455 Fahrradfahrer starben 2018 auf deutschen Straßen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um gut 15 Prozent. Dieser deutliche Anstieg ist nicht alleine dem XXL-Sommer zuzuschreiben, sondern auch der Zunahme an teilelektrischen Fahrrädern und Rollern. Doch steht die E-Revolution auf dem Zweirad erst am Anfang. Schon bald dürften deutlich mehr Batterie-Kleinräder in den bereits jetzt vollen Verkehrsraum drängen. Normale Fahrradfahrer sollten sich daher darauf einstellen, dass es für sie zukünftig enger und turbulenter wird.
Verkauf neuer E-Bikes boomt
Unter anderem wird der anhaltende Pedelec-Trend das Gefahrenpotenzial auf unseren Straßen weiter erhöhen. 2018 ist der Absatz von E-Bikes auf einen Rekordwert von 980.000 Einheiten gestiegen, was laut Zweirad-Industrie-Verband gegenüber dem Vorjahr einem Zuwachs um rund 36 Prozent entspricht. Die Antriebstechnik bedeutet für viele Nutzer eine Erleichterung und erlaubt es etwa auch Senioren wieder aufs Rad zu steigen. Nicht wenige sind allerdings sowohl mit dem Verkehr insgesamt als auch mit dem vergleichsweise hohen Tempo, den der zusätzliche E-Antrieb erlaubt, überfordert. Abbiegende Autofahrer sind nicht selten überrascht, wenn ein vermeintlich langsamer Radfahrer plötzlich auf eine Kreuzung zurast. So verwundert es nicht, dass 2018 die Zahl tödlich verunglückter Pedelec-Nutzer gegenüber dem Vorjahr um fast 30 Prozent gestiegen ist. Die Zahl der Unfälle von Pedelecs mit Personenschäden schnellte sogar auf über 50 Prozent auf fast 8.000 nach oben.
Mehr Tote und Verletzte
Eigentlich sind 25 km/h für Pedelecs die Obergrenze, wenngleich die Antriebstechnik in den meisten Fällen deutlich mehr ermöglicht. Wohl nicht wenige Besitzer machen sich das zunutze und „tunen“ ihre E-Bikes. Entsprechende Entdrosselungssätze kann man für kleines Geld im Internet bestellen. Wenige Handgriffe reichen, um die Höchstgeschwindigkeit zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen. Experten schätzen, dass gut ein Drittel der Pedelecs schneller fährt als erlaubt. Das Risiko wird von einigen Nutzern offensichtlich in Kauf genommen, denn gelegentlich kann man selbst als Autofahrer beobachten, wie man von E-Bikes ohne Versicherungsschild überholt wird - mit viel zu hohem Tempo und auf viel zu engen Fahrwegen. Hinzu kommt, dass bei günstigeren Pedelecs oft Rahmen und Bremsen für derart hohe Geschwindigkeiten gar nicht ausgelegt sind. Und eine Helmpflicht besteht für (getunte) Pedelecs ebenfalls nicht.
Raser auf zwei Rädern
Es gibt auch eine legale Form schneller E-Bikes, die sogenannten S-Pedelecs. Sie sind für 45 km/h zugelassen und müssen deshalb ein Versicherungskennzeichen und die Fahrer einen Helm tragen. Für ein S-Pedelec ist der Fahrradweg eigentlich tabu, doch auf Autostraßen sind sie selten willkommen und werden von genervten Autofahrern häufig viel zu eng überholt. Ein Dilemma, weshalb S-Pedelec-Piloten gerne auf die eigentlich auf die für sie nicht erlaubten Fahrradwege oder auf gemeinsame Geh- und Radwege ausweichen. Auf letzteren flanieren Fußgänger, kreuzen Kinder oder werden Hunde an der Leine geführt. Hier wird einiges an Verkehrserziehung (und möglicherweise ein extra Führerschein) nötig sein, um das Bewusstsein für Gefahrenpotenziale zu schärfen.
Ab Mai erlaubt: E-Scooter
In diese bereits schwierige Gemengelage mischen sich demnächst noch elektrische Kleinstfahrzeuge wie E-Scooter, die sich vermutlich ab Mai mit Tempo 20 auf Fahrradwegen tummeln oder alternativ, falls ein solcher nicht vorhanden ist, auch auf die Straße ausweichen können. Experten warnen vor einer weiteren Verdichtung des Verkehrs auf den heute schon viel zu schmalen Fahrradwegen. Zumal auch die Zahl breiter Lastenräder rasch wächst, was den Verkehrsraum weiter verknappen wird.
Falsche Infrastrukturplanung
Ein wesentliches Problem für den Zweiradsektor ist letztlich die mangelnde Infrastruktur, vor allem in Städten. Dies deutet auch der aktuelle Fahrradklimaindex des ADFC an. Die Verkehrsinfrastruktur für Radfahrer kann mit dem aktuellen Mobilitätswandel in Städten offensichtlich nicht Schritt halten. Während in dänischen oder holländischen Großstädten bereits vor Jahrzehnten die Situation für den Fahrradverkehr verbessert wurde, investieren deutsche Kommunen weiter vor allem in die Verkehrsinfrastruktur für Autos. So werden auch in den kommenden Jahren Milliarden Euro in den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Autos fließen, während für bessere Fahrradwege nur relativ kleine Beträge übrig bleiben. Vermutlich wird es hier oft nur bei Symbolpolitik bleiben, wie etwa der Einrichtung von Fahrradstraßen, die aber Autos dennoch weiter befahren dürfen. (Autoren: mh/sp-x, tv)