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Bericht: 45 Jahre Renault 16 – Die Zukunft im Rücken

Sie vereinen Form und Funktion auf die vielleicht schönste Art und sind als Audi A7, Aston Martin Rapide, Mercedes CLS oder etwa Tesla S gefeierte Stars auf Boulevards und Salons.

Elegante Fließhecklimousinen, mit und ohne praktische Heckklappe, erleben eine Renaissance und besinnen sich dabei auf eine Tradition, die einst vom Renault 16 begründet wurde.
1965 brachten die Franzosen mit diesem Modell den automobilen Rücken ins Verzücken. Das elegante Fließheck des Renault 16 brach mit der kantigen, bis dahin nicht selten lieblos oder schwülstig gestalteten Stufe im Heck. Diese Formgebung setzte einen Kontrapunkt zum Konservatismus von Peugeot, Mercedes, Fiat oder anderen Volumenherstellern, aber auch zur abgehobenen Avantgarde von Citroen DS und der bereits in Entwicklung befindlichen Wankellimousine NSU Ro 80.

Der Renault 16 mit Heckklappe, variablem Innenraum und damals noch innovativem Frontantrieb  galt als ultimativ schickes Raumwunder, von dem in 16 Jahren über 1,8 Millionen Einheiten verkauft wurden. Nur selten in der Automobilgeschichte wurde formaler Mut von Kunden so sehr belohnt. Für Furore sorgte auch der neue 1,5-Liter-Leichtmetall-Vier-Zylinder, besonders in schnellen Sportwagen von Alpine und Lotus. Im Renault 16 begnügte er sich zunächst mit 55 PS, damals aber bereits genug, um zum Trendsetter für fünftürige Familienautos und zum Favoriten von Filmstars, Intellektuellen und Politikern aufzusteigen. Sogar zum Medienstar avancierte der vielseitige Renault durch über 360 Rollen in Film- und Fernsehproduktionen – eine Popularität, die sogar 30 Jahre nach Produktionsstopp andauert.

In Deutschland auf Erfolgsspur

„Eine Ohrfeige für die deutsche Autotechnik“ kommentierte ein Fachmedium in einer zehnseitigen Sonderveröffentlichung zum Markstart des Renault 16. Tatsächlich fanden hierzulande bis 1980 nicht weniger als 247.510 Einheiten des Revolutionärs einen Käufer: Der aufregende Cocktail R16 mit den Zutaten Variabilität, moderne Antriebe, Wirtschaftlichkeit und einem Hauch avantgardistischen Oberklasse-Flairs konnte sich durchsetzen gegen die biederen Rezepte deutscher Großserienprodukte mit Stufenheck und Hinterradantrieb. Passend dazu wurde die im neu errichteten Werk Le Havre-Sandouville gefertigte Schräghecklimousine mit dem Titel „Auto des Jahres 1965“ geadelt. Eine Auszeichnung, die in jenen Jahren vorwiegend automobile Technologieträger erhielten.

In Auftrag gegeben hatte das französische Familienmodell fünf Jahre zuvor der damalige Renault-Präsident Pierre Dreyfus. Kurz vor der Premiere des ebenfalls revolutionären Volksautos Renault 4 entschied sich Dreyfus für die Übertragung des Heckklappenkonzepts auf die Mittelklasse. Realisiert wurde die gestalterische Herausforderung von dem 31 Jahre alten Nachwuchsdesigner Gaston Juchet, der als junger Wilder im Bureau de Style eine Linie zwischen den Silhouetten von Limousine und Kombi zeichnete und damit das moderne Schrägheck mit großer Klappe kreierte. Fast nebenbei ergaben sich dabei die ebenso markanten wie stabilen Dachholme und ein für die frühe Heckklappenfraktion vorbildlicher cW-Wert von 0,39.

Inspirierende Sitzlandschaft

Vollkommen neu war aber auch das variable Interieur. Der Renault überraschte mit einer Sitzlandschaft, die eine noch nie da gewesene Vielfalt an Konfigurationen ermöglichte: Die Rücksitze ließen sich nicht nur umklappen oder herausnehmen, sondern auch um bis zu 15 Zentimeter verschieben. Die Rückenlehne konnte nach dem Herausnehmen sogar unter dem Dachhimmel verstaut und die Sitzkissen nach vorne gekippt werden - eine Variabilität, die sogar den genialen Automobilkonstrukteur Sir Alec Issigonis inspirierte und die auf die Weiterentwicklung des Jahrhundertkleinwagens Mini (1959) zum Maxi (1969) als Renault-16-Rivalen Einfluss genommen haben soll. Der legendäre Rennfahrer Stirling Moss forderte dennoch alle Ingenieure in seiner britischen Heimat auf, sich einen Renault 16 zu beschaffen, um zu sehen wie das in Moss’ Augen am intelligentesten konstruierte Automobil im Detail zusammengebaut war.

Eine eher kurioses Detail war der gewaltige Radstand des 4,23 Meter messenden größten Renault: Rechts maß er 2,65 Meter, links dagegen 2,717 Meter. Die hintereinander platzierten Drehstäbe an der Hinterachse erzwangen diese ungewöhnliche Lösung, die zuvor bereits beim Renault 4 realisiert worden war.  Vollkommen neu war dagegen der aus Aluminium gefertigte Motorblock, der zunächst nur 55 PS auf die Vorderräder übertrug, aber von der zeitgenössischen Fachpresse ob seiner Laufkultur und Elastizität Bestnoten erhielt.

Schnell, schneller, Alpine

Außerdem präsentierte sich der 1,5-Liter-Vier-Zylinder als ideale Basis für eine Karriere auf schnellen Straßen und Strecken. Sportspezialist Amedée Gordini entwickelte einen Querstrom-Zylinderkopf mit hemispärischen Brennräumen und V-förmig hängenden Ventilen. Derart aufgerüstet hielt das R16-Triebwerk Einzug in den kleinen Kunststoff-Flitzern von Alpine – und im spektakulär gezeichneten Mittelmotor-Racer Lotus Europa aus der englischen Kleinserien-Manufaktur und Formel-1-Schmiede. Die Alpine-Sportwagen wurden dagegen ab 1965 über das Renault-Händlernetz vertrieben und sammelten nicht zuletzt mit Renault-16-Motoren in A110-Coupés Rallye- und Rennerfolge. In der futuristischen Alpine A310 setzte das R16-TX-Aggregat bis zu 124 PS frei, stolze 200 PS sollen es im Wettbewerb gewesen sein.

Im Vergleich dazu muteten die 83 PS im 1968 lancierten Spitzenmodell Renault 16 TS geradezu bescheiden an, 165 km/h Höchstgeschwindigkeit galten in der Mittelklasse jener Jahre allerdings bereits als sportlicher Wert. Hinzu kamen sportive Ausstattungsdetails wie Drehzahlmesser und Zusatzscheinwerfer und noch ungewöhnlicher Luxus in Form von heizbarer Heckscheibe und elektrischen Fensterhebern, eines elektrischen Schiebedachs und sanft schaltender Getriebeautomatik.

  • Chronik
  • Ausgewählte Preise
  • Motorisierungen

1961: Renault-Präsident Pierre Dreyfus gibt die Entwicklung des Projekts 115 für ein neues Renault-Flaggschiff für Familien frei

1962-1965: Prototypen mit unterschiedlichen Designs werden vorgestellt, darunter auch eine Stufenhecklimousine und ein Coupé

1964: Im Dezember läuft eine Vorserie des Renault 16 im neu errichteten Werk Sandouville vom Band. Außerdem erste Vorpremiere

1965: Weltpremiere feiert der Renault 16 im März auf dem Genfer Automobilsalon

1966: Zum Modelljahr 1967 werden Instrumententafel und Interieurdetails modifiziert

1969: Auf dem Genfer Salon debütiert der Renault 16 TA mit Drei-Gang-Automatik und 71-SAE-PS starkem 1,6-Liter-Motor aus dem 16 TS

1970: Zum Modelljahr 1971 erhält der R16 eine gründliche Modellpflege mit modifizierter Heckgestaltung. Der 1,5-Liter-Motor wird aus dem Programm genommen

1973: Zum Modelljahr 1974 zahlreiche Detailmodifikationen und neues Spitzemodell 16 TX mit fast quadratischen Doppelscheinwerfern, Fünf-Gang-Getriebe und 1647-ccm-Motor mit 93 PS Leistung

1974: Letzte auffällige optische Modifikation beim R16 ist ein mattschwarzer Kühlergrill zum Modelljahr 1975

1975: Auf dem Genfer Salon feiert das Sechs-Zylinder-Modell R 30 als neues Renault-Flaggschiff Weltpremiere. Zum Jahresende gibt es die Fließhecklimousine als R20 auch mit Vier-Zylinder-Motor

1976: Ab Modelljahr 1977 entfallen bis auf den R16 TX fast alle Versionen

1980: Im Januar endet die R16-Produktion nach über 1,8 Millionen Einheiten  

Renault 16 Luxe (1966): ab 7.640 Mark

Renault 16 Grand Luxe (1967): ab 7.985 Mark

Renault 16 TS (1969): ab 8.979 Mark

Renault 16 Luxe (1970): ab 7.847 Mark

Renault 16 TA (1970): ab 9.130 Mark

Renault 16 TL (1973): ab 9.825 Mark

Renault 16 TS (1973): ab 10.625 Mark

Renault 16 TX (1976): ab 14.950 Mark

Renault 20 TL (1976): ab 15.950 Mark

Renault 30 TS (1976): ab 20.800 Mark

Renault 16 TX Automatic (1979): ab 17.250 Mark

Renault 16 mit 1,5-Liter-(55 PS)-Benziner (1965-1970) bzw. 1,6-Liter-(55 PS bzw. 65 PS bzw. 67 PS bzw. 83 PS)-Benziner (1968-1980) bzw. 1,65-Liter-(93 PS)-Benziner

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        ## Achtungserfolg in den USA

Derart aufgerüstet schien der Renault 16 sogar fit für einen Karrieresprung nach Nordamerika, wo Renault zehn Jahre zuvor eine empfindliche Niederlage eingesteckt hatte. Mehr als Achtungserfolge konnten die Franzosen aber auch diesmal nicht erringen. Anders in der Alten Welt. Hier baute Renault sein Image als Innovationsträger und Generalist mit Modellen für gehobene Ansprüche aus. Zunächst mit weiteren Varianten des scheinbar ewig jungen R16, der zum Modelljahr 1974 als TX mit auf 1.647 ccm vergrößertem Hubraum und 93 PS Leistung sowie auffälligen Doppelscheinwerfen vorfuhr.

Auf dem Genfer Salon 1975 setzte der Staatskonzern dann mit der avantgardistischen Fließhecklimousine R30 neue Akzente in der Oberklasse. Der große Sechs-Zylinder übertrug die vom Renault 16 begründete Schrägheckidee in eine sachlichere Formensprache, die ab Modelljahr 1976 auch das Vier-Zylinder-Modell Renault 20 kennzeichnete. Trotz dieser Nachfolger wurde der R16 noch jahrelang parallel gebaut, erst im Januar 1980 endete die Produktion des Millionenerfolgs.  

Ein Gran Turismo für vier bis fünf Passagiere und großes Gepäck, für die Fahrt auf Croisette oder zum Boulevardbummel auf den Champs-Elysees, zum Supermarkt oder einfach nur, um das Leben zu genießen, so oder ähnlich lauten die meisten Entwicklungsvorgaben für aktuelle Premium-Fließhecklimousinen. Der Renault 16 erfüllte diese Bedingungen bereits vor 45 Jahren – und ist dennoch ohne aktuellen Nachfolger im Zeichen des Rhombus. Oberhalb des Laguna versuchen die Franzosen künftig mit der konservativen Stufenhecklimousine Latitude ihr Glück. Vielleicht dient der Latitude aber auch nur als Platzhalter – bis sich die Grande Nation und auch Renault der alten Stärke in den großen Klassen besinnt. (sp-x)

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