Vorbei an Bäumen, Mauern und Hecken schießen hier hochpotente Fahrzeuge durch die Kurven und häufig plötzlich einsetzender Regen oder Nebel erschwert das optimale Handling zusätzlich. Wir haben uns im Porsche 911 Carrera S zusammen mit einem Instruktor in die Grüne Hölle begeben, um den Mythos Nürburgring – und unsere eigenen Grenzen – besser kennen zu lernen. Helm auf, Motor an und los geht’s? Nein, so schnell kommen wir nicht auf die Strecke. Während der Boxer im Heck sich schonmal warm läuft, kontrolliert unser Rennstrecken-Guide erst noch die Sitzposition und checkt die Funkgeräte – hier wird nichts dem Zufall überlassen. Erst als alles passt, dürfen wir langsam zur Startlinie vorrollen. „Wir machen erstmal gemütlich, schließlich muss ich mich ja auch warmfahren“, so die erste, tiefstapelnde Einweisung des Instruktors. Nötig hat er das nämlich sicher nicht, der Rennfahrer vor uns kennt hier jede Kurve und jeden Baum beim Namen.
Für uns ist dagegen alles neu, wir kennen die Biegungen nur aus dem Fernsehen. Hochkonzentriert versuchen wir, die Ideallinie nachzufahren während unser Anführer auch noch Zeit hat, zum Plaudern: Jeder Streckenabschnitt wird mit einer kleinen Story angereichert, Anekdoten aus dem Rennfahrerleben und der Ring-Geschichte. Nach dem Ausgang der „Ex-Mühle“ erfahren wir, dass diese Kehre bei Rennfahrern nur Niki-Lauda-Kurve genannte wird – dies ist nämlich die Stelle, an der die Rennsportlegende vor 40 Jahren einen schweren Unfall hatte.
Schluss mit der Bummelei
Nachdem wir die ersten zwei Runden gemütlich absolviert haben, wird der Ton rauer und das Tempo zieht merklich an. Die Straße ist zum Glück immer noch trocken, was in der Eifel keine Selbstverständlichkeit ist, unsere Hände aber werden zunehmend feuchter. Sicher, der Ring ist nicht die erste Rennstrecke, die wir bezwingen, doch diese hat es wirklich in sich! Alleine die Länge ist eine Herausforderung für sich: 20 Kilometer höchste Konzentration, ehe man an der mehr oder weniger einzigen Gerade, der Döttinger Höhe, mal für einen kurzen Moment durchschnaufen darf.
Wie gut, dass uns wenigstens das Auto keine Probleme macht! Der Porsche 911 Carrera S ist ein bestens abgestimmter Sportler, der mit seinen 420 PS und 500 Newtonmeter Drehmoment in 4,1 Sekunden auf Tempo 100 sprintet und genug Power hat, um kraftvoll aus jeder Kurve herauszupreschen. Lenkung und Fahrwerk geben dem Fahrer jederzeit die perfekte Rückmeldung über die Fahrbahnbeschaffenheit – was in Anbetracht des teilweise maroden Belags des Nürburgrings von Vorteil ist! Fast immer aber krallt sich der Porsche im Asphalt fest wie Kaugummi im Profil der Schuhe. Wo anderen Teilnehmer das Heck ausbricht, bleibt der 911er gelassen und hält uns auf Kurs.
Ja, die Stuttgarter verstehen es, Autos zu bauen, die im Alltag komfortabel und auf der Rennstrecke höchstdynamisch sind. Und das mit einer wunderbaren Selbstverständlichkeit: Von der ersten Sekunde an gibt einem der Elfer das nötige Grundvertrauen, als wolle er sagen: „Ganz ruhig, ich weiß schon, wie ich mich in die Kurven zu werfen habe!“ Und so werden wir von Runde zu Runde immer mutiger, drücken das Gaspedal immer wieder schnell durch, um vor der nächsten Kurve mindestens genauso stark auf die fest zupackende Bremse zu gehen.
Wer viel Fährt, hat auch viel Hunger
Zwar legt unser Instruktor alle vier Runden eine kleine Pause ein, doch hat man dann ja auch schon wieder fast 90 Kilometer zurückgelegt. Und wer ununterbrochen mit geschärftem Geist unterwegs ist, der bekommt schnell Hunger: Ein Rennfahrer verbrennt bei einem Rennen etwa 3.000 Kalorien und verliert bis zu vier Liter Flüssigkeit! Und auch uns knurrt nach gut zweieinhalb Stunden gehörig der Magen. Zeit fürs Mittagessen in der Pistenklause, einer gastronomischen Institution am Ring, wo Profi-Rennfahrer und Mechaniker, Zuschauern und Rennstallbosse gemeinsam am Tisch sitzen – und in Erinnerungen schwelgen.
Weißt du noch, als wir uns damals festgefahren haben? An der einen Stelle sind wir doch mal in die Leitplanke gerast! Dort haben wir uns doch mal gedreht! Viele Erlebnisse kommen auf den Tisch, bei denen uns schon beim Zuhören flau im Magen wird. Doch die alteingesessenen Fahrer haben immer noch ihr Grinsen Gesicht. Denn: Angst darf man im Rennsport nicht haben – wohl aber eine gehörige Portion Respekt vor der Rennstrecke.
Es geht noch mehr
Gestärkt und vollgetankt geht es wieder auf die Rennstrecke. So langsam wissen wir auch ohne den Instruktor, wo wir einlenken, anbremsen und herausbeschleunigen müssen, und die Strecke wird mit jeder Runde vertrauter. Die schnellste Runde auf der Nordschleife schaffen wir in 08:55 Minuten und sind damit am Ende des Tages mächtig stolz auf uns. Trotzdem: Jetzt wollen wir nochmal sehen, wie es die Profis machen, und lassen uns eine Runde von unserem Instruktor über den Ring chauffieren.
Vorweg aber wollen wir wissen, wie viel Prozent an Leistung – und Können – er während unseres Trainings abgefragt hat. „Etwa 60 Prozent,“ sagt er schmunzelnd, und wir ahnen schon, was uns gleich erwartet! Und tatsächlich, während wir auf dem Beifahrersitz über den Nürburgring jagen, merken wir sofort, dass in dem Porsche 911 Carerra S noch deutlich mehr steckt, als wir gefordert haben – und fordern konnten. Und während wir als Sozius schon schwitzend dasitzen und versuchen, Haltung zu bewahren, bleibt der Rennfahrer am Steuer immer noch cool, und erzählt munter weiter seine Geschichten. Die Nordschleife trägt zu Recht den Beinamen „Grüne Hölle“. Die vielen verschiedenen Bodenbeschaffenheiten, die unzähligen, nicht einsehbaren Kurven, die teilweise extrem schmalen Streckenabschnitte und das Fehlen großzügiger Auslaufzonen sorgen in Kombination dafür, dass Mensch und Maschine im Höchstmaß gefordert werden – und das auf über 22 Kilometern pro Runde! Kommt dann noch wechselhaftes Eifelwetter ins Spiel, trennt sich ganz schnell die Spreu vom Weizen, denn während an der Döttinger Höhe noch die Sonne scheint, kann das Schwedenkreuz schon im Nebel versinken und am Brünnlein regnet es in Strömen. Auf der Nordschleife wird man ständig herausgefordert umzudenken und der Kurs verlangt in jeder Sekunde höchste Konzentration. Wer sich das zutraut, und den Mythos Nordschleife einmal selbst erleben will, kann dies fast täglich bei den sogenannten Touristenfahrten tun – mit dem eigenen Auto. Der flotte Spaß hat allerdings seinen Preis: Eine Runde kostet 29 Euro, vier kosten 105 Euro und neun gibt’s 220 Euro. Für Vielfahrer gibt es die Saisonkarte die für 1.900 Euro erhältlich ist. Aber Vorsicht: Nicht wenige haben sich dabei schon überschätzt und nicht selten ist der eigene Wagen am Ende nur noch Schrott. Besser ist es auf jeden Fall, sich mit einem Instruktor auf die Strecke zu begeben. Und dann sind auch die vielen, bunten Ring-Geschichten gratis dabei.