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Bericht: Mercedes-Benz Fahrsimulator – Übelkeit per Knopfdruck

Bereits 1985 hat Mercedes den ersten Fahrsimulator eingeweiht. Jetzt, ein Vierteljahrhundert später, wurde in Sindelfingen der weltweit leistungsfähigste Simulator in Betrieb genommen. Der soll die Testkilometer auf der Straße deutlich reduzieren. Der Preis: 40 Millionen Euro und ein flauer Magen.

Der neue Simulator in Sindelfingen ist Teil eines 160-Millionen-Euro-Investitionsprogramm; allein seine Kosten belaufen sich allein auf rund ein Viertel dieser Summe. Trotz der hohen Investition steckt in der Anlage großes Sparpotential, so Forschungssvorstand Weber. Zusammen mit weiteren Simulatoren und einem bald in Betrieb gehenden Windkanal soll sie die Entwicklungszeit zukünftiger Modelle deutlich verkürzen; derzeit legen Daimler-Erlkönige jährlich noch zehn bis zwanzig Millionen Testkilometer zurück. Ganz darauf verzichten wird man allerdings auch in der Zukunft nicht.

Virtuelle Welt

Im Moving-Base-Simulator nimmt der Testfahrer in einer realen Fahrzeugkabine Platz. Um in herum ist eine 360-Grad-Projektionsfläche, auf der die Fahrzeugumgebung, Straßenverkehr und Fußgänger dargestellt werden. Herzstück ist das so genannte Hexapoden, auf dem die Kuppel installiert ist: Ein elektrisch angetriebenes Sechsbein, das durch gezieltes Ein- oder Ausfahren einzelner Zylinder Längs- und Drehbewegungen auf die Fahrzeugkabine überträgt.

Das Hexapoden wiederum ist auf einem zwölf Meter langen Schienensystem installiert, mit dessen Hilfe sich Quer- und Längsbewegungen mit Geschwindigkeiten von bis zu zehn Metern pro Sekunde und mit bis zu 1G-Beschleunigung erzielen lassen. Selbst Doppelspurwechsel lassen sich damit realitätsnah simulieren.  

Reale Bewegung

Alle Aktionen des Fahrers, wie Gasgeben, Bremsen oder Lenken, werden an einen Hochleistungs-Computer weitergeleitet, der 1.000 mal pro Sekunde das Fahrverhalten des Autos berechnet und entsprechende Befehle an die Elektrik schickt. Die errechneten Fahrzeugbewegungen werden über das Bewegungssystem auf die Kabine übertragen und das virtuelle Fahrzeug verhält sich wie im richtigen Straßenverkehr: Beim Bremsen nickt es ein, beim Beschleunigen wird der Fahrer in den Sitz gedrückt und in Kurven zur Seite geschleudert.

Per Knopfdruck lassen sich aus dem raumfahrtähnlichen Kontrollzentrum alle möglichen Szenarien einstellen; egal ob Tag oder Nacht, Stadtverkehr oder Autobahn, Unfallszenen oder Einparkmanöver. Und auch das Auto selbst lässt sich mit nur einem Schalter umbauen. Saß man eben noch in einem Smart, kann man in der nächsten Sekunde die gleiche Strecke mit dem SLS fahren.

Vorher-Nachher

Darüber hinaus lassen sich verschiedene Entwicklungsstände problemlos simulieren. Bei unserer ersten virtuellen Testfahrt mit dem neuen CLS waren wir mit einem Prototypen im relativ frühen Entwicklungsstadium unterwegs. Nur einen Tastenruck später saßen wir im gleichen Fahrzeug, allerdings am Ende der digitalen Entwicklungsphase. Also dann, als die ersten Autos auf die Straße kamen.

Und siehe da: Der Unterschied war deutlich spürbar. War der erste virtuelle CLS noch eher träge und undynamisch, präsentierte sich die zweite Variante als deutlich agiler und besser kontrollierbar. Eine Entwicklung, die allein auf den Erfahrungen aus den Simulatoren aufbaute; ohne dass der Wagen auf der Straße getestet wurde.

Auch ohne Bewegung

Neben dem neu eingeweihten Vorzeige-Simulator verrichten in Sindelfingen weitere virtuelle Fahrzeuge ihren Dienst. Die sogenannten Fixed-Base-Simulatoren, bei denen sich die Fahrzeugkabine also nicht bewegt, sind zwar nicht ganz so realitätsnah, aber genauso wichtig für die Entwicklung. Dort lassen sich unter anderem Fahrerassistenzsysteme, Bedienkonzepte und sogar Soundsysteme testen. Bewegung kommt dagegen beim Ride-Simulator wieder ins Spiel, mit dem eine Fahrt über unebene Straßen simuliert wird, die die Probanden ordentlich durchschüttelt.

Neben den Ingenieuren dürfen in Sindelfingen übrigens auch immer wieder unerfahrene Otto-Normal-Verbraucher Platz nehmen, um Kundenwünsche und Bedürfnisse frühzeitig erkennen und in die Entwicklung einfließen lassen zu können.

Nichts für schwache Mägen

Die Testfahrer sollten aber keinen empfindlichen Magen haben: Denn während sich der neue Moving-Base-Simulator gefühlt vom realen Autofahren kaum unterscheidet und nur für ein wenig Magengrummeln sorgt, erzeugt das Zusammenspiel aus vorbeiziehender Landschaft, aber keinerlei Bewegung, in den Fixed-Base-Simulatoren Verwirrung im Gehirn – die teilweise zu ziemlich blassen Gesichtern führt. Aber: Wer forschen will, muss eben Opfer bringen.

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