Das hat auch mit den anhaltenden Auswirkungen des Diesel-Skandals zu tun. Was ist das Problem?
Vor allem zwei miteinander verzahnte Neuregelungen bei der Verbrauchs- und Abgasmessung können für Verzögerungen sorgen. Zum einen muss der Spritverbrauch bei allen Neuwagen ab September nach einem neuen Prüfverfahren (nach der sogenannten WLTP-Norm) ermittelt und ausgewiesen werden. Offenbar sind jedoch die Prüfstandkapazitäten so knapp, dass die Autohersteller mit den Testläufen nicht rechtzeitig zum Stichtag fertig werden. Der Herstellerverband VDA rechnet damit, dass derzeit noch mehr als 500 Genehmigungsverfahren abgearbeitet werden müssen. Modelle, die noch nicht nach dem neuen Verfahren getestet sind, dürfen dann zunächst nicht mehr verkauft werden.
Hinzu kommt, dass ab September neue Grenzwerte für den Rußausstoß von Benzinern gelten. Autos mit Direkteinspritzung können diese in der Regel nur noch mit einem Partikelfilter erfüllen. Die nötige Produktionsumstellung führt ebenfalls zu Verzögerungen oder dazu, dass bestimmte Modelle gleich komplett aus der Produktion genommen werden. Verschärft wird das Problem noch durch die im kommenden Jahr für alle Neuwagen anstehende Einführung der RDE-Abgastests im realen Straßenverkehr, die in den Entwicklungsabteilungen der Hersteller zusätzlich für Stress sorgt.
Wer ist betroffen?
Von der Prüfstands-Knappheit im Zuge der WLTP-Umstellung sind potenziell fast alle Neuwagen betroffen. Eine Ausnahme sind neue Pkw-Typen, die seit dem vergangenen Herbst auf den Markt gekommen sind. Für sie galten die Vorgaben bereits, so dass sie direkt nach neuer Norm zertifiziert wurden.
Die zusätzliche Verzögerung durch die Rußfilter-Nachrüstung betrifft ausschließlich Neuwagen mit einem direkteinspritzenden Ottomotor. Das sind heutzutage allerdings die meisten Benziner, zu den Ausnahmen zählen vor allem Saugmotoren in Kleinwagen oder die Hybrid-Modelle von Toyota. Generell gilt aber: Dass es langanhaltende Lieferengpässe gibt, ist umso unwahrscheinlicher, je gängiger das Modell ist. Schon aus Eigeninteresse ziehen die Hersteller ihre Bestseller in der Prüfstands-Planung nach vorn, hintenüber fallen vor allem Varianten mit geringem Marktvolumen wie etwa Sportmodelle oder Benziner in großen Limousinen oder SUV.
Welche Autos sind konkret aktuell nicht zu bekommen?
Genaue Werte zur Zahl der Modelle mit Lieferengpässen gibt es nicht. Einige Medienquellen schätzen, dass es bei mehr als der Hälfte der Fahrzeugtypen Einschränkungen gibt. Allerdings stehen aktuell bei vielen Marken die Modelljahreswechsel und die jährlichen Werksferien an, die ebenfalls Einfluss auf die Verfügbarkeit haben können. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht die Situation in der Branche generell eher entspannt: „Ich geht nicht davon aus, dass die Lieferengpässe einen großen Einfluss auf die Neuzulassungsbilanz haben werden.“ Bis zum Jahresende seien die Verzögerungen wohl weitgehend aufgefangen.
Immer wieder werden aber Modelle bekannt, bei denen es ernstere Lieferschwierigkeiten oder sogar Auslieferungsstopps gibt. So hat beispielsweise BMW die Benziner-Varianten seines 7ers aufgrund der Rußfilter-Problematik vom Markt genommen, ähnliches hat Ford bei den Otto-Varianten seiner großen Vans getan. VW hat die Plug-in-Varianten von Golf und Passat gestoppt. Und bei Porsche sind zuletzt Verzögerungen bei Cayenne und Panamera bekannt geworden, die laut Medienberichten erst wieder im kommenden Frühjahr zu bekommen sind. Beim Sportwagen 911 startet die Auslieferung erst wieder im Herbst. Weniger Probleme gibt es offenbar bei Importmarken. Sie profitieren in diesem Falle wohl auch von ihrem weniger umfangreichen Motoren- und Modellangebot.
Wer ist schuld?
Der VDA sieht den Schwarzen Peter bei der Politik. Aktuell würden die Folgen der überhasteten Regulierung in Brüssel deutlich werden, heißt es in einer Mitteilung. Vor allem die WLTP-Homologation hat der Verband im Visier: Die Zertifizierung sei nicht nur für die Unternehmen neu, sondern auch für die technischen Dienste und die Typgenehmigungsbehörden. Zudem seien die Entwicklungskapazitäten der Hersteller und die Prüfstands-Kapazitäten der technischen Dienste und der Behörden begrenzt. Teilweise ist die Krise aber auch hausgemacht: Denn die EU hat nach dem Bekanntwerden des großangelegten Abgasbetrugs der Branche ab 2016 den Zeitplan für die Neuregelungen verschärft und auch generell die Zügel im Umgang mit der lange Zeit nachsichtig behandelten Autoindustrie angezogen. Dazu kommt, dass die Homologationsabteilungen der deutschen Autohersteller immer noch mit den Folgen des Abgasskandals ausgelastet sind. Für einen Großteil der aktuellen Lieferprobleme seien die Autobauer selbst verantwortlich, urteilt Dudenhöffer.
Was tun als Kunde?
Kunden sollten im Zweifel die Geduld bewahren, vor allem wenn sie einen Benziner kaufen wollen. Sich vom Autohändler das kurzfristig noch verfügbare Modell ohne Partikelfilter aufschwatzen zu lassen, ist keine gute Idee. Das Auto wäre schon im Herbst veraltet. Allein ob der Verbrauch nun schon nach WLTP-Standard ermittelt ist oder noch nach dem alten NEFZ-Verfahren, ist nicht entscheidend. Der Wert ändert sich zwar, auf den realen Spritdurst hat das jedoch keinen Einfluss. Idealerweise wählt man ein Modell mit der modernsten Abgasreinigung (Euro 6d-Temp), so hält man auch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fahrverbote gering. Allerdings haben noch längst nicht alle Hersteller entsprechende Modelle im Angebot, da sie erst im kommenden Jahr obligatorisch ist. (sp-x/hh/jms)