Was lange währt, wird hoffentlich gut
Nun hat es Alfa Romeo doch noch geschafft und bringt nach langem Warten seinen Tonale ab der zweiten Jahreshälfte 2022 zu den Händlern. Preise nennt man noch keine, sie sollten sich aber im Bereich des Plattform-Bruders Jeep Compass bewegen, der ab 31.900 Euro in der deutschen Preisliste startet. Die technischen Details haben wir derweil in einem ausgiebigen Newsbeitrag schon näher beleuchtet, heute soll es um eine erste Kontaktaufnahme gehen. Doch bevor der Podex das erlauchte Gestühl im Münchner Fotostudio ertasten darf, folgt noch eine kleine Geschichtsstunde. So werden die Italiener nicht müde zu betonen, dass die Dachlinie des Tonale an die Bertone-Giulia GT erinnert, die Fünflochfelgen ihren Ursprung im Tipo 33 haben und dann wären da noch die Frontleuchten in Anlehnung an den Alfa Romeo SZ Zagato.
Jedes Jahr ein neues Alfa-Modell
Doch viel Zeit, um in Erinnerungen zu schwelgen, wird den Turinern nicht mehr bleiben. Der Tonale muss ein Erfolg werden – oder zumindest kein Misserfolg. Bei zuletzt nur mehr 56.000 verkauften Einheiten (im Jahr, nicht im Monat) kann es gemeinhin nur besser werden. Jetzt aber auf zu neuen Ufern, der Alfa Romeo Tonale soll der Startschuss einer größer angelegten Modelloffensive sein, bevor 2027 angeblich nur mehr Stromer produziert werden sollen. Wie das aussehen könnte, hat die Stellantis-Konzernschwester Jeep erst kürzlich auf der jährlichen Strategie-Präsentation gezeigt.
Stilsicherer Auftritt, innen gut geschnitten
Doch zurück zum Alfa Romeo Tonale: Der Äußerliche Ersteindruck gefällt, die Proportionen stimmen und auch die Markenidentität, ein weiterhin wichtiger Kaufgrund für einen Alfa Romeo, hat ihren Platz gefunden. Das Blechkleid, so viel kann man ohne Überschwang schreiben, lässt die nordalpine Konkurrenz um VW Tiguan, Audi Q3 und BMW X1 im wahrsten Sinne bieder wirken. Aber warten wir mit einer vollständigen Einordnung bis zum Schluss. Es folgt die Erklimmung des Innenraums. Selbst mit 1,94 Meter findet man schnell seinen Platz, die höchstwahrscheinlich optionalen Sitze im Fotomodell passen auch nordeuropäischen Staturen und lassen sich weitreichend verstellen.
Auch der Tonale lebt von der "Emozioni"
Das Cockpit mit der markentypischen „Cannocchiale“ als Einfassung für das erstmals gänzlich digitale Kombiinstrument wirkt stilsicher gezeichnet, die Bedienelemente mit echten Knöpfen und Schaltern sind fahrerorientiert angerichtet. Mager dagegen: die Materialqualität. Hier enttäuscht der Alfa Romeo Tonale als angehendes Premiumprodukt und platziert sich mit dünnen, wenig schmeichelhaften Kunststoffen eher weiter weg von den oben genannten Mitspielern. Alfisti freilich werden sich dagegen an den emotionalen Details erfreuen: Startknopf am Lenkrad, große Schaltpaddels aus Aluminium und der italienischen Trikolore unterhalb des Gangwahlhebels.
Gutes Infotainment auf Android-Basis
Ebenfalls nett anzusehen ist die hinterleuchtete Zierleiste im Armaturenbrett, die zumindest beim Vorführer unterhalb um eine abgesetzte Alcantarafläche optisch harmonisch ergänzt wird. Ebenfalls positiv ins Auge sticht das Infotainment-Angebot rund um den zentralen 10,25-Zoll-Touchdisplay. Dessen Auflösung gefällt, die Geschwindigkeit des Android Systems lässt ebenfalls keine Wünsche übrig. Die Frage bleibt, ob die teils kleinteilige Menüstruktur auch während der Fahrt bedienbar ist.
Hinterbänkler sitzen nicht ganz so luftig
Es folgt der Umstieg von vorne nach hinten. 1,94 Meter Autor sitzt hinter 1,94 Meter Autor. Ja, das geht, passt und hat noch ein wenig Luft. Bevor die Beinfreiheit zur Neige geht, ist es aber eher der Abstand zum Dachhimmel, der fehlt. Generell vermissen wir im Fond eine gewisse Luftigkeit; die Seitenscheiben sind klein, die Durchreiche zum Kofferraum ist genauso wie der Blick nach hinten eingeschränkt. Der sehr dunkle Innenraum verstärkt zudem das gedrückte Gefühl.
Erstes Fazit
Für die abschließende Gesamtbewertung des Alfa Romeo Tonale fehlt der entscheidende Part: das Fahrkapitel. Im Stand kann der Italiener zunächst durch seine Formensprache punkten, die ihn spürbar vom Mitbewerberumfeld abhebt. Im Innenraum hingegen ist es die altbekannte Sichtweise der Italiener auf für sie nebensächliche Dinge wie Materialauswahl und -anmutung, die den ein oder anderen Interessenten stören könnte. Zwar liefert man im Grunde eine ausreichend gute Cockpitqualität, an die Haptik vergleichbarer Größen im Premiumgeschäft kommt man allerdings nicht heran. Doch vielleicht ist es gerade diese Kombination, aus italienischem Design, einer lockeren Lebensweise und – hoffentlich – einer Prise Sportlichkeit beim Fahren, die den Unterschied bereitet. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Weitere Bilder: Hersteller)