Wie macht man einen Sportwagen besser, der eigentlich schon als perfekt gilt? Diese Frage müssen sich die Damen und Herren Ingenieure bei Porsche alle paar Jahre aufs Neue stellen. Allerspätestens aber, wenn es ans Eingemachte, wenn es an die GT-Fahrzeuge geht.
Hat man mit der Entwicklung des Ur-GT3 996 Ende der 1990er Jahre erst begonnen, als die Carrera-Modelle bereits im Handel waren, kann sich Porsche diesen Umstand heute nicht mehr leisten.
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Viel GT3-Technik bereits im Serien-Elfer
Der GT3 ist seit mehr als 20 Jahren fester Bestandteil einer jeden Neunelfer-Generation und dementsprechend wurden seit dem 997 alle GT-Varianten bereits in die Vorentwicklung miteinbezogen. Das spürt auch der normale Carrera-Kunde.
So manches fahrdynamische Bauteil, das im Basis-911 eigentlich nicht hätte sein müssen, findet aufgrund der gleichen Basis den Weg in die Großserie. Umgekehrt müssen die GT-Fahrzeuge aber die eine oder andere Eigenheit der „zivilen“ Baureihe übernehmen.
Seit dem 996 GT3 hat sich viel getan
Mit einer dieser Eigenheiten gelingt sogleich die Überleitung ins Hier und Jetzt. Mit dem 992 GT3 steht ab Mai die vorläufige Speerspitze im Sportwagenprogramm der Stuttgarter bei den Händlern und beileibe, sie kann nicht davon ablenken, wie opulent der Elfer geworden ist (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,3-12,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 304-288 g/km²).
Beinahe wie ein Mahnmal steht vor der eigens eingerichteten Fotobude im Porsche Museum ein, nein der erste GT3 überhaupt. Es ist der Erprobungs-996 den einst Walter Röhrl für seine Abstimmungsfahrten über die Teststrecken quälte und damit den Grundstein für eine wahre Legende legte.
Die Preise starten ab 167.518 Euro
Reichte Ende der 1990er Jahre dezentes GT-Silbermetallic, muss es heute schon „Sharkblue“ sein. Man munkelt, die neu eingeführte Lackfarbe sei auf die Außenhaut einer Oligarchenyacht zurückzuführen, die Andreas Preuninger, Leiter GT-Fahrzeuge bei Porsche, im letzten Sommerurlaub im Mittelmeer gesichtet hat.
Eine uninteressante Info? Mitnichten. Unter anderem solche Dinge machen den GT3 nahbar. Oder zumindest nahbarer. Denn auch zwischen mir und dem Vorserienobjekt im Fotostudio stehen mindestens 167.518 Euro.
Saugmotor und Handschalter bleiben
Was bekommt die erlauchte Kundschaft dafür? Zunächst einmal 375 kW oder 510 altgediente Pferdestärken (+10 PS gegenüber dem 991.2 GT3) aus einem vier Liter großen Boxermotor. Turbolader? Bitte! Freiatmend serviert, wie es sich gehört. Aber die Umwelt? Kein Problem: Die Abgasnorm Euro 6d ISC FCM wird erfüllt, der Normverbrauch laut WLTP soll bei 13,3-12,4 Liter auf 100 Kilometer liegen.
Der Von-bis-Wert deutet überdies auf zwei verschiedene Getriebevarianten hin. Richtig, der 6-Gang-Handschalter bleibt dem Puristen erhalten. Serienmäßig wird -kostenneutral- ein 7-Gang-PDK gereicht, das vom Vorgänger bekannt, aber technisch weiter verfeinert wurde.
Eine gute Aerodynamik ist alles
Liest sich alles sehr vertraut? Ich schrieb es ja bereits in die Überschrift: Eine sanfte Revolution. Aber wie schaffte es der neue GT3 dann, dem alten sage und schreibe 17 Sekunden auf der Nürburgring Nordschleife abzunehmen? Das Zauberwort lautet: Aerodynamik.
Der neugestaltete Schwanenhals-Heckflügel des 992 GT3 erzeugt deutlich mehr Abtrieb und steht durch seine ausgefeilte Konstruktion besser im Wind. Er lässt sich, wie der Frontdiffusor, für den Rennstreckeneinsatz manuell verstellen und ermöglicht mit der ebenfalls neuen Doppelquerlenker-Vorderachs-Konstruktion weitaus höhere Kurvengeschwindigkeiten. Serienmäßig wird überdies eine Hinterachslenkung gereicht.
In der Grünen Hölle 17 Sekunden schneller als der Vorgänger
Das Resultat ist eine Rundenzeit von 6:59,927 Minuten über die 20,8 Kilometer lange Referenzstrecke in der Eifel. Pilotiert wurde der Testwagen derweil von Entwicklungsfahrer Lars Kern, wobei auch Markenbotschafter Jörg Bergmeister urteilte, dass der neue 911 GT3 „mit Abstand das beste Serienauto“ sei, dass er in der Grünen Hölle je gefahren ist.
Mit 3,4 Sekunden von null auf 100 km/h ist der 992 GT3 mit PDK so schnell wie der Vorgänger und rennt maximal 318 km/h. Mit Schaltgetriebe erreicht der Sportwagen derweil 320 Stundenkilometer. Trotz ausladender Abmessungen soll das Sportgerät lediglich 1.418 Kilogramm (1.435 kg mit PDK) auf die Waage bringen. Konsequenter Leichtbau inklusive einer serienmäßigen Carbon-Motorhaube konnten eine Gewichtszunahme verhindern. Um das Leistungsgewicht noch ein bisschen zu verbessern, gibt es die Option auf ein Leichtbau-Dach, ebenfalls aus Kohlefaser.
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Der Track-Screen reduziert die Anzeigen
Im Innenraum setzt Porsche ebenfalls auf eine Art sanfte Revolution. Weitestgehend entspricht das Cockpit des 992 GT3 dem herkömmlichen Serienmodell. Neu ist eine per Knopfdruck reduzierte Digitalanzeige hinter dem Lenkrad. Im Mittelpunkt des „Track-Screen“ steht dann der weiterhin bis 10.000 Touren reichende analoge Drehzahlmesser. Dieser wurde ab der Aktivierung des Sport-Modus um einen digitalen Schaltblitz mit Balkenanzeige erweitert.
Auf die Fahrmodi angesprochen, reicht Porsche einen neuen Track-Mode, der mehr auf die Bedürfnisse der rennsportorientierten Kundschaft ausgelegt ist. Spätestens hier sind alle nennenswerten Fahrhilfen deaktiviert und der GT3-Pilot muss sich einzig auf sein Können verlassen. Wie gewohnt lassen sich im neuesten Porsche GT-Fahrzeug die Fahrhilfen per Knopfdruck aber auch separat deaktivieren. Radio und Klimaanlage können beim 992 GT3 übrigens nicht mehr abbestellt werden, die Entfallrate bei den Kunden war allerdings auch sehr gering.
Ab Mai beginnen die Auslieferungen
Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, muss noch ein wenig warten. Zwar sind die Bestellbücher des Porsche 911 (992) GT3 bereits geöffnet und die ersten Auslieferungen beginnen im Mai 2021, doch könnte die hohe Werksauslastung bei Porsche dafür sorgen, dass viele Rennsportfreunde ihren GT3 erst einige Zeit später in Händen halten können.
Erstes Fazit mit Sitzprobe
Porsche bleibt der Bewahrer des heiligen Sportwagengrals und hält bis zum bitteren Ende des Verbrenners am Saugmotor fest. Dass sich die alte Technik mit neuen Abgasregularien verknüpfen lässt, macht Mut für die kommenden Jahre. Auch die eigene Entwicklung in Sachen E-Fuels könnte den altgedienten Boxermotor noch etwas länger nutzbar machen.
Platz genommen im neuen GT3 fühlt sich alles an wie bisher – auf Kundenwunsch kam für die PDK-Variante sogar wieder ein Schalthebel zurück. Der erste Eindruck zeigt aber erneut: Der 992 ist ein großes Auto geworden und auch der GT3 wirkt dahingehend noch massiver als der Vorgänger. Zumindest beim Gewicht ist (laut Datenblatt) aber kein Nachteil zu erkennen. Wie sich der Neue in reinkultur bewegen lässt, werden freilich erst Testfahrten auf abgesperrter Rundstrecke zeigen. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Hersteller)