Typisch deutsch: Für jedes Auto ein eigenes Autokennzeichen, eine eigene Versicherung und obendrein die Kfz-Steuer – ein konservatives Modell mit viel Papierkram, wie man es hierzulande kennt. Wer Halter mehrerer Fahrzeuge ist, wird damit ordentlich zur Kasse gebeten. Das seit 2010 heiß diskutierte Wechselkennzeichen nach dem Vorbild Österreich und Schweiz sollte das ändern. Bei unseren Nachbarn richten sich Kfz-Steuer und Kfz-Haftpflichtversicherung nach dem im Unterhalt jeweils teuersten Fahrzeug. Deutschland bleibt hingegen konservativ: Lang erwartet wurden die Wechselkennzeichen zwar zum 1. Juli 2012 endlich auch in der Bundesrepublik eingeführt, jedoch ohne jegliche Vergünstigungen – jedenfalls fast. Wer hätte es gedacht: Das Interesse der deutschen Autofahrer pendelt auf Nullniveau.
Wie funktioniert das Wechselkennzeichen?
Das Konzept sieht vor, dass nur noch ein geprägtes Nummernschild für maximal zwei Fahrzeuge zum Einsatz kommt. Voraussetzung ist jedoch, dass beide Fahrzeuge derselben Kategorie angehören, also zwei Pkw, zwei Motorräder oder zwei Anhänger. Zum Vergleich: In Österreich dürfen bis zu drei Fahrzeuge gleicher Kategorie mit einem Wechselkennzeichen angemeldet werden – und zwar inklusive Lkw. Auf die Straße darf aber auch dort immer nur das Fahrzeug, das gerade das Schild trägt.
Das Wechselkennzeichen selbst besteht bei uns aus einem Wechselelement, das jeweils vor der Fahrt umgesteckt werden muss, und je einem starren Teil für jedes Fahrzeug. Das Wechselelement gleicht dabei dem normalen Euro-Nummernschild, ist dabei aber mit einem kleinen „W“ in der Mitte versehen. Der starre Teil ist etwa so groß wie eine Schafkopfkarte und ergänzt das Kennzeichen rechts um eine Ziffer – bei Oldtimern kommt hier noch das „H“ für „History“ hinzu. Außerdem stehen die Zeichen des Wechselelements nochmals in klein unter der Ziffer, sodass Verwechslungen oder gar mutmaßliche Täuschungen ausgeschlossen sind.
Steuer und Versicherung
Der ADAC plädierte zwar stark für das österreichische Konzept, also dass nur für das Fahrzeug mit der höchsten Typklasse Steuern erhoben werden. Unter anderem dank des strikten Vetos von Wolfgang Schäuble ist dieses Modell in Deutschland allerdings jäh gescheitert. Der Bundesfinanzminister argumentierte, der Fiskus habe sonst mit massiven Steuermindereinnahmen zu rechnen. Fragt sich, wie unsere Nachbarn dieses Problem wohl gelöst haben?
Bei der Kfz-Versicherung verhält es sich ähnlich: Viele Assekuranzen kehrten dem neuen Konzept im Vornherein den Rücken zu, andere geben allenfalls einen eher dürftigen Rabatt zwischen 6,5 Prozent (Signal Iduna) und immerhin 20 Prozent (Generali) für einen Wechselkennzeichenvertrag. Wenn es einen Rabatt gibt, so liegt dieser durchschnittlich bei zehn Prozent. Am großzügigsten ist da noch die DEVK, die neben einem Nachlass den zweiten Wechselkennzeichenträger in dieselbe Schadenfreiheitsklasse einstuft, wie den ersten. Trotz allem bleiben die Vorteile für die Kunden marginal – unter Umständen müssen sie sogar draufzahlen, denn für das Beantragen und Pressen der Kennzeichen sind Gebühren von insgesamt rund 100 Euro fällig. Damit ist der einzige Vorteil des Wechselkennzeichens, der Rabatt bei einigen Autoversicherern, gleich wieder über Bord.
Wer kann vom Wechselkennzeichen profitieren?
Eine schwierige Frage. Ursprünglich sollte mit dem austauschbaren Nummernschild auf Besitzer mehrerer Privatfahrzeuge, die abwechselnd benutzt werden, eine attraktive Ersparnis zukommen – das galt insbesondere für Inhaber von Oldtimern, Youngtimern, Luxusschlitten oder Cabrios. Im Zuge der „kleinen Wechselkennzeichenlösung“ in Deutschland, wie sie von Kritikern bezeichnet wird, sind Ersparnisse aber nur durch eine gründliche Recherche und durchdachte Wahl eines geeigneten Versicherers möglich – und selbst dann bleiben die Vorteile sehr gering. Für Paare und Familien, die parallel auf zwei Fahrzeuge angewiesen sind, oder die Autos der Kinder günstig mitversichern wollen, stellt das Wechselkennzeichen auch in Österreich oder Schweiz keine Option dar: Sobald mehrere Fahrzeuge gleichzeitig auf die Straße sollen, muss auch jedes einzeln versichert sein. Im Endeffekt bleibt die separate Versicherung für jedes Fahrzeug wohl in den meisten Fällen die bessere Wahl, weil damit immerhin auch beide Fahrzeuge gleichzeitig gefahren werden dürfen.
Millionenschwere Kosten für nichts?
Die Einführung des Wechselkennzeichens bedeutete nicht nur einen enormen Verwaltungsaufwand, sondern selbst vollkommen Unbeteiligte, wie etwa Firmen mit eigenem Fuhrpark mussten wegen der Informationspflicht und den Kosten für die kommunalen Zulassungsbehörden gehörig draufzahlen. Auch für Versicherungen mit Wechselkennzeichentarifen dürfte die Neuregelung ein Minusgeschäft gewesen sein. In letzter Instanz fallen all diese Kosten wie so oft auf den Steuerzahler und Autobesitzer zurück.
Vorbilder und Hintergründe
In den Planungen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer (GDV) stand ursprünglich die Umwelt im Vordergrund: Unter der Bezeichnung „Elektromobilität“ sollte das Elektroauto auf Touren gebracht werden. Wenn deutsche Autofahrer animiert würden, sich für kurze Spritztouren in die Stadt oder zur Arbeit etwa ein sparsames Elektroauto zuzulegen, käme das nicht nur dem Geldbeutel zu Gute, sondern auch der Umwelt. Für den längeren Familienausflug könne dann einfach wieder auf den Verbrennungsmotor umgesattelt werden.
Auch bei unseren Nachbarn stand bei der Einführung des Wechselkennzeichens vor einigen Jahren der Nutzen für die Umwelt im Vordergrund. In Deutschland sollte das Wechselkennzeichen nach Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer aber auch wirtschaftliche Interessen vertreten: Nach den Einbußen der Automobilindustrie durch den Wegfall der Abwrackprämie sollten die Verbraucher zum Kauf eines Zweitwagens motiviert werden. Mit bisher gerade einmal rund 2.000 Kunden statt den erwarteten 54.000 pro Jahr bringt das Wechselkennzeichen jedoch weder Nutzen für die Umwelt noch für die Automobilindustrie.