Schließlich gilt der Range Rover seit über 40 Jahren als ungekrönter König der Geländegänger. Ein Offroader, der sich in Matsch und Schlamm durchsetzen kann wie kaum ein anderer und dennoch im feinen Frack einer edlen Limousine vorfährt. Mit diesem noblen Auftritt ist er auch für das englische Königshaus eine Idealbesetzung bei Jagdausflügen und Staatsempfängen. Die Ernennung zum königlichen Hoflieferanten hatte Hersteller Land Rover zwar schon weit früher für den ersten Defender erhalten, aber erst der Range Rover wirkte wirklich blaublütig. Genau dadurch distanzierte sich der Brite sofort von etablierten Arbeitstieren wie Toyota Land Cruiser, Nissan Patrol oder Jeep.
Kaum ein Terrain, das diese japanischen und amerikanischen Klassiker aufhalten konnte. Woran es ihnen aber fehlte, war das Talent stilvoll durch den Dreck zu reisen und anschließend die Autobahn zu stürmen. Dies gelang erst dem Range Rover. Vier Jahrzehnte, vier Eigentümer und vier Generationen später steht der Range Rover immer noch an der Spitze der Luxus-Geländewagen. Kein Konkurrent konnte ihm bislang diesen Rang streitig machen, dabei musste auch der Range Rover zwischenzeitlich Täler der Tränen durchfahren und kleinere Krisen überwinden.
Aus der Angst geboren
Tatsächlich entsprang bereits das Konzept des Ur-Range Rover der Angst vor einer Absatzkrise. Maurice Wilks, Rover-Chefingenieur und sein Bruder Spencer Wilks, Rover-Geschäftsführer, freuten sich über den Erfolg ihres ersten Geländegängers, des 1948 lancierten Land Rover. Anders als der Jeep war er anfangs vor allem für landwirtschaftliche Einsatzzwecke gedacht. Erschwinglich und durchsetzungsfähig in den harten Zeiten des Wiederaufbaus nach dem Krieg sollte dieser erste Land Rover sein. Allerdings befürchteten die Brüder Wilks eine Absatzkrise für ihre simple Konstruktion, sobald die Zeiten besser würden und Luxus auch auf dem Land gefragt sein würde.
Rettung vor dem befürchteten Ruin der neuen All-Terrain-Sparte suchte Rover deshalb durch das Konzept des Road Rover für die Jahre von wachsendem Wohlstand und Wirtschaftswunder. Beim Road Rover handelte es sich um einen hochgelegten Kombi mit Hinterradantrieb, der ab 1951 auf Basis der Rover-P4-Limousine entwickelt wurde. Bis 1958 entstanden mehrere Prototypen, die sogar Serienreife erlangten. Allein der anhaltende Erfolg des Land Rover verhinderte die Markteinführung des Road Rover, für den im Stammwerk noch keine Produktionskapazitäten frei waren.
Boom der Luxus-Allradler
Anders wurde dies erst in den 1960er Jahren als immer größere und luxuriösere amerikanische Allradler wie Jeep Wagoneer, Ford Bronco oder Chevrolet Blazer in traditionelle Land-Rover-Märkte vordrangen. Hinzu kam die globale Exportoffensive durch die preiswerteren Japaner, die ebenfalls zu Lasten der Verkaufszahlen des klassischen Land Rovers ging. Ende 1967 schlug deshalb die Geburtsstunde eines neuen Luxus-Land-Rover. Unter Leitung der Rover-Ingenieure Spen King und Gordon Bashford war der erste fahrfähige Prototyp eines sogenannten 100-Zoll-Station-Wagon entstanden, der dem drei Jahre später präsentierten Range Rover bereits sehr ähnlich war.
Seine Publikumspremiere feierte der serienreife Range Rover im Oktober 1970 im prächtigem Ambiente des Pariser Salons und auf der Londoner Earls Court Motor Show. Ein Doppel-Debüt, das damals an die Concorde erinnerte. Wie der gerade erst gestartete britisch-französische Überschallverkehrsjet wurde der Range Rover zum neuen technischen Vorzeigeobjekt in beiden Ländern. Während der Louvre dem Range Rover in Paris eine Sonderausstellung als einzigartiges Beispiel für moderne skulpturale Formen widmete, erhielt der Allradler in England die begehrte Dewar-Trophäe als herausragende technische Errungenschaft des Jahres.
Lange Lieferzeiten
Einzigartig in der Automobilgeschichte war auch, dass die internationale Fachpresse den V8-Boliden sechs Jahre und eine Ölkrise später immer noch als unvergleichlich feierte. Bestätigt in dieser Einschätzung sahen sich die Medien durch anhaltend lange Lieferzeiten für das Flaggschiff der Marke Land Rover. Ein regelrechter Schwarzmarkt war entstanden, auf dem Kunden noch Jahre nach Markteinführung weit überhöhte Preise zahlten, um die Lieferzeiten zu verkürzen. Dabei hatte der dahinsiechende Land-Rover-Mutterkonzern British-Leyland seiner durchaus nicht perfekt verarbeiteten Pretiöse bis Ende der 1970er Jahre keine nennenswerte Modellpflege zukommen lassen. Was also machte den Erfolg dieses scheinbaren Wunderautos aus?
Als avantgardistische Kreuzung zwischen klassischem Kletterkünstler, geräumigem Kombi und schnellem Shootingbrake revolutionierte der Range Rover die automobile Luxusklasse so nachhaltig wie es zuvor nur dem Mini in der Kleinwagenklasse gelungen war. Ein bei Buick eingekaufter moderner 3,5-Liter-Leichtmetall-V8 machte den mächtigen Geländegänger schnell wie eine Sportlimousine. Für Geländefahrten gab es ein Leiterrahmenchassis, Reduktionsgetriebe und permanenten Allradantrieb mit sperrbarem Mittendifferential.
Viertürer kam erst in den 80er Jahren
Von Luxus kündeten die Niveauregulierung an der Hinterachse, vier Scheibenbremsen und später auch Luftfederung, elektrische Fensterheber, oder Automatikgetriebe, praktischer als ein sportiver Kombi war der zweitürige Range dank großen Ladeabteils und geteilter Heckklappe. Vier Türen gab es erst ab 1980, zunächst in Form exklusiver und extrateurer Monteverdi aus der Schweiz, ab 1982 auch in britischer Spezifikation. Nicht einmal die zeitweise exorbitant hohen Preise – anfangs kostete der Range Rover in Deutschland so viel wie ein Porsche 911 – konnten den Erfolg des Geländekreuzers nach Gutsherrenart eindämmen.
Für den Sprung nach Nordamerika reichten die Produktionskapazitäten erst 1986, dort kam ab 1992 besonders die Maxi-Version LSE mit 108-Zoll (270 Zentimeter) langem Radstand auf beachtliche Stückzahlen. Kurz vor dem Silberjubiläum überschlugen sich dann die Ereignisse für Range Rover: 1994 übernahm BMW die Rover Group und präsentierte noch im selben Jahr einen völlig neuen Range Rover in rundlicheren Formen. Mit 224 PS starker Spitzenmotorisierung avancierte der bis 200 km/h flotte Range Rover MK2 zum schnellsten Großserien-Offroader der Welt, alternativ gab es unter anderem einen sparsamen 2,5-Liter-Sechszylinder-Selbstzünder von BMW. Es nützte nichts, die Enthusiasten liebten weiter den kantigen und bis 1996 angebotenen Klassiker MK1.
- Chronik
- Wichtige Motorisierungen
1951: Erste Entwürfe für einen Road Rover in Kombikarosserie mit 2WD-Antrieb
1953: Sogenannte Road Rover-Prototypen mit Hinterradantrieb gehen in einen dreijährigen Feldversuch. Die technische Basis liefert die Limousine Rover P4 mit Zwei-Liter-Vierzylinder-Maschine
1956: Der Road Rover II im Stil amerikanischer Kombis setzt auf eine Karosserie mit Aluminiumteilen, geht aber trotz mehrerer bis 1958 entstandener Versuchsfahrzeuge nicht in Serie
1966: Entwicklungsstart für die erste Range-Rover-Generation als 100-Inch-Station Wagon (der Radstand maß 99,9 Inch bzw. Zoll)
1967: Start dreijähriger Testfahrten in Großbritannien, Kanada und Finnland mit 25 Prototypen unter dem Tarnnamen Velar (Vee Eight Land Rover)
1969: Im Dezember rollen die ersten drei Vorserienexemplare des Range Rover MK1 vom Band
1970: Weltpremiere auf dem Autosalon Amsterdam, Pressepräsentation des Range Rover am 17. Juni. Erstes Großserienauto mit permanentem Allradantrieb. Verkaufsstart am 30. September. Bis Jahresende werden 1.576 Range Rover produziert
1972: Zwei Range Rover bewältigen als weltweit erste Automobile den Landweg von Alaska nach Chigorodo in Südamerika. Insgesamt benötigen die Range Rover für diese sogenannte Darien Cap Expedition 99 Tage
1973: Servolenkung serienmäßig
1974: Erfolgreiche Trans-Sahara-Fahrt für den Range Rover
1975: Erstmals übersteigt die Jahresproduktion 10.000 Einheiten
1976: Range Rover Super Deluxe mit Sonderlackierung, Klimaanlage, Stereo-Kassettenradio und sogenanntem GT-Lenkrad
1979: Range Rover gewinnt die Automobilwertung der ersten Paris-Dakar-Rallye
1980: Der Range Rover Monteverdi verfügt über eine viertürige Karosserie und wird bis 1982 im Auftrag von British Leyland in der Schweiz entwickelt und gebaut. Produktionszahl: 167 Einheiten, zwei Exemplare werden an das englische Königshaus geliefert. Eigens für den Schweizer Markt gibt es den Range Rover Novaswiss mit Rotomaster-Abgaslader und 205 PS Leistung
1981: Sieg bei der Paris-Dakar-Rallye.
1982: Der Range Rover ist ab Juli mit viertüriger Karosserie und vier elektrischen Fensterhebern lieferbar. Sondermodell „In Vogue“ nimmt spätere Spitzenversion „Vogue“ vorweg
1983: Der Land Rover 90/110 übernimmt die Fahrwerkstechnik des Range Rover. Beim Range Rover ist ab sofort ein Fünfgang-Getriebe Standard
1984: Motor jetzt auch als Einspritzer lieferbar
1986: Jetzt auch mit 2,6-Liter-Turbo-Diesel erhältlich. Vertriebsstart in Nordamerika. Erstmals werden weltweit mehr Range Rover als Land Rover verkauft
1987: Gründliches Facelift. Die Jahresproduktion übersteigt 20.000 Einheiten
1988: Serienanlauf für 3,9-Liter-V8-Benziner. Entwicklungsbeginn für die zweite Generation des Range Rover. Codenamen des Projekts waren Pegasus und P38a
1989: Mit 28.507 Einheiten erreicht der Range Rover MK1 sein bestes Verkaufsjahr
1992: Einführung des Range Rover LSE mit um 203 Millimeter verlängertem Radstand, Luftfederung und 4,2-Liter-V8
1994: Produktionsstart des Range Rover MK2 mit 2,75 Meter Radstand. Premiere des Range Rover MK2 am 29. September im Rahmen des Pariser Salons. Der Range Rover MK1 firmiert nun unter Range Rover Classic und erhält eine Auffrischung des Interieurdesigns einschließlich serienmäßigen Fahrer- und Beifahrerairbags
1996: Im Februar Produktionsauslauf des Range Rover Classic
2001: Vorstellung des Range Rover MK3 am 7. November
2002: Auf der Detroit Autoshow feiert der Range Rover MK3 am 11. Januar Publikumspremiere
2005: Neue V8-Kompressormotoren, TDV8 Diesel und Terrain Response-System. Vorstellung des Range Rover Sport
2011: Markteinführung des kompakten Range Rover Evoque
2012: Auf dem Pariser Salon feiert im September die vierte Generation des Range Rover Weltpremiere
2013: Deutsche Markteinführung des Range Rover MK4
Range Rover MK1 mit 3,5-Liter-V8-Benziner (93 kW/126 PS bzw. 97 kW/132 PS bzw. 99 kW/135 PS bzw. 120 kW/163 PS) bzw. mit 4,0-Liter-V8-Benziner (134 kW/182 PS) bzw. mit 4,3-Liter-V8-Benziner (149 kW/202 PS) bzw. mit 2,4-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel (78 kW/112 PS);
Range Rover MK2 mit 4,0-Liter-V8-Benziner (137 kW/186 PS bzw. mit 140 kW/190 PS) bzw. mit 4,6-Liter-V8-Benziner (165 kW/224 PS) bzw. mit 2,5-Liter-Sechszylinder-Turbodiesel (100 kW/136 PS);
Range Rover MK3 mit 4,4-Liter-V8-Benziner (210-225 kW/286-305 PS) bzw. mit 5,0-Liter-V8-Benziner (276 kW/375 PS) bzw. mit 4,2-Liter-V8-Kompressor-Benziner (291 kW/396 PS Leistung) bzw. mit 5,0-Liter-V8-Kompressor-Benziner (375 kW/510 PS) bzw. mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Turbodiesel (130 kW/177 PS) bzw. mit 3,6-Liter-V8-Turbodiesel (200 kW/272 PS) bzw. mit 4,4-Liter-V8-Turbodiesel (230 kW/313 PS);
Range Rover MK4 mit 5,0-l-Kompressor-V8-Benziner (375 kW/510 PS) bzw. mit 3,0-l-V6-Diesel (190 kW/258 PS) bzw. mit 4,4-l-V8-Diesel (250 kW/339 PS).
$("div#tabInfoboxContent").tabs();
Erst BMW, dann Ford, dann Tata
Nach nur sieben Jahren kam es deshalb erneut zum Wachwechsel: Der stets etwas nachlässig verarbeitet wirkende Range Rover MK2 wurde Ende 2001 ersetzt durch den Range Rover MK3. Ein burgartig massiv und massiger Alleskönner, entwickelt von BMW und angetrieben von BMW-Motoren. Die Presse pries diesen Range Rover als Rivalen für Rolls-Royce, allerdings hatte BMW Land Rover längst an die Premier Automotive Group des Ford-Konzerns veräußert. Als es 2008 zum vorerst letzten Eigentümerwechsel kam und die indische Tata-Gruppe das Ruder übernahm, hatte der größte Geländekreuzer von Land Rover Kinder bekommen. Seit 2005 zielt der Range Rover Sport gegen die größeren SUV, so wie heute der Range Rover Evoque in der feinen Kompaktklasse den Ton angeben möchte.
Die Kronjuwelen trägt aber weiter das Dickschiff, jetzt in vierter Generation. Der König der Geländekreuzer dient Monarchen und Machthabern, aber dank Spezialanfertigungen auch dem Schutz der Bürger als Katastrophen- und Rettungsfahrzeug. Was dem Range Rover erspart blieb, war eine echte militärische Karriere. Auch dies förderte seinen Nimbus und lässt seine Schwächen eher im Licht liebenswerter Schrullen erscheinen.