Wer sich für einen Audi R8 interessiert, muss ihn auf der Audi-Homepage erst einmal finden. Auf der Neuwagen-Seite ganz unten ist der Sportwagen aufgelistet, in zahlreichen Varianten und am Ende doch nur mit einem V10-Motor in drei Leistungsstufen. Ein Achtzylinder wird seit der zweiten Modellgeneration nicht mehr angeboten, obwohl der 4,0-Liter-Biturbo aus dem RS 6 (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,6-11,5 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 265-263 g/km²) dem R8 womöglich zu einem zweiten Frühling verholfen hätte.
Dem Zehnzylinder eilen mittelalterliche Spritverbräuche voraus, was allerdings nur zum Teil zutrifft. Das FSI-Triebwerk mit Zylinderabschaltung kann mit den mitgeführten 83 Liter Superplus bei zurückhaltender Fahrweise durchaus haushalten. 14 bis 15 Liter laut Bordcomputer erscheinen für 5,2 Liter Hubraum, 397 kW/540 PS und 540 Nm Drehmoment zumindest nicht völlig daneben (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 300 g/km²). Wer den Boliden allerdings häufiger tritt, wird auch locker auf das Doppelte kommen.
Doch zum Spritsparen gibt es im VW-Konzern andere Autos – der Audi R8 soll vor allem Spaß bereiten. Das tat er bereits in seiner ersten, das tut er auch in seiner zweiten Generation. Als RWD-Variante hat man ihm nun – sozusagen serienmäßig – den Allrad genommen und bietet den Quattro (plus 30 PS extra) nur noch gegen ein heftiges Zugeld von 30.000 Euro an. Ab 145.000 Euro ist das Audi R8 Coupé V10 RWD zu haben und wandelt damit preislich noch unterhalb von Porsche 911 GT3 und 911 Turbo (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,3-11,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 304-254 g/km²).
Mit dem Turbo-Elfer ist der Audi dabei am ehesten zu vergleichen, fehlt es dem R8 für mehr schlichtweg an sportlichem Willen. Das ist betont nicht schlecht, wenn man den Neckarsulmer vorwiegend als Gran Turismo (GT) auf Autobahnen und Landstraßen nutzt. Für den Rundkurs hingegen wirkt das serienmäßige RWD-Sportfahrwerk eine Spur zu kompromissbereit, die Lenkung ist zwar präzise, aber zu leichtgängig und nur wenig mitteilsam.
Das soll aber nicht bedeuten, dass der rund 1,6 Tonnen schwere Audi R8 RWD nicht schnell wäre, nicht vehement in Kurven geworfen werden könnte. Beides gelingt trotz der beinahe schon digitalen Gasannahme ohne schweißnasse Hände, was vordergründig an den fein abgestimmten Fahrassistenzprogrammen liegt. Im sportlichen ESP-Modus lassen sie mehr Heckbewegung zu, ohne den unbedarften Sportwagenfan gleich auf Anhieb zu überfordern.
Dass der Audi R8 V10 RWD mehr Reisesportwagen, denn Tracktool ist, zeigt zugleich das Angebot an verfügbaren Bremsanlagen. Wird bei den Varianten mit Allradantrieb zumindest optional eine Keramikbremse gereicht, müssen dem hinterradgetriebenen R8 klassische Stahlscheiben reichen. Doch wäre es vermessen zu behaupten, die serienmäßigen Stahlstopper im 18-Zoll-Format würden nicht einen großartigen Job erledigen.
Überwiegend problemlos arbeitet das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Zackig reicht es die Fahrstufen herein, um einzig bei Zwischenspurts des Öfteren einen Gang zu weit nach unten zu schalten. Dann gibt es viel Schall, aber eben wenig Vortrieb, da der V10 schon nahe dem Begrenzer arbeiten muss. Auf den Zehnzylinder im Heck angesprochen entzückt dieser jeden, der auch nur ansatzweise Benzin im Blut hat. In 3,7 Sekunden schnalzt der R8 RWD von null auf 100 km/h, Ende ist bei Tempo 324 erreicht.
Der V10 sorgt durch seinen Klang dabei stets für Gänsehautfeeling, tönt aber gleichzeitig nie unangenehm. Das liegt auch an der sehr guten Kabinendämmung, die Störgeräusche konsequent von der Besatzung fernhält. Fährst du mit dem R8 derweil in eine Neubausiedlung, wirst du auch hier kaum böse Blicke ernten. Nicht lauter als eine sportliche Mittelklasse-Limousine, hält sich das Aggregat gerne im Hintergrund. Nur frühmorgens werden deine Nachbarn das Zehnzylinder-Orchester schwerlich überhören können – denn leise starten kannst du den R8 nicht.
Im bestens verarbeiteten Innenraum sollte man sich überlegen, ob es wirklich die optionalen Schalensitze braucht. Die regulären Sportsitze sind deutlich bequemer, bei nicht viel weniger Seitenhalt. Auf das Wesentliche reduziert ist das digitale Cockpit vor allem auf den Fahrer ausgerichtet. Ein Mitteldisplay gibt es nicht, was die Bedienung mitunter kompliziert gestaltet. Teils muss man sich durch umständliche Menüs kämpfen, die Spracheingabe hilft nur bei der Medien- und Navigationssteuerung.
Wie es sich für einen reifenden Sportler gehört, geben Assistenzsysteme im Audi R8 RWD nicht den Ton an. Hier muss noch stets selbst gelenkt werden, die Optionsliste ist in diesem Bereich knackig kurzgehalten. Es wird eine Geschwindigkeitsregelanlage sowie zwei verschiedene Einparkhilfen gereicht – mehr nicht. Dass es aber durchaus sinnvolle Features wie einen Totwinkelwarner nicht mehr in den R8 geschafft haben, ist schade.
Audi befindet sich in einer Transformationsphase hin zur elektrischen Premiummarke innerhalb des VW-Konzerns. Dass feuerspuckende Maschinen wie der Audi R8 V10 RWD in ihrer jetzigen Form noch lange überleben, gilt als nahezu ausgeschlossen. Wer einen großartigen Reisesportwagen mit einem ebenso großartigen Zehnzylinder sucht, sollte zugreifen, solange es noch geht. Kleine Unzulänglichkeiten bei Getriebe, Lenkung und in Sachen Bedienung trüben das insgesamt positive Bild des R8 kaum. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)