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Autotest BMW 740d xDrive (G70): König Diesel

BMW hat beim neuen Siebener den „Boss-Modus“ aktiviert. XXL-Niere, Zweiton-Lackierung und sündhaft teurer Extras machen das Flaggschiff auf Wunsch zum verkappten Rolls-Royce. Weiterhin verfügbar: Ein starker R6-Diesel. Der Antrieb gefällt, über die Kurvendynamik müssen wir noch einmal sprechen.

Der BMW 740d xDrive auf einen Blick

  • Letzter 7er BMW ohne Ladekabel (in Europa)
  • Reihensechszylinder-Diesel mit 300 PS
  • 0-100 km/h in 5,8 s, Vmax 250 km/h
  • Hochwertige Innenausstattung – wahlweise vegan
  • Startpreis ab 116.000 Euro

 Ultraschmale LED-Scheinwerfer und XXL-Nieren: Der neue 7er BMW versucht erst gar nicht in Zurückhaltung zu üben. Ultraschmale LED-Scheinwerfer und XXL-Nieren: Der neue 7er BMW versucht erst gar nicht in Zurückhaltung zu üben.

Eigentlich ist die ganze Aufregung um den Diesel ja mittlerweile vergebene Liebesmühe. Auf kurz werden seine Befürworter wohl den Kampf verlieren. Denn wo keiner mehr umweltpolitisch an den Selbstzünder glaubt, wird er auch nicht weiterentwickelt. Noch aber gibt es sie, die geschmeidigen und großvolumigen 3,0-Liter-Diesel der namhaften Drei aus Süddeutschland. Neben Mercedes und Audi hält vor allem BMW trotz aller Widrigkeiten am Ölmotor fest. Ziemlich herausragend, weil sparsam, funktioniert er im Zusammenspiel mit den größten Kalibern in den jeweiligen Modellprogrammen, hier freilich auch im neuen Siebener der Generation G70.

Im ausnahmslos allradgetriebenen 740d xDrive (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 6,8-6,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 178-160 g/km)² mobilisiert der doppelt aufgeladene Reihensechszylinder (B57) nebst 48V-Startergenerator 300 PS und 650 Nm Drehmoment, beschleunigt die bullige Limousine in 5,8 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 250 km/h. Liest sich standesgemäß? Ist es auch abseits dieser Stammtischwerte. Zwar würde man beim Anblick des – vorsichtig ausgedrückt – futuristisch gestalteten Siebener immerzu von einem Elektroantrieb unter der Haube ausgehen, aber BMW bleibt weiterhin antriebsoffen. Warum auch nicht. Denn bei aller Hysterie rund um den Diesel – auf der Langstrecke gibt er sich in Sachen Effizienz und Nutzerfreundlichkeit (Stichwort E-Auto laden) nahezu ungeschlagen.

 Durchzugsstark, laufruhig und noch dazu sparsam: Der 300 PS starke 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Diesel empfiehlt sich weiterhin für Vielfahrer. Durchzugsstark, laufruhig und noch dazu sparsam: Der 300 PS starke 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Diesel empfiehlt sich weiterhin für Vielfahrer.

Testverbrauch auf Mittelklasse-Niveau

Wer an dieser Stelle nun über den Dieselstinker im vulgären Oberklassezwirn herziehen will, der soll das gerne tun. Seine (zukünftigen) Besitzer freuen sich hingegen über einen aus dem Drehzahlkeller durchzugsstarken Antrieb und Verbräuche auf Mittelklasse-Niveau. Denn wer so einen 5,39 Meter langen Wagen mit Verstand bewegt, kratzt auf der Autobahn nicht selten an der 6,0-Liter-Marke. Über zwei Testwochen hinweg zeigte uns der Bordcomputer derweil einen Durchschnittsverbrauch um 7,8 Liter je 100 Kilometer an. Respektabel und weit davon entfernt, dem vorherrschenden Bild eines trinksüchtigen Wohlstandsboliden zu entsprechen.

 Der Arbeitsplatz des Fahrers ist aufgeräumt, echte Schalter wurden weiter reduziert. Das trifft leider auch auf die Klimasteuerung zu, die sich jetzt im iDrive befindet. Der Arbeitsplatz des Fahrers ist aufgeräumt, echte Schalter wurden weiter reduziert. Das trifft leider auch auf die Klimasteuerung zu, die sich jetzt im iDrive befindet.

Dem 740d xDrive fehlt die aktive Wankstabilisierung

Den Wohlstandsspeck jedoch konnte man bei BMW nicht gänzlich verstecken. Noch dazu, weil man dem 740d, weshalb auch immer, nicht die Option auf eine aktive Wankstabilisierung spendiert, wie bei den Plug-in-Hybriden oder E-Versionen der Fall. So wankt das Diesel-Flaggschiff in Kurven deutlich, was nicht nur zulasten der Fahrfreude, sondern auch auf die Mägen der Mitreisenden schlägt. Selbst im Sport Modus vermag das adaptive Luftfahrwerk nicht genug fahraktive Härte aufzubauen, um auch nur ansatzweise dem sonst sehr gelungen Einlenkverhalten auf dem dynamischen Niveau einer 5er-Limousine gerecht zu werden.

Die Hinterachslenkung und die Luftfederung sind derweil immer Serie. Freilich ist die schnelle Kurvenhatz nicht die Königsdisziplin einer Chauffeurs-Limousine, doch wissen wir noch aus dem Erinnerungsprotokoll heraus, dass sich ein deutlich schwererer BMW i7 xDrive60 (Stromverbrauch kombiniert: 19,6-18,4 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km; elektrische Reichweite: bis zu 625 km)² nicht so ziert, wenn es dem Fahrer einmal pressiert. Und der Elektro-Siebener hat dem Diesel eine weitere Sache voraus: Dank Rekuperation fiel beim i7 die schlechte Dosierbarkeit der sonst sehr standhaften Bremsanlage kaum auf. Beim Verbrenner schon. Ruckfrei kommt man daher nur selten zum Stehen.

 In der zweiten Reihe geht es gemütlich zur Sache. Weiches Gestühl, Sichtschutz und zahlreiche Komforteinstellungen laden zum langen Reisen ein. In der zweiten Reihe geht es gemütlich zur Sache. Weiches Gestühl, Sichtschutz und zahlreiche Komforteinstellungen laden zum langen Reisen ein.

„Veganza“ macht Kunstleder salonfähig

Möchte man sich an anderer Stelle derweil ums Tierwohl bemühen, wird im Innenraum des Siebener BMW auf echtes Leder verzichtet. „Veganza“ heißt das neue Zauberwort bei den Münchnern und ist die Umschreibung für in dieser Wagenklasse lange verpöntes Kunstleder. Unser Testwagen dagegen fährt noch konservativ ausgekleidet vor, ist mit samtig weichen Merinobezügen bestückt und zeigt Dekorleisten in hochglänzendem Furnierholz. Ob einem dabei der ganze neumodische Firlefanz rund um die „BMW Interaction Bar“ gefällt – Geschmackssache! In Sachen Materialanmutung haben die Siebener-Generationen über die letzten Jahre eine äußerst positive Entwicklung hingelegt. Beim G70 gibt es ebenfalls kaum etwas zu kritisieren – höchstens die kratz- und schmierempfindlichen Hochglanz-Kunststoffoberflächen um die letzten verbliebenen Schalter.

Abgesehen davon geht es bei einem Radstand von 3,22 Metern auf allen Sitzplätzen äußerst luftig zur Sache und je nach Umfang der Sonderausstattung werden auch zahlreiche Komfortfeatures geboten. Klimatisierte Sitze und Armlehnen, Massagefunktion oder optional ein 30 Zoll großer Theater-Bildschirm, der von der Decke fährt – mehr neu modernen Pomp gibt es auch bei Rolls-Royce nicht zu kaufen.

 Drehen, drücken, wischen, sprechen - im neuen Siebener ist bei der Bedienung alles erlaubt. Drehen, drücken, wischen, sprechen - im neuen Siebener ist bei der Bedienung alles erlaubt.

Bei der Bedienung hat man die Qual der Wahl

Hinten ist der ganze Luxus über die beiden in den Türtafeln untergebrachten Bildschirme in Smartphone-Größe bedienbar, vorne über den zentralen Infotainment-Bildschirm. Doch damit enden die Bedienmöglichkeiten in der ersten Reihe nicht. Per Fingergeste die Lautstärke regulieren, den BMW gesprochenen Wortes auffordern die Temperatur zu regulieren oder gänzlich altmodisch die Navi-Karte per Drehregler bedienen – klappt alles wie aus einem Guss. Nur schade, dass das BMW-Betriebssystem OS8 im Vergleich zu älteren iDrive-Versionen spürbar an Übersichtlichkeit eingebüßt hat. Ebenfalls nicht ideal: Der Wegfall der separaten Klimasteuerung und die weitere Reduktion echter Bedientasten.

 Der neue 7er BMW beherrscht den staatstragenden Auftritt. Nur in Kurven dürfte der Diesel, der ohne Wankstabilisierung auskommen muss, etwas mehr Verbindlichkeit zeigen. Der neue 7er BMW beherrscht den staatstragenden Auftritt. Nur in Kurven dürfte der Diesel, der ohne Wankstabilisierung auskommen muss, etwas mehr Verbindlichkeit zeigen.

Fazit

Der BMW 740d xDrive sorgt antriebstechnisch für große Begeisterung. Durchzugsstark, laufruhig und sparsam gibt es gegen einen großen Diesel in einer großen Limousine auch weiterhin nichts einzuwenden. Querdynamisch allerdings konnte der 740d nicht überzeugen. Durch die fehlende Wankstabilisierung neigt die Karosserie zu unschönen Schaukelbewegungen, Mitreisende beklagten flaue Mägen. Die schlecht dosierbare Bremsanlage ist für eine Chauffeurs-Limousine ebenfalls nicht ideal. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Weitere Bilder: Hersteller)

Technische Daten BMW 740d xDrive*

Modell BMW 740d xDrive
Motor Sechszylinder-Diesel, 2.993 ccm³
Leistung 220 kW (300 PS) bei 4.000 U/min
Drehmoment 650 Nm bei 1.500 U/min
Antrieb 8-Gang-Automatik, Allrad
Verbrauch kombiniert 6,8-6,1 l/100 km²
CO2-Emissionen kombiniert 178-160 g/km²
Beschleunigung (0–100 km/h) 5,8 s
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Abmessungen (L/B/H) 5,39 m/1,95 m/ 1,54 m
Radstand 3,22 m
Leergewicht ca. 2.300 kg
Kofferraumvolumen 540 l
Grundpreis BMW 740d xDrive ab 116.000 Euro

*Herstellerangaben

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