Der Audi V8: Gerade im hier und jetzt verlangt er nach einer gewissen inneren Haltung. So weiß man Kraft seines Namens zwar, dass acht Zylinder unter der Motorhaube lauern – man muss sich aber schnell eingestehen, dass die Leistungsentfaltung eher nicht so sportlich ausfällt. Annähernd 250 PS kredenzen heute schon aufgeblasene Dreizylinder, der Dreisechser hingegen setzt mehr auf sein Drehmoment von 340 Newtonmeter und seine tiefenentspannte Laufkultur. Selbst wer ihn hoch dreht wird den V8 kaum aus der Contenance bringen. Und das ist es wohl, was einst auch Dr. Piëch im Sinn hatte. Der damalige Audi Chef und anschließende Vorstandsvorsitzende von Volkswagen konstruierte mit dem Audi V8 ein Auto, gemacht für die ewige Reise. Aus dem Vollen geschnitzt – innen wie außen.
Audi V8 war eine Neuentwicklung
Kritiker bemängelten Ende der 1980er Jahre zwar die starke Nähe zum Audi 100 und 200, im Detail handelte sich beim Audi V8 D11 aber weitestgehend um eine Neuentwicklung. Dass man sich beim V8 optisch an den Schwestermodellen orientierte hatte zudem den Grund, dass jene Karossen zu den windschlüpfrigsten ihrer Zeit gehörten. Der maßgebliche cw-Wert lag daher auch beim V8 bei 0,32 (Audi 100 0,30) und ohnehin war man in Ingolstadt daran, einen gewissen optischen Wiedererkennungswert durch die Baureihen hinweg zu schaffen. Die äußerlichen Unterschiede am D11 resultieren vor allem aus der geänderten Motorhaube samt Scheinwerfer, den breiteren Kotflügeln und durch ein geändertes Leuchtendesign am Heck.
Analoge Tachowelt
Im Inneren ist die Verwandtschaft zu Audi 100 und 200 dann noch weniger abzustreiten. Der Audi V8, der zunächst eigentlich Audi 300 heißen sollte, setzt beispielsweise auf das gleiche Armaturenbrett, verfügt aber immer über alle Zusatzinstrumente. Wer es analog mag, der findet im D11 sein wahres Eldorado. Die Armada an gut ablesbaren Instrumenten ist eine Schau, alles ist glasklar ablesbar und kommt ohne unnötigen Schnickschnack aus. Check Control hieß Ende der 1980er der letzte Schrei und war in Kombination mit dem Bordcomputer die weiteste digitale Errungenschaft, die man in einem Audi (mit Ausnahme des Digitaltachos im Ur-Quattro) seinerzeit bestellen konnte.
Dem V8 fehlte es an Prestige
Anders als die Japaner (Stichwort: Toyota Crown Royal Saloon V8), waren die Deutschen in Sachen Mäusekino generell konservativer unterwegs. Und wenn man sich mit Mercedes Benz S-Klasse W126 und BMW 7er E32 messen wollte, dann brauchte es ab 1988 vor allem starke Motoren, ein dick beledertes Innenleben und ein gewisses Prestige. Letzteres konnte Audi damals noch nicht bieten und so blieb der Audi V8 auch stets hinter den gesetzten Absatzerwartungen zurück. Lediglich 21.565 Stück wurden bis 1994 gebaut und auch die Modellerweiterung auf den durchzugsstarken 4,2 Liter Achtzylinder ab 1992 brachte nicht den gewünschten Erfolg. Dennoch: Der Audi V8 D11 war wichtig für die Ingolstädter, ebnete er doch den Weg in die heutige Oberklasse und lieferte wichtige Erkenntnisse für die erste Generation des Audi A8 D2.
Geschmeidiger Antrieb
Wie eingangs erwähnt zählt der Motor im V8 nicht zu den spritzigsten. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Antrieb nicht überzeugen kann. Geschmeidig dreht der 3,6 Liter große Achtzylinder bei Bedarf hoch bis knapp über 5.800 Touren, die famose 4-Gang-Automatik (erstmals in der Oberklasse mit einem permanenten Allradantrieb gekoppelt) schaltet stets unmerklich und der Fahrkomfort geht selbst nach heutigen Maßstäben noch mehr als in Ordnung. Man erwischt sich gar dabei, dem Audi V8 D11 jenes emotionale Fahrerlebnis anzudichten, das bei heutigen Produkten aus Ingolstadt meist zu kurz kommt. Freilich ist der D11 kein Kurvenräuber, markiert durch Reifenquietschen recht früh, wenn es ihm zu viel wird und schiebt anschließend und allradtypisch gerne über die Vorderräder.
Kapriziöse Bremsanlage
Doch macht er dies mit einer vorhersehbaren Berechenbarkeit. Das Lenkgefühl ist durchaus vorhanden und die innenumfassenden Scheibenbremsen verzögern ordentlich. Jene Bremsanlage war bei Audi übrigens nur bei V8 sowie 200 20V Turbo quattro in Verwendung. Als "UFO-Bremse" (aufgrund der eigenwilligen Optik) verbreitet sie unter Youngtimer Fans auch heute noch Angst und Schrecken. Hohe Ersatzteilpreise trieben V8 Besitzer bereits früh dazu, auf die nachfolgende und verbesserte HP2-Bremse zu wechseln. Sie verzögert den fahrbereit rund 1,7 Tonnen schweren Audi V8 D11 standfest, was man von der kleineren Bremse aus der Audi 100 Basis nicht behaupten konnte. Sie wurde von ein paar Wagemutigen im D11 verbaut, lieferte aber, gerade aus höheren Geschwindigkeiten, katastrophale Bremsleistungen. Von derlei Umbauten sollte man definitiv die Finger lassen.
Wenig Rost dank Vollverzinkung
Durch die vollverzinkte Karosserie des V8 ist Rost auch heute noch ein überschaubares Übel. Genauer hinschauen sollte man allerdings beim Heckblech, Kofferraumdeckel, Kotflügel, Scheibenrahmen und bei der Antennenaufnahme - diese Teile sind am ehesten von der braunen Pest befallen. V8 Besitzer klagen bei ihren Fahrzeugen dagegen häufiger über nicht mehr funktionierende Tachoanzeigen, Check-Control-Systeme eine ungenaue Tankuhr und den Verlust von allerhand Betriebsstoffen aus Motor (Wellendichtung Kurbelwelle, Ventilschaftdichtung) und Getriebe. Gerade dem 4,2 Liter V8 sagt man im gesetzten Alter einen deutlich höheren Ölverbrauch als dem 3,6 Liter Motor nach.
Audi V8 im Unterhalt teuer
Acht Zündkerzen und zwei Zündspulen können zusätzlich ins Geld gehen, gleiches gilt für die Abgasanlage und den regelmäßigen Zahnriemenwechsel. Er ist beim 3,6 Liter Achtzylinder spätestens nach 90.000 und beim 4,2 Liter V8 nach 120.000 Kilometer anzusetzen. Wer einen gebrauchten D11 im Blick hat, sollte den Zahnriemen im Zweifel auf eigene Regie wechseln lassen. Ein Riss führt zu einem kapitalen Motor-, und unweigerlich zu einem wirtschaftlichen Totalschaden. Als erstaunlich haltbar erweist sich jedoch die vierstufige Wandlerautomatik. Sie verträgt dennoch in gewissen zeitlichen Abständen einen Wechsel des Getriebeöls, dessen Austausch im Audi-Serviceheft einst nicht kommuniziert wurde. Aufgrund der Komplexität des ATF-Wechsels (Richtige Messtemperatur und korrekter Füllstand) ist es ratsam, diese Arbeit von einem versierten Fachmann ausführen zu lassen.
Das Maß der Dinge: Connolly Leder
Unter Fans des Audi V8 gesucht sind übrigens die seltenen 5- oder 6-Gang-Handschalter. Insbesondere in Verbindung mit dem großen 4,2 Liter Aggregat erreichte der D11 für die damalige Zeit sehr ordentliche Fahrleistungen: Zum Beispiel von 0 auf 100 km/h in 6,8 Sekunden, Vmax 249 km/h. Der Vierzweier im D11 wurde auch in den Audi 100 S4 C4 V8 übernommen und fand später grundlegend überarbeitet im ersten Audi A8 D2 und im Audi S6 C4 Verwendung. Gleichermaßen gesucht: Audi V8 Exclusiv und die sehr seltenen D11 Classic Line mit Connolly Leder. Hier (und beim Audi Coupé Typ 89) hat sich Audi erstmals im weitreichenden Segment der Individualisierung versucht und mit der englischen Traditionsfirma Connolly Leather Limited zusammengearbeitet. Alle relevanten Teile im Interieur waren mit hochwertigstem Naturleder bezogen. Connolly (damals unter anderem Zulieferer von Rolls Royce) musste im Jahr 2002 nach einer finanziellen Schieflage Konkurs anmelden.
Frühe Baujahre erkennen
Frühe Audi V8 Modelle erkennt man derweil an zwei kleinen aber feinen Merkmalen: Durch die abgebogenen Abgasendrohre beim 3,6er und die zugekaufte Klimabedienung, die optisch so gar nicht zum sonst wohl komponierten Innenleben passen mag. Erst ab 1991 lieferte Audi die mittlerweile aus Audi 80 B4 und 100 C4 bekannte Klimabedienung und auch die Endrohre wurden nun nicht mehr abgebogen. Fahrer- und Beifahrerairbags hielten (zunächst optional) Einzug und zum Modelljahr 1993 (ab Produktion September 1992) entfiel auch der heute merkwürdig anmutende ABS-Aus-Schalter in der Mittelkonsole. Damals ein Highlight: Die optionale Bose-Surroundanlage mit 10-fach-CD-Wechsler, die auf der Hutablage um einen zweifachen DuoSound-Klinkenanschluss für Kopfhörer erweitert werden konnte. Für den Fondbereich stand zudem der Luxus einer Sitzheizung und Sichtschutz in Form von Seiten- und Heckrollos zur Verfügung. Spätere Baujahre erhielten zudem die Option auf elektrisch verstellbare Einzelsitze hinten.
Fazit
Der Audi V8 D11 fährt sich auch gut 30 Jahre nach seinem Debüt beinahe wie ein modernes Auto und die ersten Baujahre erhielten bereits 2018 zurecht die höheren Weihen des H-Kennzeichens. Als großer Reisewagen hat ihn Ferdinand Piëch aus dem Vollen schnitzen lassen. Qualität und Geschichte machen ihn überdies zu einem waschechten Klassiker. Die Ersatzteilversorgung, insbesondere für seltene Classic Line Modelle, gilt hingegen als angespannt, die UFO-Bremse wird nicht mehr hergestellt und Audi selbst produziert nur sehr unregelmäßig bestimmte Teile nach. Die preisliche Talsohle hat der Audi V8 D11 derweil durchschritten, gute Exemplare kosten mittlerweile an die 10.000 Euro. Alles was darüber geht, darf allerdings noch der Liebhaberei zugeordnet werden. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
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Technische Daten*
- Modell: Audi V8 3,6 D11
- Motor: Achtzylinder-V-Motor, 3.562 ccm
- Leistung: 250 PS (184 kW) bei 5.800 U/min
- Drehmoment: 340 Nm bei 4.000 U/min
- Antrieb: 4-Gang-Automatik, Allrad
- Beschleunigung (0 – 100 Km/h): ca. 9,2 s
- Höchstgeschwindigkeit: 235 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,87 m/1,81 m/1,42 m
- Gewicht: ca. 1.710 Kg
- Neupreis 1991: 98.700 D-Mark
- Neupreis 1994: 95.000 D-Mark
*Herstellerangaben
Auszug aus der Preisliste
- Autotelefon Siemens C2: 8.300 DM
- Wollcord statt Leder: 4.235 DM
- Airbag für Fahrerseite: 2.634 DM
- Standheizung: 2.591 DM
- Schiebedach elektrisch: 1.884 DM
- Perlmutt Lackierung: 1.352 DM