Ist der Aston Martin DBS Superleggera noch ein Auto oder schon ein Kunstwerk? Zumindest mit Blick auf den Preis denkt man eher an Letzteres. Denn die Engländer rufen mindestens 280.500 Euro für ihr Meisterwerk auf, unser Testwagen soll gar 334.400 Euro kosten. Zahlen, für die man sicherlich auch ein anständiges Eigenheim erwerben könnte oder in Münchner Immobilienpreise übersetzt, wahlweise einen Tiefgaragenstellplatz. Darin könnte man den DBS Superleggera dann auch parken, obwohl er im eigenen Wohnzimmer, links neben dem Kamin, ebenso prächtig aufgehoben wäre. Stellen wir beim Preisgebaren noch so manchen Zweifel in den Raum, gibt es beim Design hingegen nichts zu meckern. Aus jedem Standpunkt, von jedem Blickwinkel aus wirkt die Carbon-Karosse schlichtweg formvollendet.
Im Namen der Leichtigkeit
Und obwohl wir wissen, dass der Namenszusatz „Superleggera“ als Hommage an die italienische Karosserieschmiede Touring zu verstehen ist – recht passend wirkt der Schriftzug auf der Motorhaube nicht. Mit „superleicht“ hat der Aufbau des DBS nämlich wenig zu tun. Rund 1.845 Kilogramm Leergewicht gilt es zu bewegen und die Skepsis ist groß, ob für circa 30 Kilogramm Gewichtsersparnis und etwas mehr Leistung über den Daumen gepeilt 70.000 Euro Aufgeld gerechtfertigt sind. Denn der DBS Superleggera ist dem Grunde nach ein veredelter und erstarkter Aston Martin DB11 (1.875 Kg). Statt 608 PS im regulären Grand Tourer, darf der 5,2 Liter große Twin-Turbo-V12 im DBS Superleggera nunmehr 725 PS an die Hinterräder leiten.
Wie über Wolken getragen
Das maximale Drehmoment musste elektronisch begrenzt werden, wobei 900 Newtonmeter ab 1.800 Touren weiterhin ein sehr starkes Wort sind. Beide Leistungsparameter addiert erlauben es dem Reiseportwagen bis auf Tempo 340 zu eilen. Der DB11 V12 ist da nur noch ein glimmendes Licht im Rückspiegel, rennt er nun wahrlich klägliche 322 Stundenkilometer. Werte, die in der Tat aus der Zeit gefallen zu scheinen und in erster Linie auf dem Papier eine Rolle spielen. Im echten Leben wird der geneigte Aston Martin Käufer eher andere Dinge zu schätzen wissen. Zum Beispiel, dass man im voreingestellten GT-Fahrmodus wie auf Wolken getragen über schlechte Straßen gleitet. Hinzu gesellt sich das tiefenentspannte Säuseln aus 12, stets unterfordert wirkenden Zylindern und ein 8-Gang-Wandlergetriebe nach Transaxle-Bauweise, dessen Existenz man sich kaum bewusst wird.
DBS Superleggera brilliert beim Antrieb
Es reicht die bloße Ablage einer Schuhgröße 46 auf dem Gaspedal und man schwimmt im alltäglichen Berufsverkehr ganz weit vorne mit. Abgeschirmt von Doppelglas, tief im edlen Ledergestühl versunken und mit reichlich Platz versehen gelangt man folglich zur Erkenntnis: Hubraum ist eben doch durch nichts zu ersetzen. Und das wird gerade im aufkeimenden E-Auto-Zeitalter immer deutlicher. Freilich zieht so ein elektrisierter Porsche Taycan Turbo dem Aston Martin DBS Superleggera im Ernstfall kräftig die Wurst vom labbrigen Sandwich. Aber in puncto Emotionalität wird der Super Plus verbrennende Engländer (im Schnitt gut 14 Liter auf 100 Kilometer) immer gewinnen. Wie das großvolumige Triebwerk nach 3.000 Umdrehungen seine Leistung aufbaut ist eine Schau und auch, welch konstruktiver Aufwand nötig ist, dass alle Teile wirklich harmonieren.
Mit der Hilfe des Sterns
Kein Allradantrieb sorgt für surreale Traktion, die elektronischen Helferlein lassen sich gänzlich deaktivieren und Dinge wie Wankstabilisierung oder Hinterachslenkung will man in England (noch nicht) kennen. Generell sind Assistenzsysteme im Aston Martin rar gesät und damit der Fokus klar aufs eigenständige Fahren gerichtet. Da teilt man sich die Philosophie mit McLaren, wobei Aston Martin verstanden hat, dass es keinen Sinn ergibt ein Infotainmentsystem kostspielig in Eigenregie zu entwickeln. Vor allem, da jene Versuche stets von eher überschaubarem Erfolg gekrönt waren. Seit Mercedes-Benz Anteilseigner bei den Insulanern ist, liefern die Stuttgarter unter anderem Lenkstockhebel, Klimabedienung und Navigationseinheit.
Unser Dank geht an Harrison Bluck
Damit lässt sich so ein Aston Martin recht ordentlich bedienen, wobei Mercedes betont nicht die letzte Elektronikgeneration liefert. Anders als bei den Motoren. Die V8-Triebwerke in Vantage und DB11 stammen mittlerweile aus aktueller Mercedes-AMG Produktion, die hier gefahrene V12-Eigenentwicklung wird hingegen bei Ford in Köln zusammengebaut. Stolz prangt noch die personalisierte Plakette von der finalen Inspektion im Motorraum und auch wir attestieren Harrison Bluck, dass er wohl einen guten Job gemacht hat. Genauso wie die anderen Techniker und Ingenieure, die sich um die rückmeldungsstarke elektrische Lenkung oder die bissige Bremsanlage gekümmert haben. In Kurven hält der Aston Martin DBS Superleggera für sein Gewicht derweil sehr ordentlich her, wobei die schiere Größe und Unübersichtlichkeit des Grand Tourers die limitierenden Faktoren darstellen.
Von löchrigen Asphaltpisten und Klangkulissen
Soll es noch zackiger und ungestümer vorangehen, bieten zwei Knöpfe am Lenkrad die Gelegenheit den DBS nachzuschärfen. Links wird das Fahrwerk eingestellt, rechts der eigentliche Fahrmodus. Neben GT sind jeweils noch Sport und Sport+ möglich, wobei man gerade die adaptiven Dämpfer nicht lange im dynamischen Setting halten möchte. Schnell wirkt der Aston Martin DBS Superleggera zu hölzern, verliert viel von seiner antrainierten Leichtigkeit und rollt recht unkommod über Deutschlands löchrige Asphaltpisten. Sehr gemütserhellend ist allerdings die Klangkulisse, die sich im Sport-Modus, im wahrsten Sinne des Wortes, eröffnet. Die vierflutige Abgasanlage schaltet dann auf Durchzug und heraus kommt eine feurige Mischung allerhand rotziger Tonlagen. Nie aufdringlich, nie ordinär, dafür aber ziemlich laut und dennoch stets dem eleganten Außenauftritt entsprechend.
Im Innenraum nicht perfekt
Der Aston Martin DBS Superleggera hat also Leistung satt, geht ordentlich um Kurven und klingt dabei auch noch toll. Doch wie ist es um den Innenraum bestellt? Auf Wunsch ziemlich individuell und maßgeblich mit Leder bezogen. Über die Wahl der Farben oder Stickmuster kann man sich vortrefflich streiten, über die Verarbeitung leider auch. Handarbeit in allen Ehren, doch sollten insbesondere die Ziernähte und Keder bei weitem akkurater verarbeitet sein. Nicht alle eingesetzten Materialien wirken zudem so hochwertig, wie es der satte Einstandspreis eigentlich vermuten lässt. Dafür glänzt der DBS mit weit zu öffnenden Türen, die sich zudem stufenlos arretieren lassen. Etwas verquer: Die Motorhaube verfügt auf der Fahrerseite über eine automatische Servoschließung, die auf der gegenüberliegenden Beifahrerseite fehlt. Damit rennt man zumindest im hierzulande links gelenkten Verkehr einmal um das Auto um die Haube zu schließen.
Fazit
Der Aston Martin DBS Superleggera ist ein ausgesprochen gutaussehendes Auto, das im Hier und Jetzt optisch seinesgleichen sucht. Der doppelt aufgeladene 5,2-Liter-V12 ist von bemerkenswerter Leistungsstärke, kann leise und auch laut. Sportlich bis komfortabel ist der DBS Superleggera ebenfalls und gleichermaßen sündhaft teuer. Ab diesem Punkt ist dieser Wagen nicht mehr nach normalen Maßstäben zu beurteilen. Rational betrachtet kann er wenig mehr als ein regulärer (und weitaus günstigerer) DB11 V12 und zudem mangelt es dem DBS an Detailarbeit im Innenraum. Doch rational betrachtet man ja auch keine Werke von Monet, Rubens oder Klimt. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Aston Martin DBS Superleggera
- Motor: Zwölfzylinder-V-Motor, Twin-Turbo, 5.204 ccm
- Leistung: 725 PS (533 kW) bei 6.500 U/min
- Drehmoment: 900 Nm zwischen 1.800 und 5.000 U/min
- Antrieb: Transaxle-Heck, 8-Gang-Automatik
- Verbrauch: kombiniert 14,0 l SP/100 km
- CO2-Emission: kombiniert 295 g/km
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 3,4 s
- Höchstgeschwindigkeit: 340 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,71 m/ 1,97 m/ 1,28 m
- Gewicht: ca. 1.845 Kg
- Grundpreis: 280.500 Euro
*Herstellerangaben