Ist es Blasphemie, ein M-Produkt zu kritisieren? Vielleicht. Doch der neue BMW M4 ist mit Sicherheit nicht über jeden Zweifel erhaben, polarisiert und liefert natürlich auch ab (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,1-9,8 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 230-224 g/km²). Manchmal ein ganzes Stück zu viel. Denn er ist für normalschlechte Straßen zu hart abgestimmt, zu wenig alltagstauglich und am Ende auch zu durstig und zu teuer.
Klingt nach vermessener Schlaumeierei, obwohl ich den M4 Competition vor einigen Wochen noch durchwegs gelobt habe? Mag sein. Damals kannte ich aber das neue BMW M440i Cabriolet noch nicht (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,4-6,9 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 169-159 g/km²).
Dieses ist zum Glück kein geschrumpfter 8er, zum Glück kein bockharter M4-Abklatsch. Vielmehr ist den Münchnern mit dem (offenen) M Performance 4er eines ihrer derzeit wohl besten Produkte gelungen. Sozusagen eine Art eierlegende Wollmilchsau des Automobilbaus, sieht man einmal vom bekannt mickrigen Cabrio-Kofferraumvolumen (300 Liter) ab.
Doch das 440i Cabriolet will vor allem die Sinne berühren, lässt mich wieder Freude am Fahren spüren und hat den großen Vorteil, seine Kraft stets an alle vier Räder abzugeben. Als Verfechter des Hinterradantriebs muss so ein Allrad natürlich was können, um zu gefallen. Und wahrlich, der heckbetonte xDrive weiß die äußerst potenten 275 kW/374 Pferdestärken des M440i Cabriolets, nicht zuletzt dank des serienmäßigen Hinterachssperrdifferentials, fahraktiv auf den Asphalt zu bringen.
374 PS… das sind satte 136 PS weniger als der M4 Competition zu bieten hat und doch kommt man sich dank des turbinenartigen Antrittverhaltens alles andere als untermotorisiert vor. Der Standardsprint auf 100 km/h gelingt in für den Verstand noch realisierbaren 4,9 Sekunden und abgeregelt wird per elektronischer Schrankwand bei Tempo 250. B58B30TÜ1, so die etwas ungalante Bezeichnung des zivileren der beiden 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Layouts im 4er, tönt derweil auch ziemlich gut und spielt gerade gen 6.500 Touren gedreht das Lied der guten alten Zeit.
Selbst Schubblubbern haben sie bei BMW noch eingebaut, zu erfahren mit dem richtigen Gespür im Gasfuß zwischen 3.000 und 4.000 Touren. Währenddessen arbeitet die serienmäßige 8-Gang-Wandlerautomatik mehr still und heimlich im Hintergrund und erlaubt sich nur im S-Gang und bei harsch angefahrenen Kurven eine kleine Schwäche. Denn hier „denkt“ die Automatik beim Anbremsen nicht immer mit und schaltet zu spät herunter. Ein Porsche Doppelkuppler agiert in solchen Situationen beispielsweise wesentlich agiler. Auf den Verbrauch angesprochen rekapitulierte der Bordcomputer bei unseren Fahrten etwas weniger als zehn Liter auf 100 Kilometer.
Wie von BMW gewohnt, lassen sich die Fahrzeugeinstellungen nach persönlichem Gusto variieren. Empfehlenswert ist hier der individuelle Sportmodus, der, wie die anderen beiden sportiven Fahrerlebnisprogramme, die Start-Stopp-Automatik deaktiviert. Einen eigenen Knopf dafür gibt es seit dem aktuellen Modelljahr nicht mehr. Das adaptive Sportfahrwerk, die Lenkung und das Getriebe auf „Comfort“, den Motor auf „Sport“ gestellt und schon liefert das BMW M440i Cabriolet jenes große Alltagsvergnügen ab, welches der M4 Competition, zumindest nach meinem persönlichen Empfinden, nicht auf die Kette brachte.
Endlich also ein sportlicher BMW, der vorzüglich federt, mit dem du gerne 600 Kilometer am Stück fährst und dessen Vorderachse dir detailliert über die Straßenbeschaffenheit berichtet. Die Lenkung mag etwas zu nervös geraten sein, doch ist sie weniger synthetisch als beim erstgeborenen Bruder, dem aktuellen 3er. Die M Sportbremse bringt das gut 2.000 Kilo schwere Gesamtkunstwerk sodann auch wieder adäquat zum Stehen, quietscht im Rangierbetrieb allerdings häufiger wie ein Güterzug.
Generell sind die Geräusche, die unser Testwagen beim Einparken machte, eher von ungesunder Natur, wobei sich das Geschnarre und Gejaule im Lenkgetriebe nur schwerlich zuordnen ließ. Einfacher ist es da, einen beim Einklappen deutlich knarzenden Außenspiegel auszumachen. Ansonsten gilt aber, dass der M440i vorbildlich verarbeitet ist, das Stoffdach mit echter Glasscheibe Außengeräusche ziemlich gut vom Innenraum fernhält und die Gurtbringer die Verzurrarbeit spürbar erleichtern.
In Sachen Fahrkomfort wird optional eine Nackenheizung angeboten, die sogar wirklich einen Mehrwert zu bieten hat. Ebenfalls einen Mehrwert hätten gekühlte Ledersitze, wie sie die Mitbewerber im Programm haben. Leider verzichtet BMW beim 4er weiterhin auf deren Einsatz.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle allerdings die Cockpitgestaltung in aller Generalität. Hier stimmen die eingesetzten Materialien, die Ergonomie und die Multimediabedienung. Wo andere nachlassen, scheint BMW in Sachen Qualität erst richtig Fahrt aufgenommen zu haben. Vielleicht schafft es zum nächsten Facelift auch wieder eine vernünftige Instrumentenkombi in die neueren Fahrzeuge der Münchner, wirkt das verspielte Tachodesign weiterhin nicht wie der Weisheit letzter Schluss.
Ach, und ehe ich es vergesse: Das Stoffverdeck des BMW M440i xDrive Cabriolet lässt sich bis 50 km/h innerhalb von gut 20 Sekunden öffnen und schließen – im Stand gelingt das faltende Schauspiel auch per Schlüssel. Nur für den Fall, dass der 4er direkt vor einer Eisdiele parkt. Selbst wer gerne offenfährt muss sich übrigens kaum Gedanken vor einer Sturmfrisur machen; sind die Fenster oben und das Windschott aufgestellt, herrscht auf den vorderen beiden Plätzen nahezu Windstille.
Chapeau BMW! Das neue M440i xDrive Cabriolet überzeugt trotz seines Gewichts durch seinen fahraktiven Charakter, wartet mit einem tollen Reihensechszylinder auf und bietet zugleich eine hochwertige Verarbeitung. Traktion ist im Übermaß vorhanden, der Verbrauch hält sich bei anständiger Fahrweise ebenfalls in Grenzen. Wenngleich der offene M Performance 4er stolze 22.600 Euro günstiger als das neue M4 Cabriolet ist, 75.900 Euro vor etwaigen Extras sind weiterhin kein Pappenstiel. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)