Auch in Deutschland konnten die Kleinwagen von Opel oder Ford dem klassenlosen Käfer nicht ernsthaft gefährlich werden, der gerade in neuen großen Kleidern als Typ 1303 vorgestellt wurde. Noch schien die Konkurrenz harmlos. Doch die düsteren Schatten kündeten bereits von bedrohlichem Unheil auf sich wandelnden Märkten. Aber erst einmal feierte Volkswagen den Titel des Produktionsweltmeisters: Mit 15.007.034 Einheiten löste der Käfer den bis dato gültigen Produktionsrekord des Ford Model T ab. Ein neuer Schlag gegen Amerika, das aber eine scharfe Replik nach Europa sandte. So verlangte eine US-Gesetzesvorlage scharfe Sicherheitsvorschriften, die aufwändige und kostspielige Modifikationen auch an allen europäischen Import-Fahrzeugen nach sich ziehen würden.
Anlass für VW den erst zwei Jahre zuvor eingeführten Super-Käfer 1302 zum optisch noch mächtigeren 1303 aufzublasen. 95 Änderungen kündigte Volkswagen für den 1302 zum Modelljahr 1973 an, wenig im Vergleich zur heutigen Zahleninflation bei den regelmäßigen Fahrzeug-Updates. Damals aber wirkte der VW 1303 – nicht zuletzt dank der neuen Typennummer – bereits wie ein neuer Käfer.
Der Golf stand schon in den Startlöchern
Was vor vierzig Jahren kaum jemand wusste oder wahrhaben wollte: Es wurde der letzte neue Käfer vor dem Golf. Der 1303 bewirkte ein letztes Aufbäumen gegen den Zeitgeist, der luftgekühlte Heckmotoren in den Ruhestand schickte und immer nachdrücklicher moderne Frontantriebskonstruktionen mit praktischer Heckklappe verlangte.
So war der 1303 bereits zum Produktionsstart heftig umstritten. Alle Fans sahen in dem größten Käfer aller Zeiten den glanzvollen Karrierehöhepunkt der bis dahin meistproduzierten Modellreihe der Welt. Kritiker wollten in dem Super-Käfer dagegen eine Karikatur des ursprünglichen VW-Konzepts klassenloser automobiler Basismotorisierung erkennen und verwiesen zudem auf sparsamere und modernere Kompaktmodelle der Konkurrenz. Der Blick in den Rückspiegel gibt beiden Seiten recht: Mit 916.000 Einheiten in knapp drei Jahren erzielte der größte und kostspieligste Käfer aller Zeiten einen beachtlichen Erfolg, zumal Karossier Karmann das 1303 Cabriolet sogar bis 1980 fertigte. Nicht wenige Liebhaber der letzten neuen Käfer Cabriolets ließen ihren 1303 sofort konservieren und einlagern für die Ewigkeit, solch eine Zuneigung hatte bis dahin kein anderes eingestelltes Massenmobil erfahren.
Chancenloses Urgestein
Andererseits zeigten die abstürzenden Verkaufszahlen des 1303 nach der 1974 erfolgten Einführung des Golf: Das Neue (scheinbar Bessere) ist des Alten (und Überholten) Feind. Nicht nur in zeitgenössischen Vergleichstests war der 1303 chancenlos gegen den Golf. Ein Phänomen, das ab 1975 auch der Käfer 1200 erlebte, dem (der vom Audi 50 abgeleitete) Polo keine Chance ließ. Während der Käfer hierzulande ab Mitte der 1970er Jahre allmählich vom Helden des Alltags zum Teileträger auf Schrottplätzen mutierte, blieb der „Bug“ beziehungsweise „Beetle“ in den USA auch als Gebrauchtwagen Kult und ein Erfolg, den die Wolfsburger bis heute mit keinem Nachfolger wiederholen konnten.
Amerika hatte eben schon immer seine eigenen Gesetze, wie Volkswagen auch Anfang der 1970er Jahre erlebte. Damals verlangte eine neue Gesetzesvorlage von Fahrer und Beifahrer einen Mindestabstand zur Windschutzscheibe bei in einer bestimmten Sitzposition mit nach vorne gebeugtem Körper. Eine Auflage, der die bisherigen Käfer-Modelle nicht gerecht wurden und so entwickelte Volkswagen für seinen wichtigsten Exportmarkt bis 1972 eine neue Evolutionsstufe des gerade erst eingeführten Typs 1302. Eine auffällig gewölbte Panoramascheibe sollte die künftigen US-Vorschriften erfüllen, dagegen prägten große, weithin sichtbare, sogenannte Dreikammer-Rückleuchten das Heck. Überdimensionierte Leuchten, die von Liebhabern wie Kritikern schon bald „Elefantenfüße“ genannt wurden.
Der Wille Amerikas
Amerikanisches „Full-Size“-Format prägte auch im Innenraum, denn hier hielt ein großer gepolsterter Instrumententräger Einzug. Außerdem entschärften neue Kipp- statt Zugschalter das Verletzungsrisiko bei Frontalkollisionen. Das Käfer-untypische aufwändige Fahrwerk mit McPherson-Federbeinen vorn und Doppelgelenk-Hinterachse übernahm der 1303 ebenso wie die Motoren dagegen kaum verändert vom Vorgänger. Für flotten Vortrieb sorgte ein 50 PS starker und durchzugskräftiger 1,6-Liter-Vierzylinder, der 106 Newtonmeter Drehmoment schon bei 2.800 Touren bereitstellte. Damals beachtliche Daten, lieferte doch etwa der 1973 eingeführte neue Opel Kadett C mit 52 PS Leistung ein Viertel weniger Drehmoment trotz deutlich höherer Drehzahlen.
Wem der Normverbrauch von 9,2 Litern auf 100 Kilometer (bei Leistungsabruf waren es deutlich über zehn Liter) für den stärksten Käfer aller Zeiten zu hoch war, konnte auch eine genügsamere 1,3-Liter-Version mit 44 PS bestellen. Passend zur Ende 1973 einsetzenden ersten Ölkrise rundete die Sparversion 1303 A mit 1,2-Liter-Boxer und 34 PS Leistung aus dem VW 1200 das Angebot nach unten ab. Das kultige Lifestyle-Modell von Karmann, das 1303 Cabriolet, war dagegen ausschließlich mit der 50-PS-Spitzenmotorisierung lieferbar. Dies passte zur Sonderstellung, die der viersitzige Sonnenanbeter Ende der 1970er Jahre in Deutschland besaß: Damals präsentierte sich das Käfer Cabriolet als einzige viersitzige Frischluftalternative zum Rolls-Royce Corniche.
- Chronik
- Wichtige Motoren
- Preise
1972: Im August erfolgt der Markstart des VW 1303 als Nachfolger des Typs 1302. Erkennungszeichen sind die gewölbte Panoramafrontscheibe und große Drei-Kammer-Rückleuchten, von Fans und Kritikern scherzhaft „Elefantenfüße“ genannt. Zunächst sind zwei Motorisierungen lieferbar mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Motor und 1,6-Liter-Vierzylinderaggregat. Das 1303 LS Cabriolet ist nur mit der Spitzenmotorisierung erhältlich
1973: Neu ist der VW 1303 A mit 1,2-Liter-Vierzylinder-Motor und nur 25 kW/34 PS Leistung. Erkennungszeichen des 1303 A sind schwarze Zierelemente. Ab Januar Vertriebsstart des Sondermodells „Gelb-schwarzer Renner“ mit 1,6-Liter-Maschine in einer Auflage von 3.500 Einheiten. Ab März Sonderserie „Ein Käfer auf Extratour“ anlässlich des Starts des gleichnamigen Kinofilms. Kurz vor der Frankfurter IAA Vorstellung der Sondermodelle „City-Käfer“ mit 1,3-Liter-Motor und „Big-Käfer“ mit 1,6-Liter-Motor. Ab Dezember Sondermodell „Winterkäfer“, abgeleitet vom 1303 S. Zum Modelljahr 1974 Einführung eines spurkorrigierenden negativen Lenkrollradius
1974: Vorstellung des VW Golf, der zum Nachfolger des VW 1303 avanciert. Anlässlich der Fußball-WM in Deutschland gibt es eine Sonderverkaufsaktion mit WM-Käfern. Jeder Spieler der Nationalmannschaft erhielt zum WM-Gewinn ein 1303 LS Cabriolet. Straffung des Modellprogramms im Herbst. Die Ausstattungsversionen L, S und LS entfallen. Blinker in den vorderen Stoßstangen, Einführung von Zahnstangenlenkung. US-Versionen mit Katalysator. Sondermodell „Sun Bug“ für die USA in goldfarbener Lackierung als Limousine und als Cabriolet
1975: Einführung des Kleinwagens VW Polo, der die neue VW-Frontmotor- und Frontantriebspalette nach unten abrundet. Am 30.06. endet die Produktion des 1303 für die europäischen Märkte. Bis Oktober läuft die Produktion des Sondermodells „The Big Bug“ für den nordamerikanischen Markt. Die Fertigung des VW 1303 endet nach insgesamt 916.713 Einheiten
1980: Produktionseinstellung des 1303 Cabriolets. Nachfolger wird das Golf Cabrio
Volkswagen 1303 A (ab Modelljahr 1974) mit 1,2-Liter-Boxer-Vierzylinder-Motor (25 kW/34 PS)
Volkswagen 1303 (ab Modelljahr 1973) mit 1,3-Liter-Boxer-Vierzylinder-Motor (32 kW/44 PS)
Volkswagen 1303 S/LS/Cabriolet (ab Modelljahr 1973) mit 1,6-Liter-Boxer-Vierzylinder-Motor (37 kW/50 PS)
Volkswagen 1303 (44 PS) ab 6.690 Mark (1972)
Volkswagen 1303 S (50 PS) ab 6.890 Mark (1972)
Volkswagen 1303 LS Cabriolet (50 PS) ab 9.610 Mark (1972)
Volkswagen 1303 A (34 PS) ab 6.640 Mark (1973)
Volkswagen 1303 (44 PS) ab 6.990 Mark (1973)
Volkswagen 1303 L (44 PS) ab 7.255 Mark (1973)
Volkswagen 1303 S (50 PS) ab 7.220 Mark (1973)
Volkswagen 1303 LS (50 PS) ab 7.465 Mark (1973)
Volkswagen 1303 S (50 PS) Sondermodell „Gelb-schwarzer Renner“ ab 7.650 Mark (1973)
Volkswagen 1303 LS Cabriolet (50 PS) ab 9.690 Mark (1973)
Volkswagen 1303 Cabriolet (50 PS) ab 14.245 Mark (1979)
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## Später Erfolg mit dem Cabriolet
Allein das 1303 Cabriolet schaffte es auch, seine Erfolgsgeschichte nach 1974, dem Geburtsjahr des Golf, fortzuschreiben. Tatsächlich fand der nunmehr nostalgisch anmutende offene Käfer sogar Käufer unter der Generation Golf, die einen luftigen Zweitwagen suchten. Alle anderen 1303 verabschiedeten sich im Sommer 1975 von der Bühne, das konnten nicht einmal regelmäßig lancierte Sondermodelle verhindern. Erstes Editionsmodell mit Kultcharakter war der Anfang 1973 eingeführte 1303 S „Gelb-schwarzer Renner“. Die namensgebende saturngelbe Lackierung mit mattschwarzen Hauben sorgte für einen betont sportlichen Auftritt ähnlich den damals populären Ford RS-Serien oder Opel Rallye-Kadett.
Für Aufsehen bei der Frankfurter IAA sorgten die auffällig lackierten 1303-Sondermodelle „City-Käfer“ mit 1,3-Liter-Motor und „Big-Käfer“ mit 1,6-Liter-Motor. Nicht der kurz zuvor vorgestellte Golf, sondern der VW 1303 machte im Sommer 1974 anlässlich der in Deutschland ausgetragenen Fußball-WM Schlagzeilen: Jeder Spieler der Nationalmannschaft erhielt zum WM-Titelgewinn ein 1303 LS Cabriolet, dazu passend gab es eine Sonderverkaufsaktion mit sogenannten WM-Käfern.
Zum Abschied Gold
In den USA wiederum verlängerten die Sonderserien „Sun Bug“ und „Big Bug“ die Produktionsdauer des 1303. „Let a little sunshine into your life“ sang ein glückliches Paar in der Werbung für die goldgelb glänzenden Limousinen und Cabriolets. Eine Farbe, die scheinbar symbolisch für das Gold des Sonnenuntergangs stand, der die Karriere des größten Käfers aller Zeiten beendete. Nicht unerwähnt bleiben darf eine Randnotiz der Geschichte: Das geplante US-Gesetz, dem der VW 1303 seine Entstehung verdankt, wurde nie realisiert. (mh/sp-x)