Knapp zehn Jahre ist es her, da war der Wasserstoffantrieb in aller Munde und Daimler und BMW spielten damals ganz vorne mit: Die Stuttgarter wollten die Brennstoffzelle zur Serienreife bringen, die aus gasförmigen Wasserstoff Strom erzeugt, die Münchner dagegen verbrannten lieber flüssigen Wasserstoff konventionell in einem V12-Motor. Heute wissen wir: Der BMW-Weg war ein Irrtum und die Energieverluste viel zu hoch. Doch auch die Brennstoffzelle tut sich schwer, in die Gänge zu kommen. Wirklich auf den Markt haben es bis heute nur wenige Modelle geschafft – und die kommen nicht von Mercedes. Mercedes war so stolz auf seine B-Klasse F-Cell (fuel cell, englisch für Brennstoffzelle), dass die Stuttgarter 2011 gleich drei Prototypen auf eine medial aufgebauschte Weltumrundung geschickt haben. Die rund 30.000 Kilometer lange Tour sollte beweisen, dass die Technik ausgereift ist. Und in der Tat: Die Verwandlung von Wasserstoff zu Strom in der Brennstoffzelle und der Elektroantrieb machten den Ingenieuren deutlich weniger Probleme, als marode Straßen oder der eigenwillige Fahrstil anderer Verkehrsteilnehmern in den entlegensten Winkeln der Erde.
Mangelhafte Infrastruktur
Allerdings führte die Tour auch ein bis heute nicht gelöstes Problem des Wasserstoffs vor Augen: Die Tankstellen-Infrastruktur. An genau zwei öffentlichen Zapfsäulen kam der Tross auf seiner Weltreise vorbei, eine in Los Angeles, die andere in Stuttgart. Ansonsten musste der gasförmige Treibstoff mit der Strukturformel H2 von Lkw hinter der Reisegruppe her um den Globus geschleppt werden. Bei der Rückkehr der World-Tour versprach Daimler-Chef Dieter Zetsche allerdings nicht nur vollmundig, eine Testflotte an den Start und ab 2015 das Serienmodell „zum bezahlbaren Preis“ auf den Markt zu bringen, sondern auch den Ausbau der Tankstellen voranzutreiben.
Wirklich in Erfüllung ging nur eines der Versprechen: Die Testflotte mit ausgewählten Kunden gab es tatsächlich, doch inzwischen ist auch sie wieder Geschichte. Der Serienstart dagegen blieb aus und die Tankstellenanzahl hat sich seither zwar verneunfacht, liegt in absoluten Zahlen aber immer noch bei mageren 45 Wasserstoff-Zapfsäulen. Haben die Autobauer in den letzten Jahren also die Lust an der Brennstoffzelle verloren?
Ist der Wasserstoff-Antrieb Geschichte?
Ja und nein: 2017 sorgte Zetsche mit einer Aussage bei einem Automobil-Kongress für Aufsehen, als er verlautbarte, dass der Schwerpunkt der Entwicklung in den kommenden Jahren auf dem batterieelektrischen Auto läge. Die Gründe dafür sind nachvollziehbar, die Preise für Akkus sinken und mit ihnen steigen die Reichweiten der Akku-Stromer. Die Herstellung der Brennstoffzelle mit hohem Platin-Anteil und die Erzeugung des Wasserstoffs dagegen bleiben immer noch teuer. Dazu ist die Wasserstoff-Produktion ökologisch umstritten.
Wird der Treibstoff aus Erdgas gewonnen, rutscht die Umweltbilanz ins Soll, und auch die Elektrolyse aus Wasser ist nur dann wirklich grün, wenn der Strom dazu aus regenerativen Quellen kommt. Wie das geht, zeigt Audi: Die Ingolstädter haben sich vor einiger Zeit ein paar Offshore-Windräder zugelegt, deren Strom zwar vorrangig die eigenen Batterie-Autos – zumindest in der rechnerischen Bilanz – versorgen soll. Überschüssige Energie aber wird in so genannten Wind-to-Gas-Anlagen auch in H2 umgewandelt. Allein: Brennstoffzellen-Autos sind bei Audi seit dem Prototyp A7 h-tron und einer Detroit-Studie von vor zwei Jahren derzeit kein Thema mehr – wie auch bei den anderen Volkswagen-Konzernmarken. Erst im vergangenen Jahr hat der jetzige VW-Chef Herbert Diess erklärt, dass die Brennstoffzelle in den kommenden Jahren keine Rolle in Wolfsburg spiele.
Ideal für die Langstrecke
Ganz abschwören wollen die Autobauer der Brennstoffzellen-Technik aber nicht, schließlich ist Wasserstoff derzeit die einzige Möglichkeit, ähnlichen Komfort wie mit Benzin oder Diesel zu erreichen. Reichweiten von vielen hundert Kilometern lassen sich mit nur einer Tankfüllung ermöglichen, und das Tanken selbst dauert wenige Minuten. Das schaffen auch die stärksten Schnelllader für Akkus nicht, zumal noch lange nicht bekannt ist, wie oft die Batterien solche Druckbetankungen mitmachen werden. Sieht man vom derzeit noch hohen Energieaufwand ab, der nötig ist, um den Wasserstoff mit vielen hundert Bar Druck ins Auto zu pressen, erscheint die Brennstoffzelle also immer noch als Königsweg für die Langstrecke, an der durchaus hinter verschlossenen Türen weiter geforscht und gebastelt wird. Im mehreren Konsortien haben sich zahlreiche Hersteller zusammengetan, um gemeinsam mit Tankstellen-Betreibern und Regierungen die Entwicklung voran zu treiben.
Auch Daimler hat die Forschung nicht ganz aufgegeben, und 2017 mit dem GLC F-Cell Plug-in-Hybrid (wieder) ein Fahrzeug präsentiert, das bald in Serie gehen sollte – inzwischen ist der Start des Strom-SUV aber erneut verschoben, aktuell ist von Ende des Jahres die Rede. Und auch das Konzept der Stuttgarter scheint etwas unschlüssig: Statt eines großen Wasserstoff-Tanks, beschränkt sich der Mercedes auf gut viereinhalb Kilogramm und verbaut zusätzlich einen schweren 13,8-kWh-Stunden-Akku. Der kann an der Steckdose geladen werden und soll den Kunden die Angst nehmen, keine Tankstelle zu finden.
Die Asiaten liegen vorne
Mit rund 30 Praxis-Kilometern, die der GLC batterieelektrisch schafft, ist allerdings nicht wirklich ein Staat zu machen, und der an Bord gelagerte Wasserstoff reicht auch nur nach NEFZ gemessen für 437 Kilometer. In der Praxis muss der Benz wahrscheinlich nach gut 300 Kilometern wieder an eine der wenigen Zapfsäulen, was ihn für Langstrecken-Pendler uninteressant macht. Hier zeigen die Asiaten, wie man es besser machen kann: Schon seit einigen Jahren stromert der Toyota Mirai wasserstoffbetrieben über die Straßen und schafft im Alltag problemlos 450 Kilometer. Und ab Herbst schickt Hyundai mit dem Nexo nach dem ix35 F-Cell schon sein zweites Brennstoffzellen-Auto ins Rennen, das sogar realistische 600 Kilometer schaffen soll; außerdem gibt es außerhalb Europas mit dem Honda Clarity noch eine dritte Alternative.
Während Geschäftsleute wie Urlaubsreisende mit den H2-Stromern aus Fernost die Strecke München-Frankfurt oder Hamburg-Berlin also ohne Schweißausbruch mit Wasserstoff meistern können, müssten Mercedes-GLC-Fahrer wahrscheinlich schon zwischendrin nach einer Zapfsäule suchen. Aber: Der Sorge werden sich die wenigsten stellen müssen. Denn während Toyota und Hyundai – und andernorts auch Honda – ihre Autos für rund 80.000 Euro an jedermann verkaufen, will Daimler wieder nur eine ausgewählte Klientel mit dem maximal in einer vierstelligen Stückzahl gebauten GLC F-Cell bedienen. Zum bislang nicht näher benannten Preis.
Methan statt Wasserstoff
Dass die Entscheidung der Asiaten, mit einem Brennstoffzellen-Auto in Serie zu gehen, derzeit schon wirtschaftlich sinnvoll ist, darf man zurecht anzweifeln. Aber: Wie bei der Hybrid-Technik haben sie hier defacto die Nase vorn und sollte der Durchbruch des Wasserstoffs tatsächlich bald kommen, werden sie der deutschen Konkurrenz wieder einige Zeit lang davon fahren. Es sei denn, eine ganz neue Technik setzt sich durch: Roland Gumpert, Ex-Audi-Motorsportchef und Vater des Supersportwagens Apollo, tüftelt gerade zusammen mit dem chinesischen Start-up Aiways an einer neuen Methode, den Wasserstoff zu verarbeiten.
Statt ihn aufwendig in Gasform ins Auto zu bringen, setzt Gumpert auf einen Methanoltank, der sich kaum vom Benzin-Vorratsbehälter unterscheidet. Erst an Bord wird dann mit einem Reformer das Methan in CO2 und Wasserstoff aufgespalten und der flüchtige Treibstoff in der Brennstoffzelle zu Strom verarbeitet. Klingt auf den ersten Blick kompliziert, könnte aber schnell jede Menge Schwung in die Industrie bringen. Denn statt aufwändiger und teurer Wasserstoff-Tankstellen lässt sich Methan um ein vieles einfacher handhaben. Sollte sich diese Technik durchsetzen, schauen nicht nur die deutschen Hersteller in die Röhre, sondern auch Toyota und Co.