Wir befinden uns im Jahr 2021. Die ganze Autowelt ist im Elektroautofieber… die ganze Autowelt? Nein! Eine von unbeugsamen Allgäuern bevölkerte Stadt hört nicht auf, Autos mit Verbrennungsmotor zu bauen. Wer die abgewandelte Einleitung von Asterix und Obelix wiedererkannt hat, wird direkt ein Bild der Situation vor Augen haben. Und in der Tat entwickelt sich Buchloe immer weiter zum gallischen Autodorf. Dort, bei Alpina, hält man weiterhin an potenten Benzin- und Dieselmotoren fest und hat sich gerade so mit dem neuen BMW-Mild-Hybrid-Diesel in den Modellen XD3/XD4 und im D3 S anfreunden können (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,1-6,7 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 187-176 g/km²).
Solange BMW noch Verbrenner zuliefert, will man bei Alpina solche auch im Angebot behalten. Die angestammte Käuferschaft wünscht das ganz offensichtlich so und auch für einen noch exklusiveren X7-Ableger scheint Platz im Portfolio gewesen zu sein. Nun ist es ja so, dass bereits der normale BMW X7 M50i (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 12,8-12,3 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 292-280 g/km²) kein Kind von Traurigkeit ist. Viel Luxus gepaart mit immerhin 530 V8-Pferden gibt es auch ohne Alpina-Logo. In Ermangelung eins V12-Derivats obliegt es allerdings dem XB7 (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,7 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 311 g/km²) die oberen Hundert Interessenten mit noch mehr Leistung und auf Wunsch feinster Handarbeit im Innenraum zufriedenzustellen.
621 PS und 800 Newtonmeter Drehmoment in einem unbesetzt 2,7 Tonnen schweren Geländewagen? Man darf sich an dieser Stelle durchaus fragen, ob das sein musste. Die lapidare Antwort lautet allerdings: Ja, einmal darf es noch (so richtig) unvernünftig sein. Da der Alpina-Fahrer ohnehin ein Genießer, denn ein Autobahnrowdy ist, dürfte ein XB7 nahe der Höchstgeschwindigkeit von 290 km/h auf freier Strecke die Seltenheit bleiben. Mit 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h und 14,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 200 komplettiere ich an dieser Stelle das werksseitige Zahlenwerk, welches vor kaum zwei Dekaden für wahre Supersportler gesprochen hätte.
Wer dem XB7 die Sporen gibt, taucht tief ins Lederpolster ab, blickt leicht gen Himmel und vernimmt ein deutliches, aber nie aufdringliches V8-Grummeln. 4,4 Liter misst das Aggregat, dass mittels Alpina-spezifischer Turbolader doppelt beatmet wird und über ein erweitertes und entsprechend größer dimensioniertes Kühlsystem verfügt. Gekoppelt ist das Powerhouse währenddessen an ein speziell abgestimmtes und stets seidig schaltendes ZF 8HP76 Getriebe. Darf an dieser Stelle nach dem Testverbrauch gefragt werden? Aber unbedingt! Der Langzeitrechner des Bordcomputers zeigte ab Werk 15 Liter je 100 Kilometer, die es ehrlicherweise auch braucht, um den Koloss bei Laune zu halten. Wer den Alpina hingegen als fahrende Reiselounge nutzt, kommt auf der Autobahn auch mit runden 10 Liter Super Plus zurecht.
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass der Erstkontakt mit dem Alpina XB7 im letzten Jahr auf der Rennstrecke Bilster Berg stattfand. Ja, richtig gelesen: 2,7 Tonnen, 621 PS und 800 Newtonmeter auf einem der wohl anspruchsvollsten Rundkurse Deutschlands. Was sich nach purem Materialmord anhört, war vor allem für die aufgezogenen Pirellis im 23-Zoll-Format (!) keine Kindergartenveranstaltung. Ansonsten ist es bemerkenswert mit welcher Gelassenheit das mit bis zu sieben Sitzen ausstattbare Luxus-SUV die schnelle Kurvenhatz meisterte.
Allradantrieb, aktiver Wankausgleich, 2-Achs-Luftfederung, ein Sportdifferenzial sowie die Integral-Aktivlenkung tun alles, damit der 5,15 Meter lange Wagen stets auf Kurs bleibt. Damit die Fuhre auch wieder ordentlich zum Stehen kommt, gibt es optional eine empfehlenswerte Hochleistungsbremse aus Stahl – Keramikanker braucht es da keine mehr. Die im Sport-Modus sehr direkte Lenkung ist derweil ein Quell der Fahrfreude, gerade im von Alpina programmierten Comfort-Plus-Modus wirkt das Volant allerdings eine Spur zu sehr von äußeren Einflüssen entkoppelt. Generell empfiehlt sich das komfortabelste Fahrzeugsetup eher für die topfebene Autobahn (oder den schnurgeraden amerikanischen Highway), auf Landstraßen beklagten sich Hinterbänkler schnell über eine leicht aufschaukelnde Karosse. Abhilfe schafft hier das Individual-Sport-Programm mit einer härteren Dämpfereinstellung.
Kommen wir zu den inneren Werten des mindestens 158.900 Euro teuren Allgäu-Express. Wer gerne das hochwertige Leder haben will, das auch Rolls-Royce nutzt, wem ein Cullinan (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 15,1-15,0 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 343-341 g/km²) aber dann doch zu aufdringlich (und vielleicht auch zu teuer) ist, der kann seinen Alpina-Innenraum mit feinnarbigem Lavalina beziehen lassen. Für das große Interieur-Paket verlangen sie in Buchloe stolze 25.600 Euro Aufpreis, wobei sich natürlich jegliche Kundenwünsche gegen weitere Extrataler erfüllen lassen. Der Testwagen begnügte sich indes mit der erweiterten BMW Merino-Lederausstattung. In Kombination mit den Alpina-Klavierlackleisten wirkte der XB7 aber auch in diesem Trimm alles andere als von der Stange.
Wenngleich die Buchloer Autoschmiede eine umfangreiche Aufpreisliste zu bieten hat, per Definition nackt rollt auch ein Alpina XB7 nicht zu Kunde und Kundin. Neben der bereits weitrechenden Serienausstattung des X7 M50i, gesellen sich unter anderem das Executive Drive Pro Paket inklusive Hinterachslenkung, das erweiterte Assistenz-Paket Driving Assistant Professional sowie Glasapplikationen für Automatikwählhebel und iDrive-Controller hinzu. Selbst Sonnenschutzrollos für die hinteren Türseitenscheiben liefert Alpina schon mit.
Wer nun zum erlauchten Kreis der bisher rund 700 XB7-Besitzer weltweit zählen will, sollte fix sein. Zumindest dann, wenn er das jetzige Nieren-Gesicht des großen Bayern zu schätzen gelernt hat. Im kommenden Jahr steht eine umfangreiche Modellüberarbeitung des X7 und damit auch des XB7 an. Erste Erlkönigfotos lassen zumindest erahnen, dass dann abermals eine optische Zeitenwende ins Haus steht.
Größer, komfortabler und exklusiver geht es kaum. Der BMW Alpina XB7 symbolisiert die Speerspitze im altgedienten Autobau, wenngleich der hohe Spritverbrauch durchaus an der Zeitmäßigkeit zweifeln lässt. Abseits von Umweltdiskussionen gibt es aber vor allem im BMW-Lineup kein anderes Fahrzeug, dass dem XB7 aktuell das Wasser reichen kann. Und wer in der BMW Group in Richtung Rolls-Royce Cullinan schielt – der streicht die Segel spätestens bei der Anzahl der Sitzplätze und kostet bereits als Grundmodell mehr als das Doppelte.