Audi lädt zum „Urban Future Summit“, VW stellt einen Kabinenroller vor, Opel einen ebensolchen für sechzehnjährige, Smart und BMW planen Elektrobikes und alle wissen, dass der deutsche Automarkt mittelfristig schrumpfen wird Was tun? Zukunft gestalten, scheint das Motto, lieber jetzt als morgen. Das offizielle Motto der IAA „Zukunft, serienmäßig“ scheint schon von gestern.
„CO2-Reduktion“ als Menetekel der Autoindustrie war gestern, der drohende Klimawandel und die damit verbundenen Auswirkungen auf die globale Wirtschaft, Migrationsströme, Ressourcenverknappung ist gesellschaftlicher Konsens. Auch das Peak-Oil Szenario wird nicht nur bei Wirtschaftswissenschaftlern und Politikern, sondern auch bei den Automobilherstellern akzeptiert, die Förderung von Rohöl wird in Zukunft so teuer werden, dass sich Alternativen rechnen werden. Nicht zuletzt, fordert der Autokäufer neben bezahlbarer Mobilität auch nachhaltige Mobilität. Unter dem Strich bedeutet das: Wenn die Autowirtschaft auch morgen noch rentabel sein soll, dann sind radikale Lösungen gefragt.
Der Automarkt wird jedoch weltweit auch in Zukunft wachsen. China und Indien, Südamerika und Russland haben noch gewaltigen Nachholbedarf was individuelle Mobilität angeht. Laut Matthias Wissmann, Chef des IAA-Veranstalters VDA, wurden vor zwei Jahren weltweit 55 Millionen Autos verkauft, dieses Jahr sollen es bereits 65 Millionen sein. Studien zufolge wird der jährliche Absatz bis 2020 auf 90 Millionen (90.000.000) steigen.
Zudem lebt bereits heute die Hälfte der Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen (7.000.000.000) in Städten, auch dieser Trend wird zunehmen. Mobilität wird also vor allem eine Herausforderung für die Metropolen der Welt werden. Und herkömmliche Autos nehmen hier einfach zu viel Platz weg.
Doch das Wachstum wird sich verschieben und langfristig zurück gehen. Mittelfristig werden die westlichen Märkte stagnieren oder – wie in Deutschland – sogar zurückgehen, nicht zuletzt wegen des demographischen Faktors. In China wird das Wachstum an Geschwindigkeit nachlassen, die Grenzen des Wachstums schienen absehbar.
Da trifft es sich gut, dass die Portokassen der Hersteller gut gefüllt sind. Nach dem Krisenjahr 2009 weisen sie wieder Rekordgewinne aus, BMW erzielte ein Ergebnis von rund drei Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2011. Und diese Liquidität werden sie brauchen, denn der Königsweg zur Zukunftsmobilität ist noch ungewiss.
Plug-In Hybride werden mit Batterieelektrischen Fahrzeugen und Range-Extender-Konzepten konkurrieren, der Kunde in China und die dortigen Regularien werden zunehmend bestimmen, wie ein Auto auszusehen hat. Investitionen in nie zuvor gekanntem Ausmaß sind notwendig, um auch morgen noch marktfähige Produkte verkaufen zu können.
Kleine, elektrische Kabinenroller, wie sie jetzt in Frankfurt von Opel, VW und Audi und vor Jahren von Renault vorgestellt werden, sind daher kein Zufall: Individuelle Mobilität steht in den Metro-Cities in Konkurrenz zu anderen Interessen des urbanen Volkes. Und doch werden kleine(re) Autos nur ein Teil der Lösung sein.
Der andere Teil ergibt sich aus dem Unwillen der Städter, zigtausende von Euros oder Dollars für ein Vehikel auszugeben, das die meiste Zeit nur herumsteht. Leasing wurde in den letzten Jahren auch für Privatkunden interessant , Car-Sharing und Ride-Sharing wird zunehmend sexy. Erstmals in der Geschichte gibt es in den USA weniger Führerscheinneulinge, wie WIRED-Chefredakteur Chris Anderson auf dem Audi-Summit betonte, ein Trend, der auch für Berlin zutrifft.
In diesem neuen Spannungsfeld individueller Mobilität positionieren sich auch neue Spieler, sie wittern Morgenluft: Google liefert bereits für Audi die Autobahnstaus in Echtzeit und erprobt autonom fahrende Autos. Internet-Marken wie Flinc ermöglichen individuelle Mobilität mit einem Smartphone, ohne eigenes Auto, BMW kooperiert mit dem Autovermieter Sixt um Mobilität auf Stundenbasis anzubieten. Die Bahn sitzt auf millionen von Kundendaten wie auch die Telekom und andere Kommunikationsanbieter.
Bosch wird E-Motoren für Daimler bauen, Siemens bandelt mit Volvo an und kennt sich (Zug sei Dank) schon seit Jahrzehnten mit Elektromobilität sowie Städtebau aus. RWE und E-On proben die Abrechnung bei elektrischen Ladestationen, Supermärkte werden zu Stromtankstellen. Asiatische Elektronikanbieter wie Samsung, Panasonic und LG positionieren sich als Batteriehersteller, e-Smart und Mini-E wären ohne das Know-How des kalifornischen Start-Ups-Unternehmens Tesla nicht auf der Straße.
Pessimisten sehen im Licht dieser neuen Geschäftsmodelle rund um die individuelle Mobilität die Automobilhersteller bereits zum reinen Hardwarelieferanten degradiert. Bahn-Chef Grube erkennt darin die Chance, die letzte Meile zwischen Bahnhof und zu Hause zu besetzen.
Doch es gibt einen anderen, möglichen Schulterschluss: Beim Treibstoff der Zukunft. Denn ein unbestreitbarer Vorteil von Benzin ist (wenn man es als Kohlenwasserstoff-Verbindung und weniger als fossilen Energieträger begreift) die Energiedichte. Als mobiler Energieträger ist Benzin auch auf Jahre hinaus unschlagbar, die Ausgangs-Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff sind unbegrenzt in der Atmosphäre verfügbar.
Unter Einsatz regenerativer Energie sind Designerkraftstoffe produzierbar, die nicht einmal neue Motoren erfordern würden und sogar noch CO2 aus der Atmosphäre umwandeln könnten. Würden die Automobilhersteller den Spieß umdrehen und ihrerseits stärker die Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen vorantreiben, könnte die Speicherproblematik der Regenerativen entschärft und Mobilität klimaneutral und mit Benzin im Blut machbar sein. Ein Traum.
Es wird auch morgen noch den Kompakt-Van und den Sportwagen geben - zumindest für zwischendurch oder den Urlaub. Doch übermorgen werden unsere Kinder Elektro-Autos als völlig selbstverständlich ansehen und ungläubig staunen, wenn der Motor an der roten Ampel nutzlos vor sich hin rumpelt.
Die Karten werden neu gemischt.