Ein Mann muss im Leben einen Baum gepflanzt, ein Haus gebaut und – pardon – ein geiles Auto besessen haben. Besser noch: Er sollte einmal in seinem Leben einen V12 Handschalter bewegt haben. Was nun etwas altmodisch und abgedroschen klingen und so gar nicht in die aktuelle Gretchen-Zeit passen mag, ist doch pure Absicht. Schließlich erhitzt man mit so einem Aston Martin DB9 immerzu die Gemüter. Da gibt es Familienväter die grinsend hinterherblicken, Klimahysteriker, die im Engländer den nahenden Weltuntergang erkennen und jene wie uns, die sowas einfach aus Spaß an der Freude fahren. Einmal zumindest, um dann sagen zu können: Ich kann mir weder jenes Haus, noch einen Baum und schon gar keinen gebrauchten Aston Martin DB9 für 60.000 Euro leisten – aber diese Erfahrung nimmt mir keiner mehr!
Der Motorstart gleicht einer Zeremonie
In der Tat ist es gewaltig, allein den sechs Liter großen Zwölfzylinder zu starten. Einer Zeremonie gleichkommend, zunächst den Schlüssel in das Zündschloss einführen, die Zündung aktivieren und anschließend mit einem anhaltenden Druck auf den Startknopf in der Mittelkonsole das Aggregat zum Leben erwecken. Es folgt der V12-typisch lange Anlassvorgang, der in den Ohren wahrer Enthusiasten zu einem der wohligsten Motorgeräusche überhaupt zählt. Tief grummelnd verharrt der knappe Sechsliter nun im seidigen Leerlauf, wartet darauf durch das Graziano-Sechsgang-Getriebe befehligt zu werden und hat wohl auch kein Problem damit, wenn man im Dritten oder Vierten anfahren würde. Der Kupplung willen lassen wir dies, tasten uns langsam an jenen Punkt heran, wann Motor und Getriebe zueinander gefunden haben und die Leerlaufdrehzahl in Fahrbewegung umgesetzt wird.
Nur nicht abwürgen!
Es muss an diesem Punkt ausgesprochen werden: Die Gewichtung zwischen Kupplungs- und Gaspedal fällt äußerst merkwürdig (typisch englisch?) aus, sodass man in der Regel meist zu viel Gas gibt und den Wagen dennoch beinahe abwürgt. Eine Schande, wer solch ein Auto bewegen will und dann im Kreise jener landet, die nicht einmal anfahren können. Mit etwas Übung (am besten, wenn keiner zuschaut) gelingt es dann aber doch recht passabel den großen Aston vorwärtszubewegen und dabei fällt auf, dass wahre Größe ein recht dehnbarer Begriff zu sein scheint. Im Innenraum des britischen GTs kommt von der stattlichen Außenlänge nämlich wenig an. Mit knapp an die zwei Meter Körperwuchs muss man leicht liegend sich bewegen, ansonsten sieht es auch recht doof aus den Handschalter zu bedienen.
Groß nach außen, klein nach innen
Aber dies sind dann eben die Problemchen der Upper Class und viel wichtiger ist: Wie fährt er sich denn? Sehr unaufgeregt, sehr zurückhaltend und gefühlt so gar nicht übermotorisiert. Gut, man kommt auf Landstraßen (und innerorts) eigentlich nie in Bedrängnis einen anderen Gang als den Vierten zu wählen, so merkt man in aller Regel auch nicht, welche Kraft von unten heraus auf einen wartet. Schließlich liefert der Aluminium-Saugmotor, der ja strenggenommen „nur“ 5,9 Liter Hubraum hat, bei 5.000 Touren stolze 570 Nm Drehmoment, von denen auch im Drehzahlkeller bereits genügend zur Verfügung stehen. Wer nach noch mehr Action verlangt, der tritt den Aston jenseits der 6.000 Umdrehungen und erhält volle 456 Pferdestärken. Reicht für gut 4,9 Sekunden auf Tempo 100, oder vielleicht auch 6,0? Egal, denn man fährt Aston Martin.
Säuft wie der Spion ihrer Majestät
Übrigens ersparen wir uns James Bond Allüren, fuhr 007 nämlich nie einen DB9. Und selbst dieser Satz ist derlei eigentlich zu viel, aber Aston Martin und der schrullige MI6 Agent… ja, das passt wie der Martini zur Olive. Und wenn wir schon bei den Trinksitten des Spions ihrer Majestät sind (schon sind wir inmitten jener Bond Allüren): Der DB9 V12 braucht reichlich Kraftstoff. Super Plus versteht sich und gerne mehr als 20 Liter davon. Oder waren es 25? Der 72 Liter fassende Tankbehälter leert sich, egal wie gefahren, auf jeden Fall recht schnell und so ist dieser Wagen auch im gesetzten Alter von knapp 10 Jahren eher was für jene, die nicht so recht auf jeden Euro achten müssen. Gleiches gilt für Werkstatttermine, die schnell den Gegenwert eines halbwegs vernünftigen Urlaubs erreichen können. Ob es ein Zeichen war, dass im marginal großen Kofferraum unseres Exponats noch 12 Zündspulen lagen?
Hart aber herzlich
Wer nun meint, so ein Aston Martin DB9 sei ein Altherrenkreuzer, der hat weit gefehlt. Denn so sehr der Brite nach Gleiter aussieht, so sportlich ist sein Fahrwerk abgestimmt. Querfugen, schlechte Straßen und selbst Kieselsteine – der Aston Martin mag sie alle nicht. Dafür glänzt er mit einer tollen Lenkung, hydraulisch versteht sich, und einer recht passablen Rundumsicht. Zudem ist es schön zu sehen, dass man auf der Insel seinerzeit schon wusste, dass das Navigationssystem des DB9 – gelinde ausgedrückt – unansehnlich ist. Man muss es daher auch nicht anschauen, wenn man nicht will und kann dennoch Radio hören. Beim Ausklappen des immerhin schon in Farbe gehaltenen Displays fällt auch auf, dass man in Britannien seine Laubholzarbeiten gerne mit einem Finish aus Holzleim beendete. Ansonsten ist das Interieur im DB9 Coupé an Klasse kaum zu überbieten, überwiegend in sattes Leder gehüllt und gefällt maßgeblich durch die wasserfallartige Mittelkonsole.
Aluminium kann nicht rosten, aber…
Und wenn der Platz schon nicht der Hit ist, ein- und aussteigen geht immer. Denn die Aluminiumtüren mit ihren Rahmen aus Magnesium sind vergleichsweise leicht und lassen sich ziemlich weit öffnen. Zugleich rasten sie ganz aufgeschlagen sauber ein, damit erst gar nicht die Gefahr besteht, sie könnten zufallen. Stichwort Aluminium: Jenes Metall ist am DB9 reichlich verbaut, was zunächst bedeutet, der Gran Turismo rostet eher nicht. Aber wie von anderen Aluminium-Karossen mittlerweile bekannt (Audi A8), gibt es dennoch oftmals unschöne Lackaufblühungen zu verzeichnen. Wehret den Anfängen und wer lange an seinem Aston Martin DB9 Freude haben möchte, der sollte zu gegebener Zeit einen Fachmann aufsuchen.
Fazit
Teuer damals, teuer heute. Wer meint, ein Aston Martin sei im Alter ein Schnäppchen, der täuscht sich. Auch wenn die Gebrauchtwagenpreise einzelner DB9 mittlerweile unterhalb der 50.000 Euro Grenze angelangt sind, der fachgerechte Unterhalt verlangt einige Euro ab. Doch wer jene Risiken eingeht, keine Lust auf den immergleichen 911 Turbo oder Bentley Continental hat, der erhält mit dem Aston Martin DB 9 – insbesondere als Handschalter – ein bemerkenswertes Automobil. Britisch durch und durch, kraftvoll im Antritt, innen sauber verarbeitet und mit einem noblen Understatement versehen, dass selbst harsche Kritiker von solch einer automobilen Unvernunft nur schwer etwas gegen ihn sagen können. Bleibt am Ende nur zu schreiben: God Save the Queen (and the Manuals). (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Aston Martin DB9 Coupé
- Motor: Zwölfzylinder-V-Motor, 5.935 ccm
- Leistung: 456 PS (335 kW) bei 6.000 U/min
- Drehmoment: 570 Nm bei 5.000 U/min
- Antrieb: Heckantrieb, Graziano-6-Gang
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,9 s
- Höchstgeschwindigkeit: 301 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,71 m/1,88 m/1,32 m
- Gewicht EU: 1.760 Kg
- Tankvolumen: 72 l
- Grundpreis 2008: ca. 163.000 Euro (Deutschland)
*Herstellerangaben