Hochbauend, provokant und ein Garant für hohe Stückzahlen. Auch BMW beherrscht es bestens auf der SUV-Klaviatur zu spielen. Modellpalette auf, Modellpalette ab gibt es mittlerweile kaum eine Nische (warum hat es den X2 gebraucht?), die nicht von einem hochbeinigen Kfz besiedelt wird. Gut, dass man im eigenen Hause den Blick für das eigentlich Wichtige noch nicht gänzlich verloren hat: Den Fahrspaß! Nicht, dass sich so ein X5 schlecht fahren würde, aber er ist halt dann und wann ein wenig unpraktisch. In der Stadt zum Beispiel oder vor dem Waldkindergarten. Hier kommt so ein kompakter Zweier schon wesentlich besser an, obwohl er mit 4,53 Meter in der Länge sogar die Dreier-Limousine E90 überragt.
Dass es dabei dennoch keine Freude ist, den Nachwuchs in die zweite Reihe quasi hinein- und dort auch wieder herausfalten zu müssen, steht auf einem anderen Blatt. Nein, ein ausgewiesenes Familienauto wird aus dem 2er Coupé auch mit der Neuauflage nicht werden, muss es aber auch gar nicht sein. Gerne wird in Verbindung mit dem intern als G42 bezeichneten Zweitürer vom letzten echten BMW geschrieben. Von einem Auto, gebaut nach dem bayerischen Reinheitsgebot. Das kommt der Wahrheit schon ziemlich nahe, obwohl es neuerdings serienmäßig am Handschaltgetriebe fehlt.
(Diesel-)Motor vorne längs, Achtgang-Automatikgetriebe und Hinterradantrieb sind dennoch Alleinstellungsmerkmale in einer Fahrzeugklasse, die immer weiter ausgedünnt wird. Auch bei BMW grassiert zusehends die Meinung, man müsse viele Modelle vereinheitlichen, was dem 1er schließlich die Frontantriebsarchitektur des Mini einbrachte. Sei’s drum: der BMW 220d (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 5,1-4,6 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 133-120 g/km²) fährt, wie sich ein BMW fahren sollte. Zumindest, wenn man ihn schnell fährt. Es dauert ein paar Abbiegungen nach der Ausfahrt aus den Garchinger Pressehallen, bis man sich an die sehr direkte, fast schon spitz abgestimmte Lenkung gewöhnt hat, bis man verstanden hat, dass so ein M Sportfahrwerk im Langsamfahrmodus eher hölzern agiert.
Adaptive Dämpfer kosten derweil keinen Euro extra – es gibt sie erst gar nicht zu bestellen. Sie sind, warum auch immer, einzig dem Top-Modell M240i (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 8,8-8,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 200-185 g/km²) vorbehalten, würden allerdings auch dem 220d ganz gut stehen. Die Sache mit dem Federungskomfort bessert sich, wird der 190 PS und 400 Newtonmeter starke Diesel auf Zug über die Hausstrecke oder die gut ausgebaute Autobahn getrieben. Hier kann man das mit dem Reinheitsgebot schon verstehen. Die Lenkung befreit von Antriebseinflüssen, das Popometer zeigt mit beflissener Genauigkeit an, wann das Heck zum Überholvorgang ansetzt, und dann arbeitet vorne der gute alte 2,0-Liter-TwinTurbo „B47“, der selbst dem stets linksfahrenden Spritjunkie Verbräuche um sechs Liter auf 100 Kilometer beschert.
Mittlerweile mild elektrifiziert lässt sich vielleicht auch erklären, warum der 220d so sündhaft teuer geworden ist. Mindestens 45.900 Euro möchten sie in München gerne haben, gut 8.000 Euro mehr als zuletzt für den Vorgänger. Für so viel Geld hätte es dann auch eine bessere Abstimmung der optionalen M Sportbremse sein dürfen, die gerade im urbanen Bereich mit einer schlechten Dosierbarkeit nervt.
Mehr einer Feinkritik gleichkommend sind da schon knisternde Türtafeln, die in erster Linie deswegen wahrgenommen werden, weil der Innenraum des 2er Coupé ziemlich gut gedämmt ist. Das Interieur selbst entspricht dabei der aktuellen BMW-Philosophie, wonach ein überwiegend wertiger Materialmix auf eine ergonomisch perfekt abgestimmte Arbeitswelt trifft. Sitz- und Lenkradposition gefallen und weiterhin überlässt es BMW der Fahrerin oder dem Fahrer, wie sie oder er das Auto bedienen möchte. Also per Dreh-/Drücksteller, Touchdisplay oder mittels ungewohnt behäbiger Sprachbedienung. Auch das Navi im Testwagen glänzte eher weniger und zeigte beinahe schon VW-ähnliche Ausfallerscheinungen bei der Routenführung.
Macht aber nichts, denn wer heute einen 2er bestellt, bekommt bereits kurz nach dem Marktstart Anfang des Jahres sozusagen per Mini-Facelift das neue Curved-Display samt iDrive-Generation 8 gereicht. Ob das die Bedienung besser macht, sei einmal dahingestellt. Gemein haben beide Systeme, dass über sie nunmehr auch bei BMW bei jedem Fahrzeugneustart Assistenten wie die überkorrekte Spurverlassenswarnung deaktiviert werden müssen. Zumindest dann, wenn man insgesamt weniger Bevormundung wünscht. Hintergrund ist hier ein geändertes Bewertungsschema beim NCAP-Crashtest, den das 2er Coupé zuletzt mit vier von fünf möglichen Sternen absolvierte.
God save the Hinterradantrieb! Wer nach einem echten Spaßmacher sucht, der gleichzeitig knausrig mit Kraftstoff umgeht, gut verarbeitet ist und sich noch wahrlich nach einem Stück bayerischer Autobaukunst anfühlt, der kommt nur schwer am BMW 220d vorbei. Dass der Bayer in Mexiko vom Band läuft, merkt man ihm qualitativ nicht an. Die Wahrheit ist aber auch: Das 2er-Diesel-Coupé ist trotz aller Fahrfreuden mit 46.000 Euro deutlich zu teuer geraten. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
*Herstellerangaben