Es waren betont kurze Intermezzi: Die Zeitspannen, in denen die großen Drei – Daimler, BMW und Audi – ihre Oberklasse-Modelle S-Klasse, 7er und A8 hierzulande je mit einem Vierzylinder-Hybrid angeboten haben. Im Schnitt nur drei Jahre hielten sie sich am Markt, gekauft dürfte sie aber kaum jemand haben. Zu wenig Leistung, zu wenig elektrische Reichweite, zu wenig Prestige. Und so erleben wir nunmehr den breiten Wechsel auf den Sechszylinder-Hybrid. Länger schon bei Daimler, BMW hat Anfang 2019 nachgezogen und jetzt komplettiert der Audi A8 (L) 60 TFSI e quattro das teilelektrische Trio (Kraftstoffverbrauch kombiniert: Benzin: 2,7–2,5 l/100 km; Strom: 21,2–20,9 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 61–57 g/km²).
Hinter dem verwirrenden Zahlenspiel beim A8 mögen manche noch einen 6,0-Liter-W12 vermuten, doch der 60 TFSI e fährt nur mit der Hälfte an Hubraum und Zylindern vor. Dafür sorgt ein 100 kW/136 PS leistender Elektromotor via E-Boost für zusätzlich Druck im Maschinenraum und unterstützt den 250 kW/340 PS starken 3,0-Liter-V6-Turbobenziner. Die rechnerische Systemleistung müsste eigentlich bei 476 PS liegen, Audi gibt allerdings verlustbereinigte 330 kW/449 PS an. Reicht. Und mit Blick auf die sehr forschen 700 Newtonmeter Drehmoment mag man gar schon sehr sportliche Fahrleistungen heraufbeschwören.
A8 Hybrid steht mächtig gut im Futter
Glaubhafte 4,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 sind für eine über 2,4 Tonnen schwere Limousine, samt langem Radstand, derlei auch nicht von schlechten Eltern. Es gibt sogar eine Launch-Control. Der Quattro-Allrad, der auch im E-Modus stets alle vier Räder mit Leistung versorgt, offeriert selbst auf nasser Fahrbahn eine katapultartige Beschleunigung, die beinahe schon unerhört wirkt. Die durchaus sportive Seite des Audi A8 60 TFSI e hat seine Begründung unter anderem in der engen Zusammenarbeit mit Porsche. So entspricht der Hybrid-Antrieb des A8 in weiten Teilen jenem aus dem Panamera, wobei Stuttgart mittlerweile auf die 2,9-Liter-Biturbo-Variante des VW Konzernmotors EA839 setzt.
Unter Realbedingungen, samt Stadt- und Autobahnverkehr, erreichten wir derweil eine rein elektrische Reichweite von rund 37 Kilometer, was ziemlich genau der Anzeige im digitalen Kombiinstrument entspricht. Auf das Datenblatt verliert der lange Audi A8 60 TFSI e quattro ebenfalls nur knapp neun Kilometer, was die WLTP-Angabe von 46 Kilometer im durchaus alltagstauglichen Licht erscheinen lässt. Abseits spritfreier Phasen nahm sich der Benzinantrieb des Ingolstädters über den gesamten Testzeitraum im Schnitt zwischen 9,2 und 9,5 Liter Super Benzin auf 100 Kilometer. Damit ist er laut Bordcomputer auf Augenhöhe zum Hybrid 7er (Testverbrauch 8,5-9,3 l/100km), fährt aber mit einem größeren 65-Liter-Tank vor.
Läuft länger frei...
Die Zylinderanzahl und der Testverbrauch wären dann aber auch schon die einzigen Gemeinsamkeiten, die beide Bayern miteinander teilen. Bereits nach den ersten Metern im A8 wird klar: hier wird eine andere Hybrid-Philosophie verfolgt. Liegt dem 7er viel daran, möglichst früh und möglichst viel zu rekuperieren, ist der A8 ein wahrer Segelmeister. Im intelligenten Freilauf inklusive prädiktiver Regelung schafft er viele hundert Meter ohne den Einsatz von E-Motor oder Verbrenner. Was sich zunächst positiv anhört, hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: Ist die 14,1 kWh große Batterie leergezogen, tut man sich während der Fahrt schwer, diese wieder zu laden. Freilich könnte man nun versuchen wie ein Berserker im Dynamik-Modus die Hochvolt-Batterie aufzuladen – aber zu welchem (Kraftstoff-)Preis?
Lohnender ist hier schon die Fahrt zur Ladestation. Der Audi A8 benötigt dank 7,4-kW-Anschluss nämlich nur 2,5 Stunden bis der Akku wieder vollständig geladen ist. Zum Vergleich: Der teilelektrische 7er hing dank einer Ladeleistung von nur 3,7 kW rund 4,5 Stunden an der Wallbox. Schade: Der Audi zeigt zwar am Ladeanschluss per grüner LED an, dass geladen wird - die Ladestandsanzeige im Kombiinstrument ist aber nicht immer von außen direkt sichtbar (wie z. B. bei Kia). Insgesamt wirkt die Informationsaufbereitung des Hybridantriebs per Virtual Cockpit und MMI im Audi A8 auch unnötig kompliziert, was unverständlich ist, glänzt das restliche Bediensystem sonst mit einer äußerst intuitiven Handhabe.
Ohne Fehl und Tadel: Der Innenraum
Wir vergessen für einen Moment den neumodischen Antriebsstrang und widmen uns dem manufakturartigen Interieur. Leder, Alcantara, offenporiges Holz und Aluminium fügen sich in bester Perfektion zusammen, die Verarbeitung ist über jeden Zweifel erhaben und bietet Audi-typisch keinerlei Grund zur Kritik. Insbesondere in der Langversion des A8 ist es schwer zu sagen, wo der bessere Platz ist. Hinter dem Lenkrad oder doch auf dem rechten Fondsitz samt opulenter Beinfreiheit? Mittels Touchpad bedient man von dort aus nicht nur die Sonnenschutzrollos oder die Sitzmassage, sondern gibt auch den Takt bei der Musik vor. Für den Fahrersitz sprechen hingegen die dynamischen Attribute.
Mittlerweile mehr als deutlich positioniert sich der Audi A8 hierbei sogar über dem 7er BMW. Die Fahrwerksabstimmung ist selbst im Comfort-Modus gerade noch kommod aber bisweilen deutlich straffer als bei den direkten Mitbewerbern. Was den Chauffierten stören könnte, erfreut den Selberfahrer. Denn er kann sich sicher sein, dass der Audi A8 auch als Langversion nicht vor der nächsten Kurve kapituliert. Dank dem Hybridantrieb steht immer ausreichend Leistung zur Verfügung – der permanente Allrad verteilt diese artgerecht auf die Straße. Die im Testwagen verbaute Dynamik-Allradlenkung ist überdies ein ratsames Feature, gerade wenn man oft in enge Parklücken rangieren muss.
Fahrdynamisch stark
Im S8 (hier im Test) hatten wir die elektrische Lenkung manches Mal noch gerügt, im normalen A8 hingegen macht sie einen guten Job, vermittelt ordentliche Rückmeldung und das Volant liegt gleichzeitig bestens in der Hand. Etwas ratlos bleiben wir beim Getriebe zurück. Die sonst famose ZF-8-Gang-Automatik schaltet im Normalbetrieb zwar unmerklich, wirkt aber ihrer Gelassenheit beraubt, wenn es in den Sportmodus geht. Nicht immer wird hier auf Anhieb die richtige Fahrstufe bereitgestellt. Schalten per Lenkradpaddels ist zwar grundsätzlich möglich, doch der Hybrid blockiert in einigen Fahrmodi die Auswahl niedrigerer Fahrstufen.
Fazit
Audi tat gut daran im neuen Audi A8 60 TFSI e quattro auf einen Vierzylinder-Hybrid zu verzichten und auch ein flott gefahrener Testverbrauch von 9,2 - 9,5 Liter auf 100 Kilometer untermauert die Entscheidung der Ingenieure. Die elektrische Reichweite (im Test 37 Kilometer) ist noch ausbaufähig und vor allem für eine Chauffeurs-Limousine samt langem Radstand eine Gradwanderung zwischen Sinn und Unsinn. Doch insgeheim richtet sich der Audi A8 D5 sowieso an den Selberfahrer hinterm Lenkrad - dann gerne auch als Kurzversion. Durch die sehr straffe und durchwegs dynamische Ausrichtung des Audi A8 kommt schnell große Fahrfreude auf, was aber zu Lasten des Fahrkomforts geht. In Sachen Innenraumqualität und Verarbeitung markiert der große Audi den Platzhirschen, die Preise sind leider dementsprechend gesalzen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Audi A8 L 60 TFSI e quattro
- Motor: Sechszylinder-V, 2.995 ccm + Elektromotor
- Systemleistung: 449 PS (330 kW) bei 5.000 U/min
- Systemdrehmoment: 700 Nm bei 1.370 U/min
- Antrieb: Allrad, 8-Gang-Automatikgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 2,5-2,7 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 57-61 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,9 s
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 5,30 m/1,94 m/1,48 m
- Gewicht: 2.405 kg
- Grundpreis AT: ab 113.700,00 Euro
*Herstellerangaben