Sechszylinder-Doppelherz wirklich verbraucht.

Die Zukunft liegt im Diesel, sagte man uns. Die Zukunft ist elektrisch, heißt es nun. Die Zukunft könnte mit Wasserstoff betrieben sein, spekulieren andere. Die automobile Zukunft: Sie ist vor allem geprägt von Kontinuität. Ja, ich mag diesen Spruch, den Dieter Zetsche, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, kurz vor seinem beruflichen Ableben seinem Nachfolger Ola Källenius quasi in die Wiege legte. Was Zetsche wohl mehr auf die Teamgestaltung bei Daimler bezog, darf in vollem Umfang auch für die technologischen (Kaum-)Veränderungen im Mobilitätssektor gelten. Wie ich nun die Brücke von Stuttgart nach München schlagen will?

BMW-745e-Front-Side-2

Beim Hybrid herrscht Einigkeit zwischen BMW und Daimler

Ganz einfach: Der aktuelle BMW 745e Hybrid (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 2,1-2,3 l/100km; Stromverbrauch kombiniert: 15,1-15,6 kWh/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 48-52 g/km²) manifestiert quasi diesen gleichbleibenden Zustand der Autoindustrie, ja zementiert diesen sogar. Noch deutlicher wird dies, wenn man auf das just veröffentlichte Interview mit BMW Entwicklungschef Klaus Fröhlich verweist. Bei Daimler und BMW ist man sich ganz offensichtlich einig, dass rein batteriebetriebene Fahrzeuge nicht überall die Welt erobern werden und daher hält man kurz- bis mittelfristig lieber am gemischten Doppel fest. Effiziente Benzin- und Dieselmotoren, gepaart mit einem E-Antrieb, sorgen für gute Flottenverbräuche (und nur überschaubare Strafzahlungen an die EU) und verärgern zugleich nicht die Kundschaft mit zu geringen Reichweiten. Auch ich gestehe: Ich hielt das Doppelherz-Konzept lange Zeit für eine Mogelpackung, weil doch jeder Hybrid-Fahrer mit Mini-E-Reichweite einfach nur Steuern spart, Fördergelder abgreift, aber in der Realität nie die Lithium-Ionen-Batterie lädt.

BMW-745e-Interieur-Steering

Sechs ist Trumpf

Zwar haben auch andere Autos (wie der ebenfalls von uns gefahrene Volvo S90 T8) gezeigt, dass die Hybrid-Nummer funktionieren kann. Doch persönlich hat mich bisher kein Teilzeitstromer so nachdrücklich von diesem Konzept überzeugt, wie das der BMW 745e tat. Woran das liegt? Zunächst einmal hat irgendwer in der BMW Konzernzentrale am Münchner Petuelring verstanden, dass unter die Haube eines Flaggschiffs immer noch ein standesgemäßer Verbrenner mit mindestens sechs Zylindern gehört. Ja, es gibt für gewisse Weltmärkte den vierzylindrigen 730i, dessen Berechtigung für stark geschwindigkeitsreglementierte und staugeplagte Regionen ich nicht in Zweifel ziehen möchte. Aber ein Vierzylinder bleibt – ein Vierzylinder.

BMW-745e-Engine

Mit der Kraft aus zwei Herzen

Im BMW 745e Hybrid steckt dagegen ein drei Liter großer Twin-Turbo-Reihensechszylinder (B58), dessen Leistung sich auf 210 kW/286 PS beläuft. Damit hat man den Antrieb aus dem regulären 740i ein wenig kastriert, was allerdings durch den 83 kW/113 PS leistenden E-Antrieb wieder mehr als wettgemacht wird. Mit kombinierten 290 kW/394 PS und 600 Newtonmetern Drehmoment bietet der (unmerklich zwischen beiden Motoren umherschaltende) Antriebsstrang spürbar mehr Antrittsstärke und verhilft der 2.070 Kilogramm schweren Limousine zu äußerst sportiven Fahrleistungen. 100 Stundenkilometer fallen aus dem Stand nach glaubhaften 5,2 Sekunden, abgeregelt wird bei Tempo 250. Und ehe ich es vergesse: Der 745e mit sechs Zylindern, kommt je nach Konfiguration, sogar mit einem Gramm CO2 pro Kilometer weniger aus, als sein Vorgänger 740e mit vier Zylindern. Wahnsinn wie sowas funktioniert, oder?

BMW-745e-Rear

BMW 745e mit alltagstauglicher E-Reichweite

Nein, Datenblättern sollte man auch in Zeiten von WLTP nicht trauen und so sind die von BMW gemachten elektrischen Reichweitenangaben des 745e mehr Fiktion als Fakt. 54-58 Kilometer würde ich sehr gerne mit der brutto 12,0 kWh großen Batterie fahren können, die irgendwo unter der Rücksitzbank platziert wurde. Mehr als 30-35 Kilometer sind es in der Realität aber nicht. Wobei sich meine Realität klar von irgendwelchen genormten Messzyklen unterscheidet. Schließlich ist das echte Leben keine Ansammlung von Wahrscheinlichkeiten, Annahmen und Statistiken. Auf dem Stadtring wird auch einmal beschleunigt, über Land werden LKWs überholt oder auf der Autobahn die elektrische Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern ausgereizt. Warum? Weil es der 745e kann und dafür gebaut wurde.

BMW-745e-Light

Unter dem Radar der Auto-Nörgler

Aber all dies kann er rein elektrisch. Dafür darf man BMW und den 7er an dieser Stelle ruhig loben. Und geht man dann eben doch nach statistischen Werten, reichen die 30-35 Kilometer beinahe für einen ganz gewöhnlichen Tag, eines ganz gewöhnlichen Autobesitzers. Gut, ob der 7er Käufer nun darunter fällt ist nicht erwiesen, aber wer, wie im Falle unseres Testwagens, mehr als 130.000 Euro in ein Hybrid-Auto investiert, der kann anschließend immerhin Geld an der Zapfsäule sparen. Vielleicht hilft er auch der Umwelt. Ganz sicher kann sich in der Stadt aber niemand über seine Abgase beschweren. Auch läuft er unter dem Radar vieler Auto-Nörgler, ist er ja nicht sonderlich hochbauend und bietet nicht den cw-Wert einer fahrenden SUV-Einbauküche. Und selbst durch sein neugestaltetes Nierenpaar, das bei längerer Betrachtung immer noch zu groß wirkt, ist der 7er der G11 Facelift-Generation nicht ganz so aufdringlich wie beispielsweise ein BMW X7.

BMW-745e-Side

Die Langstreckenqualitäten des Hybrid-7ers

Auf der anderen Seite – und weil wir hier keinen BMW i3 fahren – darf und muss auch nach den Langstreckenqualitäten der Limousine gefragt werden. Und spätestens hier kommen die allermeisten Hybridautos an ihre (Verbrauchs-)Grenzen. Nicht so der 7er. Zwischen München und Basel blieb Zeit, einen möglichst realistischen Gesamtverbrauchswert zu ermitteln. Also einen, der Stadtverkehr, unbegrenzte deutsche Autobahnen und ökologische, weil teils eidgenössisch begrenzte, Fahrsituationen berücksichtigt. Die Batterie ist beim Fahrtantritt voll geladen, was zuvor an der Wallbox bei 3,7 kW gut 4,5 Stunden gedauert hat. Und auch der leider etwas kläglich ausfallende 46 Liter Benzintank wird bis Oberkante gefüllt, womit nur noch die passende Routenführung fehlt. Das Navi sollte auf solchen Strecken immer aktiviert sein, damit der Computer Antrieb und Getriebe verbrauchsoptimiert auf die Strecke einstellen kann. Sodann ließ ich die Bordelektronik des 7ers die Fahreinstellungen meist von allein vornehmen, was auf einer insgesamten Wegstrecke von 780 Kilometern in einem Verbrauch laut Bordcomputer von 9,3 Liter Superbenzin und einem Stromverbrauch von rund 35 kWh auf 100 Kilometer mündete.

BMW-745e-iDrive

Verbräuche unter 10 Liter sind kein Problem

Ein durchaus respektabler Wert, wenngleich sich die Empörten darüber nun empören dürfen. Doch davon auszugehen, dass eine Oberklasselimousine wie der 7er nur stets im niedertourigen, Strich-100-Stundenkilometer-Bereich gefahren wird, ist einfach absurd. Und zwar sowohl in Deutschland, als auch in Kanada, Russland oder Japan. Ist es keine unbegrenzte Autobahn, so liegen Berge, Täler und andere Unwegsamkeiten zwischen zwei Zielen. Was uns zum BMW Infotainmentsystem führt. Benchmark. Punkt. Aus. Keiner kommt hier an die Bayern ran, die ihr iDrive so bedienerfreundlich und breit in der Handhabung aufgestellt haben, wie sie es gerade auch bei ihren Antrieben tun. Sprechen, touchen, drehen, gestikulieren – alles ist möglich und funktioniert sogar in kombinierter Weise vortrefflich.

BMW-745e-Display

BMW iDrive bleibt weiterhin der Benchmark

„Hey BMW“ erleichtert den Alltag des Fahrers, die Sprachbedienung arbeitet schnell und überwiegend fehlerfrei. Auch die Menüführung des iDrive-Systems weiß zu überzeugen, Informationen werden glasklar und flott dargestellt. Nicht der Weisheit letzter Schluss ist das BMW Live Cockpit. Es wirkt optisch überfrachtet, wenig intuitiv und stets wünschte zumindest ich mir das feudale Multifunktions-Display zurück, das es noch bei der Markteinführung des G11 2015 zu bestellen gab. In Sachen Qualitätsanmutung haben die Münchner im 7er derweil mit Audi aufgeschlossen. Nie war der Innenraum im Vergleich zum Audi A8 wirklich schlechter, aber was sie in Ingolstadt da stets an manufakturartiger (Leder-)Qualität aus dem Hut zauberten, war bisher nur von Alpina (Test BMW Alpina B7) zu übertreffen.

BMW-745e-Rearseat

Innen tolle Materialien, detailreiche Verarbeitung

Die im Testwagen eingesetzten Nappa Exklusiv-Lederbezüge sind auf jeden Fall von allerbester Güte, in alle Richtungen umfangreich erweitert und dank der Rautensteppung so detailreich, dass man sie stundenlang betrachten könnte. Pappel-Maserholz rundet den eleganten Aufritt ab, ohne, dass der 7er dabei zu barock wirken könnte. Vielmehr ist er eine Wohlfühllounge, mit wahlweise beheizten Armauflagen, massierenden Multikontursitzen und – zugegeben – einer etwas fragwürdigen (optionalen) fondorientierten Sitzausstattung. Denn in der Kurzversion macht das vollelektrische Gestühl hinten kaum was her, wobei man immerhin den Beifahrersitz per Tablet soweit verschieben kann, dass man hinten rechts ordentlich Platz hat.

BMW-745e-Pillow

Fahrwerk mit souveräner Vorstellung

Wie auch in der aktuellen S-Klasse tragen die mit Technik vollgestopften Sessel der ersten Reihe dick auf und vermindern bei zwei größeren Insassen vorne, massiv den Beinraum nach hinten. Das Kofferraumvolumen beträgt derweil übrigens 420 Liter. Unterstellt man nun aber, dass der kurze 7er hierzulande eher vom Selbstfahrer genutzt wird, gehen diese Umstände beinahe schon wieder in Ordnung. Dekadent könnte man eine solche Egomanie nennen, würde es für den eiligen Businessman wohl auch ein 5er tun. Aber dieser liegt eben nicht so satt, so geschmeidig und so souverän auf der Bahn. Denn das adaptive Luftfahrwerk des 745e bügelt bis auf schwere Querverwerfungen beinahe alle Unebenheiten aus dem Asphalt.

BMW-745e-Side-Rear

Kann der 7er auch sportlich?

Kann man mit dem BMW 745e eigentlich auch auf Krawall machen? Man kann. Also zumindest sieht es gewaltig gewagt aus, wenn sich das Dickschiff im Sport-Modus kräftig in die Kurve neigt, das Heck schon mal nach außen drängt (Heckantrieb, kein xDrive hier) und der Sechszylinder äußerst dezent seine Stimme hebt. Der Reihensechser ist dabei ein Quell an Fahrfreude, spricht dank E-Boost stets ordentlich an und wird bestens durch die fein abgestimmte ZF-8-Gang-Wandlerautomatik unterstützt, die überdies den E-Antrieb beherbergt. Der reine Motorklangt des Sechszylinders erinnert allerdings eher ein jenen, eines großvolumigen BMW-Diesels. Im Zusammenspiel mit der sehr taktvollen elektrischen Lenkung und dem zuvor erwähnten Luftfahrwerk, ergeben sich wahrlich dynamische Momente. Schwer zu sagen ist allerdings, ob der heckgetriebene Oberklassen-BMW hier fahrdynamisch noch wirklich die Nase gegen den allradgetriebenen A8 vorne hat. Rein aus der Erinnerung (der normale A8 ist schon etwas länger her, einen Test zum neuen S8 gibt’s hier) ging der A8 D5 nämlich noch eine Spur leichtfüßiger durch manch enge Biegung.

BMW-745e-Front-Sun

Fazit

Es wurden am Ende mehr Zeilen als gedacht und auch das Fazit macht hier keine Ausnahme. Der BMW 745e Hybrid begeistert. Eben gerade, weil man ein solches Gesamtkunstwerk von einem Plug-in-Hybriden kaum erwartet hat. In der Stadt gleitet der große BMW seidig und flüsterleise durch die Gassen (Leute, holt das Ladekabel aus dem Kofferraum und nutzt es!), erhält ökologisch bejahende Blicke und darf zum Dank in erster Reihe vor der Ladesäule an der Oper parken. Doch wehe dem, der das Gefährt auf freier Bahn von der Kette lässt. Hier läuft er, hier säuft er eben auch nicht (übermäßig). Zurückhaltende 8,5 – 9,3 Liter Gesamtverbrauch sind für eine zwei Tonnen schwere Oberklasselimousine bei durchwegs flotter Fahrweise mehr als ordentlich. Da macht sich bemerkbar, dass eben kein downgesizter Vierzylinder, sondern ein kräftiger Reihensechszylinder unter Haube sitzt. Kritkpunkte? Eindeutig die weiterhin große Diskrepanz zwischen offiziell angegebenen und realen Verbrauchswerten. Das BMW Live Cockpit bleibt zu unübersichtlich und der 46 Liter Kraftstofftank dürfte gerne deutlich an Volumen zunehmen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)

Technische Daten*

  • Modell: BMW 745e Hybrid
  • Motor 1: Sechszylinder-Turbobenziner, 2.998 ccm
  • Leistung: 286 PS (210 kW) zwischen 5.000 und 6.000 U/min
  • Motor 2: Synchron-Elektromotor
  • Leistung: 113 PS (83 kW) bei 3.170 U/min
  • Systemleistung: 394 PS (290 kW)
  • Drehmoment: 600 Nm zwischen 1.500 und 2.700 U/min
  • Antrieb: Heckantrieb, 8-Gang-Steptronic
  • Verbrauch kombiniert: 2,1-2,3 l/100 km, 15,1-15,6 kWh/100km²
  • CO2-Emissionen kombiniert: 48-52 g/km²
  • Beschleunigung (0 – 100 km/h): 5,2 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 5,12 m/1,90 m/1,47 m
  • Gewicht ca: 2.070 Kg
  • Tankvolumen: 46 l
  • Grundpreis Österreich: ab 109.814 Euro

*Herstellerangaben

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