Erst vergangene Woche trafen sich Politiker, Unternehmer und Investoren in Abu Dhabi zum World Future Energy Summit, um auf dem weltweit größten Forum dieser Art zu diskutieren, wie unser steigendes Energiebedürfnis in Zukunft gedeckt werden soll. Um den Bedarf gar nicht erst so groß werden zu lassen, hat VW nur wenige Kilometer weiter, in Katar, jetzt das Weniger-als-ein-Liter-Auto präsentiert.
Zum ersten mal findet im arabischen Emirat Katar eine Motor Show statt. Dass VW ausgerechnet hier, und nicht etwa auf dem Genfer Auto Salon oder der IAA in Frankfurt seinen neuen Prototypen XL1 zeigt, dürfte zweierlei Gründe haben. Zum einen ist der Wüstenstaat Anteilseigner am VW Konzern; als Porsche vergangenes Jahr kläglich an der VW-Übernahme scheiterte, baten die Schwaben den Fürst al-Thani um finanzielle Hilfe. Die Qatar Holding LLC hält seitdem zehn Prozent der Porsche-Aktien und darf damit nun auch bei VW mitreden.
Zum anderen dürfte VW-Altvater Piëch den Scheichs mit diesem Auftritt auch klar machen wollen, dass ihr Öl-Reichtum endlich ist. Blickt man allerdings zurück auf die WFES-Konferenz in Abu Dhabi, werden die Scheichs noch lange Geld mit ihrer klebrigen Kohlenwasserstoff-Verbindung verdienen, denn eine Zukunftslösung ist nicht in Aussicht. Und das inzwischen unumstrittene Erreichen der maximalen Fördermenge – das heißt, es wird von Jahr zu Jahr zukünftig weniger werden – dürfte die Preise weiter nach oben treiben.
Weniger als ein Liter
Ganz ohne Öl läuft auch VWs neuester Streich nicht, doch soll der XL1 mit nur 0,9 Liter Diesel 100 Kilometer weit kommen. Damit hat VW den Verbrauch der Vorgänger-Studie L1, die auf der IAA 2009 zu bestaunen war, noch einmal um 0,1 Liter gesenkt. Die Entwicklung des Ein-Liter-Autos selbst geht noch viel weiter zurück; schon 2002 legte Piëch persönlich die Strecke Wolfsburg – Hamburg in einem ersten Prototypen zurück, der wie der XL1 schon damals eine Karosserie aus karbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) hatte.
Doch genau dieser Werkstoff ist Fluch und Segen des Ein-Liter-Autos zugleich. Zwar erlaubt CFK ein äußerst geringes Gewicht; der 3,89 Meter lange XL1 wiegt gerade mal 795 Kilogramm, doch ist der High-Tech-Kunststoff auch nach wie vor noch extrem teuer. Wenngleich der Preis inzwischen bei rund einem Zehntel dessen liegt, was der erste Prototyp vor neun Jahren als Serienwagen, rein rechnerisch, gekostete hätte – doch sind das immer noch rund 100.000 Euro.
Diesel-Hybrid
Den Antrieb übernimmt im XL1 ein Diesel-Hybrid mit Siebengang-DSG, der vom L1 bekannt ist. Neu ist nur die Plug-In-Fähigkeit, das heißt, der Lithium-Ionen-Akku kann nun auch an der Steckdose und nicht nur beim Bremsen oder in Schubphasen geladen werden. Sind die Speicher voll, fährt der VW bis zu 35 Kilometer nur von dem 20 Kilowatt starken E-Motor angetrieben. Erst danach springt der 48 PS starke 0,8-Liter-Zwei-Zylinder-Diesel an, ein Ableger des bekannten 1.6 TDI.
Zusammen geben beide Motoren ein maximales Drehmoment von 140 Newtonmetern ab, den Standardsprint beziffert VW auf durchaus respektable 11,9 Sekunden. Freien Lauf lassen die Wolfsburger ihrem Sparer dennoch nicht, die Höchstgeschwindigkeit wird bei 160 km/h elektronisch begrenzt.
Neben- statt hintereinander
Dass der XL1 Realität wird, gilt als sicher. In zwei Jahren will VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg eine Kleinserie auflegen. Und: Die Optik soll sich nicht mehr groß verändern bis dahin. Denn gegenüber dem Vorgänger L1, bei dem die Passagiere hintereinander saßen, nehmen sie im XL1 ganz konventionell nebeneinander Platz. Der Luftwiderstand – ein Kriterium für die zigarrenförmige Karosserie des Vorgängers – ist trotzdem rekordverdächtig niedrig. Mit 0,186 gibt VW den cW-Wert des nur 1,16 Meter hohen XL1 an. Zum Vergleich: Ein Golf kommt auf 0,31.
Spektakulär sind auch die großen Flügeltüren und die gebogenen Rückleuchten am sich nach hinten verjüngenden Heck. Die hinteren Räder sind, ebenfalls aus aerodynamischen Gründen, vollverkleidet. So sollen Windverwirbelungen vermieden werden. Und auch auf die Außenspiegel hat man ob der Windschlüpfigkeit verzichtet; die Aufgabe übernehmen kleine Kameras.
Wenig Interesse
Auch wenn Hackenberg von einer Kleinserie träumt; bis wir alle in Kein-Liter-Autos unterwegs sein werden, wird noch einiges an Erdöl durch die Kraftstoffleitungen fließen. Denn wenn auch hierzulande das Interesse an Spritsparmobilen zu erwachen scheint; in vielen Regionen der Welt spielen Öko-Autos keine Rolle. Und damit ist nicht nur das V8-verwöhnte Amerika gemeint. Unsere Nachfrage beim Statistikamt der Vereinigten Arabischen Emirate, wieviele Elektro-Autos dort unterwegs wären, wurde immerhin knapp und klar beantwortet: Keines. (mg)