Der BMW 3er Touring ist neben VW Passat Variant, Audi A4 Avant und Mercedes C-Klasse T-Modell einer der wohl beliebtesten Dienstwagen in Deutschland. Meist erhält man ihn als Gratifikation für gute Umsätze, manch Regionalverkäufer steigt direkt bei ihm ein und ganz andere, die haben ihn nur zum Spaß. Wie sonst kann man sich erklären, dass man für einen 320d im hier und jetzt über 70.000 Euro ausgeben kann?
320d jetzt mit 48-Volt-Unterstützung
Doch der Reihe nach: Der 3er Kombi wird über alle Personengruppen hinweg vor allem wegen seines fahraktiven Charakters geschätzt. Diesen hat er sich über die Jahre durch seine breite Motorenpalette sowie der Auswahlmöglichkeit zwischen Hinterrad- und Allradantrieb weitestgehend bewahrt. Ein Handschaltgetriebe gibt es dagegen nur noch theoretisch (ohne Mild-Hybrid-Zusatz), dürfte praktisch aber kaum mehr bestellt werden. Und so fährt auch der von uns getestete 320d mit einer 8-Gang-Automatikbox vor, derer man sich im Regelfall kaum bewusst wird. So blitzschnell und ohne Zugkraftverlust finden die Fahrstufenwechsel statt, dass man den ollen 6-Gang-Handrührer kaum vermisst. 140 kW/190 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment leistet derweil der zweifach aufgeladene Vierzylinder-Diesel und wird seit März 2020 zusätzlich durch ein 48-Volt-Mild-Hybrid-System unterstützt (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 5,2-4,9 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 137-128 g/km²).
Motor und Getriebe arbeiten unauffällig
Ein Startergenerator mit 8 kW/11 PS Leistung hilft dem 3er beim Anfahren (Turboloch, was ist das?), ermöglicht längere Start-Stopp-Phasen und hält mittels einer kleinen Lithium-Ionen-Batterie die Bordelektronik bei Laune. Dann etwa, wenn die erweiterte Segelfunktion selbst bei höheren Geschwindigkeiten das komplette Abschalten des Motors über weite Teilstrecken bewerkstelligt. Im Alltag funktioniert das Zusammenspiel aus Verbrenner und 48-Volt-System ohne Fehl und Tadel, das Zu- und Abschalten des Motors geschieht nahezu unmerklich. Auf längeren Teststrecken, etwa von München nach Frankfurt, gelang es uns bei bedachter Fahrweise, rund 10 Prozent des Weges ohne Dieselmotor zurückzulegen.
Testverbrauch unter sechs Liter auf 100 Kilometer
Wer es insgesamt mit viel Gelassenheit angehen lässt, schafft so im Schnitt laut Bordcomputer Verbrauchswerte um 5,5 Liter auf 100 Kilometer. Wie wir finden durchaus respektabel und damit im nahen Bereich um die offiziellen WLTP-Angaben von BMW. Freilich: Wer den Gasfuß tief gen Bodenblech drückt, kann auch um 7,5 Liter verbrauchen. Angesichts eines Lebendgewichts von gut 1,8 Tonnen und der dann erfahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit weiterhin kein schlechter Wert. Die gebotene Leistung reicht dabei im Alltag und für längere Autobahnetappen vollends aus, wobei es für die Höchstgeschwindigkeit von Tempo 230 eine sehr lange und ebene Gerade braucht.
Die sportliche Seite des 3er Touring
Abseits der Autobahn überzeugt der neue 320d Touring indes durch seine Leichtfüßigkeit. Wirkt die variable Sportlenkung manches Mal schon zu direkt abgestimmt, weiß das adaptive M Sportfahrwerk im Normalfall einen guten Fahrbahnkontakt zu vermitteln. Gerne straffer als die Konkurrenz, aber immer noch langstreckentauglich. Erst im Sport-Modus wirkt der 3er für unsereins zu hart eingestellt. Die am Testwagen verbaute M Sportbremse verfügt des Weiteren über einen guten Druckpunkt und verzögert selbst aus höheren Geschwindigkeiten mehr als ordentlich.
Größter Kritikpunkt: die ellenlange Optionsliste
Der Knackpunkt all dieser Dinge ist jedoch, dass sie nur optional verfügbar sind. Gleiches gilt für viele andere Annehmlichkeiten: Komfortzugang, seitliche Akustikverglasung, Laserlicht oder das Business Paket Professionell sind begehrenswerte, aber mitunter ziemlich teure Anschaffungen. Der normale Dienstwagenberechtigte wird hier sicherlich mit spitzerem Bleistift rechnen und beispielsweise auf elektrische Sitze, 19 Zoll Leichtmetallräder oder das M Sportpaket verzichten.
Ausreichend Platz für Mensch und Gepäck
Doch selbst wer sich bei der Optionsliste zurückhalten muss, bekommt im Innenraum ein gut verarbeitetes, ein sehr gut zu bedienendes Auto präsentiert. Dabei lässt BMW seinen Kunden die Wahl, ob die Interaktion mit der iDrive-Einheit per Sprachbefehl, Controller, Touch-Display oder gegen Aufpreis zum Teil via Gestensteuerung stattfindet. Optional sind leider auch die sehr bequemen Sportsitze, die sich vielfach einstellen lassen und selbst größer gewachsenen wie auf den Leib geschneidert passen. Platz ist vorne zur Genüge und hinten ausreichend vorhanden, wobei der Knie- und Fußraum in der zweiten Sitzreihe naturgemäß nicht ganz so luftig ist. Der gut zu beladende Kofferraum des 320d Touring fasst indes laut Datenblatt zwischen 500 bis 1.510 Liter Gepäck. Weiterhin eine Klasse für sich: die von der serienmäßig elektrischen Heckklappe getrennt zu öffnende Heckscheibe.
Fazit
Der neue BMW 320d Touring als Mild-Hybrid überzeugt auf breiter Front und ist unterm Strich ein fahraktiver, gut verarbeiteter und auf Wunsch äußerst sparsamer Wegbegleiter. Vor allem das Zusammenspiel aus 2,0-Liter-Diesel und 48-Volt-System sowie die intuitive Bedienung gefallen. Ist das große Assistenzpaket (Driving Assistant Professional) bestellt, gelingt dem 3er innerhalb seiner Systemgrenzen auch das teilautomatisiere Fahren auf höchstem Niveau. So viel Technik hat allerdings seinen Preis. Mindestens 45.950 Euro verlangt BMW für den 320d Touring Mild-Hybrid in Österreich, unser Testwagen kostete gar um die 70.000 Euro. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: BMW 320d Touring Mild-Hybrid
- Motor: Vierzylinder-Diesel, 1.998 ccm
- Leistung: 190 PS (140 kW) bei 4.000 U/min
- Drehmoment: 400 Nm bei 1.750 U/min
- Antrieb: Hinterradantrieb, 8-Gang-Automatikgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 5,2-4,9 l/100 km l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 137-128 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 7,1 s
- Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,71 m/1,83 m/1,44 m
- Gewicht: ca. 1.700 kg
- Grundpreis AT: ab 45.950 Euro
*Herstellerangaben