Ganz anders bei der Peugeot 3er-Reihe, mit der die Franzosen in der Kompaktklasse seit 80 Jahren automobiles Neuland in Form und Funktion erobern und von der bisher über 14 Millionen Einheiten verkauft wurden. Nicht immer setzten sich geniale oder scheinbar verwegene Ideen wie die 1933 präsentierte Coupé-Cabriolet-Version des Peugeot 301 auf Anhieb durch. Letztlich aber gelang es der Löwenmarke mit den meisten Novitäten der Modelle 301 bis 308 zu punkten.
Entscheidend ist seit jeher der richtige Zeitpunkt für Revolutionen und auch dabei hatte Peugeot bislang fast immer eine glückliche Hand. So wurde der Peugeot 305 in den 1980er Jahren zum Millionenerfolg, weil er als nahezu einziger Kompaktklässler trotz moderner Technik am konservativen Stufenheck festhielt. Zu lange festgehalten hatte die Löwenmarke allerdings an Westeuropa als weltweit wichtigstem Absatzmarkt für den Konzern. Entsprechend groß ist nun die Herausforderung für neue Modelle wie den 301, der Ende dieses Jahres startet, um aufstrebende internationale Märkte zu erobern.
Kind der Krise
Ein Kind der Krise war bereits der Urvater der 3er-Baureihe. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise waren noch nicht bewältigt, als Peugeot vor 80 Jahren den ersten Typ 301 als Vorreiter kompakter Familienfahrzeuge einführte. Die Basis für die Baureihe 301 lieferte der Kleinwagen 201, den die Fachpresse als „Archetyp des modernen Automobils“ feierte. Vor allem die unabhängige Vorderradaufhängung, die mit dem 201 weltweit erstmals in Großserie ging, sorgte für Furore.
Ein Konzept, das der größere 301 ebenso übernahm wie die neuartigen Produktionsabläufe, bei denen Qualitätssicherung wichtiger war als Quantität. Die Käufer der Peugeot 201 und 301 jedenfalls lobten die Zuverlässigkeit der Kompakten und den im Vergleich zu Vorgängern und Wettbewerbern um bis zu fünf Mal geringeren Ersatzteilbedarf.
Variantenvielfalt
Vor allem aber präsentierte sich der Peugeot 301 in einer damals konkurrenzlosen Variantenvielfalt. Bis zu 20 verschiedene Karosserien waren werkseitig lieferbar, vom klassischen Viertürer bis zum mondänen Cabriolet, vom schicken, sogenannten Golf-Coupé bis zum sechssitzigen Van-Vorläufer Familiale und ab 1933 schließlich der 301 Eclipse als weltweit erstes Coupé-Cabriolet mit Metalldach. Schnell wurde die Dachkonstruktion des Eclipse zum „dernier cri“ aller modebewussten und wohlhabenden Pariser, aber auch zur Sensation auf den Automobilsalons von Berlin oder London. Ein Dach, das auf Knopfdruck im Kofferraum verschwand, galt damals als Gipfel des Luxus.
Auch der 1936 vorgestellte Peugeot 302 war Ausdruck des Avantgardismus. Zwar gab es die Eclipse-Versionen jetzt nur noch bei den größeren Reihen 401 und 402, dafür zeigte sich der 302 als erstes Kompaktklassemodell in Stromlinienform. Mit dem futuristischen Karosseriekleid triumphierte der relativ erschwingliche 302 als Limousine und Cabriolet sogar dort, wo sich sonst die Reichen und Schönen in Rolls-Royce oder Maybach ein Stelldichein gaben: Bei den elitärsten europäischen Concours d’Elegance. Geschickt konnte das Design der Haute Couture verbergen, das der Peugeot 302 eigentlich eine abgemagerte Sparausführung des größeren Modells 402 darstellte. Dennoch wurde der 302 nach nur zweijähriger Produktion eingestellt.
Lückenfüller
Eine Fortsetzung fand die kompakte Mittelklasse bei Peugeot erst im Jahr 1969. Jetzt lag es am Modell 304, die Rolle des Lückenfüllers zwischen dem kleineren Typ 204 und der stattlichen Limousine 404 zu übernehmen. Eine Aufgabe, die der 304 bravourös erledigte. So schrieb der vom 204 abgeleitete Kompakte Geschichte als erster Produktionsmillionär der Baureihe „3...“, dies als Limousine, Kombi, Coupé und Cabriolet. Sogar mit einem der weltweit ersten schelllaufenden, kleinen Dieselmotoren konnte der 304 konfiguriert werden. Damals noch eine Sensation, ab dem Golf Diesel und dem 1977 eingeführten Peugeot 305 eine Selbstverständlichkeit.
Keine Experimente lautete die Devise bei der Vorstellung des 305, der mit klassischem Kofferraum vorfuhr statt mit zeitgeistigem Fließheck und fünfter Tür. Wer den kompakten Peugeot als praktischen und familienfreundlichen Lademeister bevorzugte, musste den 1980 nachgeschobenen 305 Break (Kombi) bestellen. Die Entscheidung, an der Stufenheckkarosserie festzuhalten, war tollkühn in einer Zeit als alle kompakten Konkurrenten auf die Heckklappe setzten. Die Kunden jedoch schätzten Peugeots Konservatismus. Bis 1989 liefen über 1,9 Millionen Peugeot 305 vom Band, allerdings erhielt der 305 ab 1985 Verstärkung durch den Typ 309.
- Chronik
- Produktionszahlen
1932: Im März geht der Peugeot 301 als größere Ableitung des Kleinwagens 201 in Produktion. Weltpremiere auf dem Pariser Salon, Einführung auf wichtigen Exportmärkten im Herbst
1933: Das weltweit erste Coupé-Cabriolet mit versenkbarem Metalldach, der Peugeot 301 Eclipse, wird vorgestellt. Die Peugeot 301-Baureihe umfasst rund 20 Karosserievarianten, die ab Werk bestellbar sind 1934: Im September erfährt die Peugeot-Kompaktklasse eine gründliche Modellpflege (Typ 301 D)
1936: Im August läuft die Produktion des Peugeot 302 an mit stromlinienförmigem Design. Der 302 ist Nachfolger des 301, technisch basiert er auf dem größeren Modell 402. Die Karosserieauswahl reduziert sich auf Limousine, Luxus-Limousine und Cabriolet
1969: Als Nachfolger des drei Jahre zuvor eingestellten Peugeot 403 wird der Typ 304 vorgestellt, der die Lücke zwischen den Modellen 204 und 404 füllen soll. Abgeleitet wurde der 304 vom kleineren 204
1970: Im April Händlerpremiere für die Typen 304 Cabriolet und 304 Coupé, die zugleich die Nachfolge der kleineren Schwestermodelle 204 Cabriolet und 204 Coupé antraten
1975: Produktionsende für 304 Cabriolet und Coupé. Facelift für 304 Limousine und Break (Kombi). Zum Modelljahr 1976 auch mit Dieselmotor lieferbar
1977: Im Oktober wird der Peugeot 305 als Limousine vorgestellt
1978: Ab Sommer ist der 304 in Deutschland nur noch als Break lieferbar
1980: Einstellung des 304 Break, nachdem der 305 Break auf dem Genfer Salon Weltpremiere feierte. Auf Basis des Peugeot 305 GR wird das Konzeptfahrzeug VERA vorgestellt, das durch aerodynamischen Feinschliff und Leichtbaumethoden einen Verbrauchsvorteil von 27 Prozent gegenüber dem Serienmodell erzielt. VERA 01 folgt 1981 und begnügt sich mit 4,6 Liter Diesel pro 100 Kilometer. Dies entspricht einer Verbrauchsreduzierung um 30 Prozent gegenüber dem Serienauto
1982: Facelift für die Baureihe 305
1985: Auf der IAA feiert das Concept Car VERA Profil Premiere, abgeleitet vom Peugeot 309. Dank Dieseldirekteinspritzer und einem Cw-Wert von 0,22 begnügt sich der Profil mit 2,7 Liter Diesel pro 100 Kilometer bei Tempo 90. Im Oktober geht der Peugeot 309 in Serie. Ursprünglich sollte der 309 als Talbot Arizona die Nachfolge des Talbot Horizon antreten
1987: Im Februar werden die dreitürigen Versionen des Peugeot 309 in Deutschland eingeführt
1988: Nach der Einführung des größeren Peugeot 405 läuft der Export des 305 allmählich aus
1989: Produktionsende für den Peugeot 305 und Facelift für den 309
1993: Auf dem Genfer Salon feiert der Peugeot 306 Weltpremiere. Die Baureihe 309 wird dadurch ersetzt. Im Sommer wird das 306 Cabriolet vorgestellt, die Produktion erfolgt bei Pininfarina
1996: Facelift für den Peugeot 306, insgesamt sind jetzt fünf Karosserievarianten lieferbar
2001: Debüt für den Peugeot 307, die deutsche Markteinführung folgt im Herbst
2002: Weltpremiere für den 307 SW (Hochdachkombi) im März in Genf. Der einfacher ausgestattete 307 Break wird im April auf der AMI Leipzig vorgestellt. Als Studie debütiert der 307 CC auf dem Pariser Salon
2003: Auf dem Genfer Salon wird die Serienversion des 307 CC präsentiert
2007: Zeitgleich zur Weltpremiere auf der IAA Frankfurt deutsche Markteinführung des Peugeot 308
2008: Einführung des 308 SW im Mai nach der Weltpremiere in Genf. Auf dem Pariser Salon debütiert der 308 CC
2009: Serienstart für den 3008 im Juni. Auf der Frankfurter IAA feiert der 3008 Hybrid4 als erstes Serienauto mit Dieselhybridantrieb Debüt
2011: Im Juni Modellpflege für den Peugeot 308. Im Dezember Serienanlauf für den 3008 Hybrid4
2012: Im September wird der Peugeot 301 vorgestellt als Modell für aufstrebende Wachstumsmärkte
Peugeot 301 (1932-1936) insgesamt 70.497 Einheiten
Peugeot 302 (1936-1938) insgesamt 25.083 Einheiten
Peugeot 304 (1969-1980) insgesamt 1.178.423 Einheiten
Peugeot 305 (1977-1989) insgesamt 1.905.899 Einheiten
Peugeot 309 (1986-1993) insgesamt 1.627.800 Einheiten
Peugeot 306 (1993-2002) insgesamt 2.846.000 Einheiten
Peugeot 307 (2001-2008) insgesamt 4.574.831 Einheiten
Bis 2008 insgesamt 12.228.533 Einheiten
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Golf-Herausforderer
Entwickelt worden war der Peugeot 309 zunächst als Talbot Arizona. Nachdem die marode Peugeot-Tochtermarke Talbot 1986 eingestellt werden sollte, leistete das drei- und fünftürige Schrägheckmodell dem Peugeot 305 Schützenhilfe in der immer heftiger umkämpften Kompaktklasse. Obwohl zeitlebens ungeliebtes Stiefkind der Löwenmarke wurden vom Peugeot 309 doch über 1,6 Millionen Einheiten verkauft, die bis heute im Straßenbild präsent sind. Erster erklärter Golf-Herausforderer wurde im Jahr 1993 der Peugeot 306. „Der Rivale“, so verkündeten die Werbeplakate, bot mehr Platz als der Golf, wartete mit modernsten Common-Rail-Dieseln auf und trat in gleich fünf Karosserieformen an.
Die 306 Stufenhecklimousine ersetzte den Peugeot 305, der Kombi kleidete sich in italienischem Chic, die Drei- und Fünftürer zeigten sich eleganter als VW Golf oder Opel Astra und das bügelfreie Cabriolet avancierte zum vielfach preisgekrönten Designjuwel unter den Sonnenanbetern. Altmeister Pininfarina hatte der von ihm gezeichneten und produzierten Faltdachversion ein extra langes Heck und gewölbte hintere Radkästen spendiert. Die erste Produktionsmillion erreichte der 306 rascher als bis dahin jeder andere Peugeot – und dennoch konnte er es in den Stückzahlen weder mit VW Golf noch mit Opel Astra aufnehmen.
Große Erwartungen
Entsprechend groß waren die Erwartungen an den Peugeot 307, der als neuartige Hochdachkonstruktion 2001 seine Weltpremiere zelebrierte. Tatsächlich gelang es dem 307, sich von Golf, Astra und Focus zu differenzieren anstatt die Klassiker zu imitieren. Als drei- und fünftüriger Crossover zwischen konventioneller Kompaktlimousine und Minivan, mit bis zu siebensitziger Kombiversion SW sowie als erstes Coupé-Cabriolet der Kompaktklasse gelang dem 307 die Krönung der Baureihe „3...“. Rund 4,6 Millionen Einheiten des 307 wurden in gut sechs Jahren verkauft, in Relation zur Produktionszeit ein Rekordwert nicht nur für Peugeot. Letztlich konnten nicht einmal diverse Qualitätsprobleme den Erfolg des 307 entscheidend einbremsen.
Dafür konnte der 2007 eingeführte Peugeot 308 die großen Stückzahlen seines Vorgängers nicht fortschreiben. Da half auch die Unterstützung durch den ersten echten Peugeot-Crossover, den 3008 aus dem Jahr 2009, nicht. Dennoch gelang es dem 3008 seine eigene Geschichte zu schreiben, zumal er als 3008 Hybrid4 der weltweit erste Dieselhybrid war. Nicht verhindern konnten 308 und 3008 den Absatzeinbruch für Peugeot auf dem kriselnden westeuropäischen Markt. Rettungswagen für die Marke soll deshalb ein neuer 301 für Wachstumsmärkte sein, ganz so wie am Anfang der Reihe „3...“ als mit dem ersten 301 der Sprung aus der Depression gelang. (mg/sp-x)