Es ist eine wichtige Geste und sie kommt vermeintlich zur rechten Zeit: Während der Mercedes-Stern gerade ein wenig an Strahlkraft verliert und zugleich der chinesische Markt als dickstes Standbein der Schwaben auf hohem Niveau zu schwächeln beginnt, offeriert Daimler seinen wichtigsten Kunden buchstäblich ein dickes Geschenk. Denn nicht beim Heimspiel auf der IAA in Frankfurt und auch nicht auf der an Luxus gewöhnten Autoshow in Los Angeles, sondern auf der Automesse im chinesischen Guangzhou fällt das Tuch des neuen Mercedes-Maybach GLS. Ab der zweiten Jahreshälfte 2020 will man das Trumm wohl auf die Straßen schicken – zum Einstandspreis jenseits von 150.000 Euro. (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 12,0-11,7 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 273-266 g/km²).
Auf Augenhöhe mit Bentley und Rolls-Royce
Audi Q8 und BMW X7 sind da beim Preis schon aus dem Rennen und so orientiert man sich lieber an der wahren Luxusklasse um Bentley Bentayga und Rolls-Royce Cullinan. Beide Engländer haben zuletzt eindrucksvoll bewiesen, dass es für derlei gewichtige und preislich ausfallende Fahrzeuge wirklich einen Markt zu geben scheint. Um in jener illustren Runde mitspielen zu können, hat Mercedes sein GLS-Flaggschiff ordentlich herausgeputzt. Außen gibt es einen neuen Kühlergrill im Nadelstreifen-Design, Chrom blitzt an allen Ecken und Enden und mit einer Bi-Color-Lackierung rückt man das 5,21 Meter lange SUV zusätzlich ins rechte Licht.
Maybach GLS ist ein Clubhouse auf Rädern
Wer sich anschließend über die elektrisch ausfahrbaren Trittstufen in den Olymp der Geländewagen hinaufheben lässt, wähnt sich im siebten SUV-Himmel. Denn wo im GLS noch bis zu sieben Sitze untergebracht werden können, gibt es im Maybach nur noch vier. Das reicht bei 3,14 Meter Radstand im besten Fall für über 1,30 Meter Beinfreiheit im Fond und schafft Platz für ausfahrbare Beinauflagen. Mit denen lassen sich die klimatisierten Loungesessel gar vollends zur Liege ausbreiten und selbstredend reicht man seinen Kunden auch ein Barfach. Erweitert wird der Luxus durch Klapptische in der durchgehenden Mittelkonsole und eine eigene MBUX-Welt für die Hinterbänkler. Ambientelicht und eigens komponierter Raumduft runden das Wohlfühlpaket ab.
Dem Fahrer geht es auch nicht schlecht
Während die Herrschaften im Fond hinter elektrisch aufgezogenen Gardinen und dickem Isolierglas Platz genommen haben, geht es auch dem Fahrer vorne links nicht allzu schlecht. Er kann allen voran auf den Maybach-Mode des vorausschauenden Luftfahrwerks zurückreifen, das durch den Einsatz von 48-Volt-Technik in Sekundenbruchteilen den Dämpfergrad nachjustiert. Das Resultat? Ein Vorankommen, beinahe wie auf Wolken gebettet. Unter der Motorhaube bricht Daimler dann allerdings die Tradition der Edelmarke und auch wenn am Heckdeckel Maybach GLS 600 zu lesen ist, ein 12-Zylinder ist (noch) nicht zu bekommen. Bisweilen muss man mit einem vier Liter großen Achtzylinder vorliebnehmen, der durch seine 558 PS und 730 Newtonmeter allerdings ebenfalls nicht gerade leistungsarm daherkommt.
GLS 600 ohne 12-Zylinder
In nur 4,9 Sekunden soll der schwere Wagen auf Tempo 100 beschleunigen, Ende ist bei 250 km/h. Aus Vernunftsgründen – versteht sich. Unterstützt wird der doppelt aufgeladene V8 übrigens durch einen E-Booster und weitere Mildhybrid-Bausteine, die auch das zuvor erwähnte Luftfahrwerk unterstützten. Beim Verbrauch soll der Mercedes-Maybach GLS 600 übrigens beinahe knausrig zu Werke gehen und sich mit 11,7 Liter auf 100 Kilometer begnügen. Zumindest auf dem geduldigen Papier. Verlang man dem schweren SUV alles ab, wird es wohl auch keine Schwierigkeit darstellen, mehr als das Doppelte in der Verbrauchsanzeige stehen zu haben.
Ist das Maybach SUV exklusiv genug?
Viel Prunk, aber dennoch nicht übertrieben exklusiv und irgendwie auch nicht dem Überfluss verpflichtet. Der Mercedes-Maybach GLS 600 wirkt zunächst wie ein Hochkaräter, ist am Ende aber nur ein vornehm herausgeputzter GLS. Ohne langen Radstand und ohne Zwölfzylinder hat man die Chance zur Emanzipation vom bürgerlichen Benz, hinauf zum echten Maybach womöglich vertan. Natürlich: Den Daimler-Vorständen hängt noch die letzte Maybach-Pleite in den Knochen und auch die Verkaufszahlen der Mercedes-Maybach S-Klasse sprechen für das Konzept einer Maybach-Eingliederung als Quasi-Ausstattungslinie. Ob das erste Maybach SUV allerdings gegen Rolls-Royce und Bentley ankommt, wird erst die Zukunft zeigen. (Text: tv, bb/sp-x | Bilder: Hersteller)