Mit den zahlreichen hochkarätigen Abschieden, die im Verbrenner-Bereich in nächster Zeit begangen werden, könnten wir wohl eine ganze Kategorie füllen. Auch das BMW Alpina B8 Gran Coupé (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,9 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 270 g/km)² steht auf der Liste der endlichen Automobile, die uns allerspätestens Ende 2025 verlassen werden. In diesem Fall hat das weniger etwas mit merkwürdigen Gesetzgebungen und neuen Abgasnormen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass die Marke Alpina ab dem 1. Januar 2026 Teil der BMW Group wird. Wie man sich das ansatzweise vorstellen kann, wird bereits heute in den USA ersichtlich. Aufgrund hoher Hürden bei der Homologation, werden die Fahrzeuge von Alpina dort lediglich als BMW-Modelllinie angeboten. Dass die Münchner mit der Allgäuer Manufakturmarke indes mehr vorhaben als nur ein paar neue Farben und Ledersorten ins Programm aufzunehmen, ist zumindest anzunehmen.
Der nächste Alpina B8 – oder womöglich wieder B6, wenn BMW doch zum alten Stammbaumdenken zurückfinden sollte – wird also nicht mehr in Buchloe entwickelt und dürfte weniger als Mitbewerber zu einem M-sportlichen Derivat, sondern als teurer Lückenschließer zum Rolls-Royce Wraith (bis dahin wohl Spectre) verstanden werden. Zu viel Zukunftsmusik? Ok, dann steigen wir an dieser Stelle um oder vielmehr ein in das Hier und Jetzt. Denn die Gegenwart hat für Liebhaber exklusiver Automobile, um beim Markenclaim von Alpina zu bleiben, durchaus noch viel zu bieten. Im Falle des B8 Gran Coupé zum Beispiel einen 4,4-Liter-Biturbo-Achtzylinder mit erhabenen 621 PS, 800 Newtonmeter Drehmoment und einer Höchstgeschwindigkeit, die erst bei Tempo 324 erreicht wird.
Alles viel zu übertrieben, aus der Zeit gefallen und überhaupt braucht kein Mensch so ein Automobil? Alles irgendwie richtig und doch nur die halbe Wahrheit. Denn trotz des vielen Hubraums und zweier Turbolader, ein trinksüchtiger Kraftstoffkonsum kann dem B8 nicht nachgesagt werden. Ganz im Gegenteil: Bewegst du das 5,07 Meter lange Gefährt ohne sonderlichen Zeitdruck und mit etwas Verstand, ergeben sich gemäß Bordcomputer Langstreckenverbräuche um 8,9 Liter auf 100 Kilometer. Da ist sie dann doch spürbar, die deutsche Ingenieurskunst, die uns zumindest beim Verbrenner stets an die Weltspitze brachte. Wohlgemerkt arbeitet der BMW-Grundmotor mit der Bezeichnung N63 noch ohne jegliche Elektrifizierung, kommt gar ohne Zylinderabschaltung aus. Dass eine geänderte Luftführung hinter den Nieren, optimierte Ladeluftkühler und so manches Feintuning bei den Turboladern und dem Einspritzsystem ebenfalls die Effizienz und nicht nur die haltbare Dauerleistung fördern, gehört bei Alpina derweil zur bekannten Firmenphilosophie.
Freilich kann ob eines Testwagenpreises von 201.260 Euro jetzt angemerkt werden, dass sich die normale Alpina-Kundin wohl nicht um den aller letzten Euro Gedanken machen muss. Das heißt aber nicht, dass in jenen Gesellschaftskreisen nicht doch auf den Kraftstoffverbrauch geachtet wird. Und sei es nur, um zwischen Hamburg und Lugano möglichst selten die niederen Weihen autobahnnaher Rastanlagen erfahren zu müssen. Am Ende unseres zweiwöchigen Alltagstest zeigte der Computer übrigens einen ebenfalls respektablen Durchschnittsverbrauch von elf Litern je 100 Kilometer an. Damit erreichte der Alpina B8, unterstellt man dem Bordrechner eine gewisse Ungenauigkeit, bei unserer Fahrweise ziemlich genau die Werksangaben.
Dass das Gran Coupé wiederum nicht nur durch dessen Namen für die große Fahrt gedacht ist, konnten wir bereits vor gut zwei Jahren auf dem österreichischen Salzburg Ring erfahren. Dort nahm der Buchloer die Rundstreckenkilometer zwar mit beachtlicher Fassung, jenseits der Boxengasse, auf ganz normalen Straßen, fühlte und fühlt er sich jedoch ungleich wohler. Nicht auf letzter Rille gefahren offenbart der 2,2 Tonnen schwere B8 eine große Fahrwerksharmonie, lässt sich dank der Integral-Aktivlenkung präzise in die nächste Biegung dirigieren und überzeugt im Weiteren durch hohe Grip-Reserven der aufgezogenen 21-Zoll-Pirelli-Pneus. Der xDrive-Allrad samt Differenzialsperre hinten wurde indes auf Neutralität getrimmt, die Fahrstabilität im Weiteren nochmals gesteigert und insgesamt muss man es schon ziemlich auf die Spitze treiben, um dem Alpina ein flegelhaftes Fahrverhalten zu entlocken.
So gerüstet will das B8 Gran Coupé sicherlich auch kein BMW M8 sein. Das ist wichtig zu wissen, denn diese Tatsache bestimmt im Folgenden auch die Art und Weise, wie der nachjustierte 4,4-Liter-Biturbo-V8 seine Kraft entfaltet. Bis auf ein leicht ungestümes Anfahrverhalten aus dem Stand heraus, will dich das B8 Gran Coupé samtig und sehr nachdrücklich, auf einer riesigen Drehmomentwelle schwimmend, in Richtung der angepeilten Geschwindigkeit schieben. Knapp oberhalb von 1.000 Umdrehungen liegen schon mehr als 500, ab 2.000 Touren bereits die vollen 800 Newtonmeter Drehmoment an. Beinahe nahtlos geht das Maximaldrehmoment dann um 5.500 Umdrehungen pro Minute in die Nennleistung von 621 PS über. Leistungsarmut? Fehlanzeige! Die Kraftentfaltung ist überwiegend linear, die Beschleunigung (3,4 Sekunden von null auf 100 km/h per Launch-Control) beeindruckend. Gekoppelt ist das Powerhouse derweil an eine achtstufige Wandlerautomatik von ZF, die, gegenüber dem Serien-8er, verstärkt und mit einer thermisch günstigeren Aluminiumkühlwanne ausgestattet wurde.
Dass bei all der Längsdynamik auch ordentliche Anker zur Verfügung stehen müssen, versteht sich beinahe von selbst. Alpina verzichtet wie bisher auf Carbon-Spielereien und liefert lieber (optional) massive Brembo-Stahlbremsen mit 395 Millimeter Scheibendurchmesser vorne und 398 Millimetern an der Hinterachse. Doch lässt es sich mit dem B8 nicht nur schneller rasen, sondern auch schöner wohnen. Wie anhand der Bilder zu erkennen ist, handelt es sich beim Innenleben des getesteten Gran Coupés kaum um Stangenware. Die Ausstattungsliste des Herstellers weist indes markige 16.400 Euro für das handgefertigte Lavalina-Leder Interieur 2 Paket aus. Was teuer klingt, ist verglichen zu den Aufpreisen bei Rolls-Royce allerdings ein Klacks. Und das, obwohl die Engländer die gleichen exklusiven Tierhäute süddeutscher, österreichischer, schweizerischer und norditalienischer Rinder verarbeiten. Selten haben wir einen BMW gesehen, der in beinahe jeder Ecke derart fein bezogen daherkommt. Selbst der neue 7er kann da nur ansatzweise mithalten.
Der Rest vom schnellen Schützenfest ist dagegen bestens bekannt aus der Großserie. Die Bedienung geht leicht von der Hand, die beiden Display-Anzeigen präsentieren sich hoch aufgelöst und natürlich gibt es kabellose Smartphone-Konnektivität, optionalen Bowers-and-Wilkins-Sound und allerhand gut funktionierende Assistenzsysteme. Etwas drüber ist weiterhin der zu sehr funkelnde und manchmal blendende Swarovski-Gangwahlhebel, hinten sitzt es sich eher beengt und auch die Rundumsicht fällt, bauartbedingt, eher bescheiden aus.
Ist es jetzt faszinierender mit dem 621 PS starken BMW Alpina B8 Gran Coupé die Höchstgeschwindigkeit von 324 km/h auszuloten, oder an einem anderen Tag mit dem gleichen Wagen einen Durchschnittsverbrauch unterhalb der 9-Liter-Grenze zu erreichen? Die Hochleistungstechnik im B8 beherrscht auf jeden Fall beide Extreme, wobei zu jeder Zeit der Fahrkomfort nicht zu kurz kommt. Der feingeistige Automobil-Connaisseur wird auf hohem Niveau einzig das teils ungestüme Verhalten des V8 aus dem Stand heraus bemängeln. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
*Herstellerangaben