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Bericht: Volkswagen Touareg – Luxusliner fürs Grobe

Mit dem Auto in den Süden? Kein Problem, es gibt schließlich nur noch wenige Stellen, an denen die Alpen in den letzten Jahrzehnten nicht „befahrbar“ gemacht wurden.

Nach wenigen Stunden ist man über den Brenner oder durch den Gotthard-Tunnel gebraust und kann sich auf Pizza und Pasta in Italien oder französisches Savoir Vivre an der Côte d’Azure freuen. Doch längst nicht alle Bergketten sind derart Asphalt-durchzogen, wie die Alpen. Das Atlasgebirge zum Beispiel stellt immer noch eine teils schier unüberwindbare Grenze da, die das fruchtbare Land Nordafrikas von der ewig trockenen Sahara im Süden trennt. Wo hier die Straße aufhört, kommt man nur noch zu Fuß und mit dem Maultier weiter. Oder mit einem Geländewagen, der richtig was drauf hat – wie der neue VW Touareg. Über zweitausend Kilometer breit erstreckt sich der Atlas, zieht sich von Tunesien im Osten über Algerien, fast bis an die Atlantik-Küste im marokkanischen Westen. Zum Vergleich: Die Alpenkette bringt es in etwa nur auf die halbe Ausdehnung. Zumindest in Sachen Höhe können unsere Haus-und-Hof-Berge punkten, mit mehr als 4.800 Metern ist die Aussicht vom Mont Blanc noch ein bisschen besser also vom Jbel Toubkal, der sich eine knappe Autostunde südlich von Marrakech „nur“ 4.167 Meter in die Höhe reckt. Und genau da wollen wir hin.

Geschmeidiger schnurrender Diesel

Zugegeben, ganz auf den Gipfel des höchsten Berg Marokkos, der als verhältnismäßig leicht zu besteigen gilt und von trainierten Bergwanderern in zwei Tagen erreicht werden kann, kommt wir mit dem Touareg nicht. Irgendwann kommen auch der beste Allrad, die größte Verschränkung und die höchste Bodenfreiheit an ihre Grenzen, und über Stock und Stein helfen einem dann schließlich nur noch Steigeisen und Muskelkraft. Der erste Teil des Aufstiegs aber lässt sich auf den großen, weichen Ledersesseln des Volkswagen-Flaggschiffs definitiv komfortabler erledigen, als in engen Wanderstiefeln.

Am frühen morgen brechen wir in Marrakech auf, lassen den noch verschlafen wirkenden Djemaa-el-Fna-Marktplatz und stehlen uns gen Süden aus der Millionenstadt. So langsam macht sich der V6-Diesel unter der Haube warm und schnurrt geschmeidig vor sich hin, als wir mit nicht mal Tempo hundert in Richtung Ourika-Tal rollen. Anstrengen muss sich der drei Liter große Selbstzünder hier nicht, auch wenn es langsam aber stetig bergauf geht: 286 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment sind die idealen Voraussetzungen zum entspannten Cruisen und Dahinrollen.

Merkliches Turboloch

Natürlich schlummern bei dieser Gangart auch noch reichlich Reserven in den Untiefen des Sechszylinders, um Eselskarren, offensichtlich überladenen Mercedes-Oldtimer und die zahlreichen Lkw chinesischer Hersteller auf der Landstraße zu überholen. Beim zackigen Tritt aufs Gaspedal merkt man aber schon, dass der Touareg immer noch über zwei Tonnen auf den Rippen hat, und da die maximale Kraft erst bei verhältnismäßig hohen 2.250 Umdrehungen anliegt, dauert es ein bisschen, bis Turbo-Lader und Achtgang-Automatik das Dickschiff aufgeweckt und zur flotten Beschleunigung angetrieben haben.

Allerdings sind wir nicht hier, um Bestwerte beim Ampelstart aufzustellen, sondern um die Geländegängigkeit des Touareg auf Herz und Nieren zu testen. Also verlassen wir nach einer knappen Stunde das Ourika-Tal wieder und folgen der P2030, die sich, den Toubkal Gipfel immer im Blick, vorbei an Safran-Krokus-Feldern nach oben schlängelt. In ein Skigebiet. Zwar kann man sich, wenn man im Tal die Kamele durch die staubtrockene Steppe wandern sieht und bedenkt, dass hinter diesen Bergen die Sahara beginnt, nicht vorstellen, dass man hier dem Wintersport frönen kann.

Ab auf die Piste

Die Temperaturanzeige im Touareg aber holt uns in die Realität zurück: Die angenehmen 27 Grad in Marrakech sind hier, auf 2.700 Metern Höhe, in den einstelligen Bereich gerutscht. Zwar versteckt sich der Skiort Oukaïmeden noch nicht unter einer weißen Pulverschicht, lange wird es allerdings nicht mehr dauern, bis sich hier Schlangen an den Liftstationen bilden. Zuvor aber nutzen wir die noch grünen Pisten und Hänge, um den Touareg aus der Reserve zu locken.

Also schnell den Fahrmodus-Schalter auf Offroad gestellt – dadurch werden Gaspedalkennlinie, Automatik, Allradantrieb und Stabilitätsprogramm auf das bevorstehende Abenteuer vorbereitet –, das Luftfeder-Fahrwerk in die zweite, höhere, der beiden Geländestufen (plus sieben Zentimeter) geschraubt und runter vom Asphalt. Auf matschigen Wiesen und losem Geröll geht es bergauf und bergab, und natürlich meistert der Volkswagen den natürlichen Abenteuerspielplatz mit Bravour.

Keine Untersetzung mehr

Allerdings merkt man hier auch, dass die Ingenieure bei Generation drei auf die bisher verfügbare Getriebeuntersetzung und mechanische Hinterachssperre verzichtet haben. Zusammen mit dem bereits auf der Landstraße erfahrenen Turboloch heißt das, dass man mitunter richtig viel Gasgeben muss, um das Schwergewicht über Hindernisse zu bemühen. Und auch wenn es richtig Steil bergauf geht, ist ein überdurchschnittlich kräftiger Tritt aufs Fahrpedal von Nöten. Echte Geländegänger vom Schlage einer Mercedes G-Klasse kraxeln hier merklich entspannter. Allerdings, und das muss man den VW-Ingenieuren zu Gute halten, fährt ohnehin weder der Touareg-Kunde noch der G-Klasse-Käufer mit seinem Auto über die Skipiste.                     

Deutlich häufiger dürften im Alltag die Allradlenkung und der Bergabfahrassistent zum Einsatz kommen. Nachdem sich der Touareg auf fast 3.000 Metern Höhe zur Genüge verausgabt hat, starten wir wieder talwärts. Schließlich haben wir einen Termin: In der Kasbah Tamadot im Berber-Ort Asni wartet schon das Mittagessen auf uns. Der Weg dorthin führt allerdings über einen Schotterpiste, die an vielen Stellen nur marginal breiter ist als der Touareg. Und Leitplanken oder sonstige Sicherungen sucht man vergebens; wer in der Kurve zu weit ausholt, dem droht der hunderte Meter tiefe Abgrund.

Handlich wie ein Golf

Hier spielt die Allradlenkung ihren Trumpf aufs, die gegenläufig einschlagenden Hinterräder verkleinern den Wendekreis auf 11,19 Meter – das nur eine Handbreit mehr als beim VW Golf. Nur ist der gut 70 Zentimeter kürzer als der knapp 4,90 Meter lange Touareg. Und damit der Fahrer auf den gut eintausend zu überwindenden Höhenmetern nicht ständig auf der Bremse stehen muss, übernimmt die Elektronik die Kontrolle. Der Clou: Während bei anderen Herstellern das Abstiegstempo oft umständlich über die Schaltpaddel oder Tasten eingestellt werden muss, regelt man das beim Touareg einfach per Gaspedal und Bremse. Nimmt der Fahrer den Fuß wieder weg, hält der VW das Tempo.

Die steile, enge Abfahrt führt uns ins Bergdorf Imlil, wo schon Brad Pitt einige Szenen für den Film „Sieben Jahre in Tibet“ gedreht hat. Die Straßen hier sind kaum breiter als oben am Berg, allerdings muss sich der Touareg hier den Weg noch mit spielenden Kindern, Mofas und Eseln teilen. Schade, dass die Testfahrzeuge noch nicht mit der erst jetzt erhältlichen 360-Grad-Rundum-Kamera ausgerüstet sind, die das Rangieren in den engen Gassen sicher deutlich leichter gemacht hätten.

Keine Angst vor spitzen Steinen

Ohne Kratzer an Mensch, Auto und Huftier erreichen wir schließlich die Kashba und treten von hier, mit arabischen Mezze frisch gestärkt, den Rückweg nach Marrakech an. Der führt über gut asphaltierte Landstraßen. Eigentlich. Wir allerdings wagen auf halbem Weg noch einen kleinen Abstecher, in einen Wadi. Wasserdurchfahrten gehören in Marokko je nach Jahreszeit zur Tagesordnung, kleinste Bäche können in der Regenzeit zu reißenden Flüssen werden, und Dörfer, die heute noch trockenen Fußes zu erreichen sind, sind vielleicht morgen schon durch die Fluten von der Außenwelt abgeschnitten.

Von einem Sturzbach ist der Qued Badja Djdid derzeit weit entfernt, friedlich mäandert der Bachlauf, den man auch zu Fuß problemlos durchschreiten könnte, durchs Land, und die maximal 55 Zentimeter Wattiefe, die der Touareg aushält, spielen hier keine Rolle. Wohl aber der spezielle Unterfahrschutz, der zum 650 Euro teuren Offroadpaket gehört, und der verhindert, das die mitunter spitz aus dem Wasser aufragenden Steine den Touareg von unten beschädigen.

Kann mehr als er braucht

Nach dem der Touareg also seine Reifen gebadet hat und problemlos wieder aus dem Flussbett rausgekrabbelt ist, rollen wir gemächlich in Richtung Marrakech, der roten Stadt, deren Minarette schon von weitem in der untergehenden Sonne zu sehen sind. Fragen uns, ob der Asphalt wirklich so gut ist, oder ob das dem formidablen Fahrwerk zuzuschreiben ist. Und sind um zwei Erfahrungen reicher: Dass das Atlas-Gebirge auf jeden Fall eine Reise wert ist. Und dass auch der neue, mit ein bisschen Ausstattung rund 80.000 Euro teurer Luxusliner VW Touareg im groben Geläuf weitaus mehr kann, als die meisten seiner Fahrer ihm – und sich – jemals zutrauen werden.

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