Seither lassen Seats kleine Kraftzwerge und Knauserkönige die Sonne Ibizas am Kleinwagenhimmel strahlen- Sie sorgen seit drei Jahrzehnten für die spanischen Momente auf Europas Straßen. Mit sportlichen oder sparsamen, immer aber aufregend gezeichneten Modellen der Kleinwagenfamilie Ibiza trennte sich Seat endgültig von der anfangs alles bestimmenden Übermutter Fiat. Eine Scheidung, die nicht ohne Dramatik vollzogen wurde und nur dank der überraschenden Unterstützung durch mehrere große Marken gelang. Namen, die Seat sofort europaweite Bekanntheit bescherten. Ausgerechnet der italienische Stardesigner Giorgio Giugiaro zeichnete die zeitlos-eleganten Linien des ersten Seat Ibiza – nachdem er zuvor den direkten Rivalen Fiat Uno entworfen hatte. Porsche wiederum hatte es sich damals zur Mission gemacht, auch malade Unternehmen mit neuer Motorentechnik in Fahrt zu bringen.
Von diesem Projekt profitierten die Exportambitionen von Lada (Samara), aber weit mehr noch Seat. So war der Ibiza nach dem größeren Ronda bereits das zweite Seat-Modell, das Porsche-Technik unter der Haube trug. Geradezu stolz prangte auf den Ventildeckeln des Ibiza der Schriftzug „System Porsche“. Ein Logo, für das Seat nur zu gerne sieben Mark Lizenzgebühr pro Motor zahlte – und fortan auf internationalen Messen mindestens einen Ibiza mit geöffneter Motorhaube präsentierte. Karosseriespezialist Karmann schließlich war Kooperationspartner für die Entwicklung von Fahrgastzelle und Fertigungswerkzeugen des designierten Bestsellers unter den europäischen Kleinwagen. Tatsächlich trug der sensationelle Erfolg des ersten Ibiza entscheidend dazu bei, dass Seat nur zwei Jahre später den Weg unter das Dach des Volkswagen-Konzerns fand. Die Basis für bis heute fünf Millionen Ibiza in vier Generationen.
Hochzeitsfein gemacht
Der Pariser Salon bot die passende Premierenplattform für die erste eigenständig angeschobene und mit den Kooperationspartnern in nur drei Jahren realisierte Produktneuheit der Spanier. Hier fand Seat den internationalen Rahmen, um sich als neuer europäischer Konkurrent von Kleinwagengiganten wie Fiat, Citroën, Peugeot, Renault, aber auch Ford, Opel und VW vorzustellen. Zwar erlebten Seat-Miniflitzer schon weit länger Bestsellerkarrieren in vielen europäischen Ländern – so war etwa der Seat 600 ab 1970 über Jahre meistverkauftes Auto in Finnland und sogar in Deutschland erfolgreich – fast immer aber erfolgte dies unter den Fahnen des Lizenzgebers Fiat. Als die Italiener ihre spanische Tochter nicht mehr mochten und überraschend 1981 ihre Unternehmensanteile verkauften, geriet Seat ins Trudeln. War man doch gezwungen in kürzester Zeit eine komplett eigenständige Produktpalette aufzubauen und parallel einen neuen Kooperationspartner zu finden. Zum Sanierer wurde der Volkswagen-Konzern, für den sich Seat hochzeitsfein gemacht hatte mit neuen Modellen wie dem Ibiza. 1986 übernahm VW erste Anteile an Seat, ehe es bis 1990 zur vollständigen Übernahme durch die Wolfsburger kam.
Als der dreitürige Ibiza 1986 Verstärkung durch einen Fünftürer erhielt, war Seat sogar in Deutschland der Durchbruch gelungen. Dies nicht etwa als Billigheimer, sondern durch „Leistung, die überzeugt“, wie der Werbeslogan für den Ibiza versprach. So war etwa der Ibiza GLX mit 85 PS starkem 1,5-Liter-Benziner teurer als der größere Seat Ronda 1.5, auf dessen verkürzter Plattform der Ibiza aufbaute. Und auch vergleichbare Wettbewerber wie Fiat Uno und Peugeot 205 unterbot der Ibiza preislich nicht. Allein gegenüber seinem späteren Konzernbruder Volkswagen Polo war er bis zu 25 Prozent billiger. Maßstäbe setzte der Seat dagegen bei Fahrleistungen und Verbrauch. Mit einer Vmax von 174 km/h und einem Normverbrauch von 4,8 Litern auf 100 Kilometer setzte der Ibiza mit 1,5-Liter-System-Porsche-Powerpaket Bestwerte in seiner Leistungskategorie, die allerdings andere Motoren wie ein 1,7-Liter-Diesel nicht fortschreiben konnten. Dafür begeisterte der Ibiza die Motorpresse durch seine Straßenlage, gute Ausstattung und reichlich Platz fürs Wochenendgepäck.
Späte China-Karriere
Auch die aufblühende chinesische Automobilindustrie zeigte sich von den Talenten des ersten Seat Ibiza so überzeugt, dass der Spanier als Nanjing Yuejin Soyat bis 2008 einen zweiten Frühling feierte, während in Europa die Produktion längst eingestellt war. Zuvor setzte der Ibiza allerdings noch mehrere Ausrufezeichen auf dem europäischen Markt der Miniflitzer. Zunächst als schickes Cabriolet in Form von vier Prototypen, die allerdings alle nur Concept blieb. Das gleiche Schicksal ereilte einige Jahre später eine Cabriostudie des Cordoba, der Stufenheckversion des Ibiza. Für Furore sorgten außerdem ab 1985 der Ibiza Copa bei der spanischen Rallyemeisterschaft und der auf Schotterpisten siegreiche Ibiza Bimotor von 1986 mit jeweils 140 PS starkem Motor in Front und Heck.
Mit einem Paukenschlag begann die Karriere der zweiten Ibiza-Generation. Unter Volkswagen schrieb Seat erstmals seit elf Jahren wieder schwarze Zahlen und konnte in den Bau neuer Werksanlagen in Martorell investieren. Am 22. Februar 1993 eröffneten Spaniens König Juan Carlos und VW-Konzernchef Ferdinand Piech die Fertigungsanlage - und gaben damit das Signal für den Serienstart des neuen Ibiza und des ersten Cordoba als Stufenheckversion. Auch die frühen Kombiversionen des Ibiza trugen Cordoba im Namen. Viel wichtiger aber war: Mit der zweiten Ibiza-Generation stellte Seat endlich wieder Spaniens meistgekauftes Auto. Entwickelt worden war der Kleine vollständig im VW-Konzern, weshalb er auf der A03-Plattform basierte, die auch für den Polo genutzt wurde. Als erstes Modell seiner Klasse war der Ibiza mit einem 90 PS starken Diesel bestellbar, noch dynamischer waren jedoch der Ibiza GTI und der 1996 vorgestellte Cupra mit 150 PS. Sein 16-V-Motor machte den Kraftzwerg zum GTI-Jäger, der sogar Sportwagen wie dem Alfa Romeo GTV 2.0 Twin Spark davon fahren konnte.
Den Alfas im Nacken
Tatsächlich war Seat damals gerade auf dem Weg, mit immer schnelleren Copa- und Cupra-Versionen am Nimbus der sportlichen Ikone Alfa Romeo zu kratzen. So feierte die VW-Tochter mit dem Ibiza Kit Car Evo2 1996 auch die Rückkehr in den Rallyesport und errang auf Anhieb die Weltmeisterkrone, die bis 1998 erfolgreich verteidigt wurde. Die ultimative Steigerung des Ibiza Cupra wurde auf der Birmingham Motorshow 2000 enthüllt. Als erstes limitiertes, sogenanntes High-Performance-Straßenfahrzeug von Seat Sport feierte hier der Ibiza Cupra R mit 180 PS Weltpremiere. Forciert wurde die sportliche Ausrichtung der Marke durch den Chefdesigner Walter de Silva, der im selben Jahr von Alfa Romeo zu Seat gewechselt hatte und nun letzte Hand an die Formen der 2001 enthüllten dritten Ibiza-Generation legte. Sogar Diesel durften jetzt sportlich sein, wie der Ibiza Cupra zum Modelljahr 2004 zeigte. Gab es ihn doch erstmals als 160 PS starken 1,9-Liter-TDI.
Andererseits sorgte der Ibiza auch als Spritsparer in Ecomotive-Versionen für Aufsehen. Etwa als 80 PS leistender 1.4 TDI, der 2007 als umweltfreundlichstes Auto seiner Klasse beworben wurde. In der 2008 vorgestellten vierten Generation erzielte der Ibiza sogar Sparrekorde bei Langstreckenfahrten durch Europa. Allerdings schwankten Markenausrichtung und Modellpolitik zwischenzeitlich zu sehr zwischen Alfa-Rivale und Skoda-Herausforderer. Und auch der Markterfolg ließ vorübergehend deutlich zu wünschen übrig. Quo vadis Seat, fragten sich nicht wenige Marktanalysten und Kunden anlässlich des 60. Geburtstages der Marke im Jahr 2010. Wohin der Weg führen soll, zeigte Seat jedoch mit dem Ibiza Bocanegra. Dieses Ibiza Sportcoupé beschwört seitdem die Emotionen des ersten eigenständig designten Seat-Sportlers von 1975 und steht für eine Aufbruchstimmung, die alle neuen Ibiza-Varianten verkörpern sollen. Vorläufig durchaus erfolgreich, wie steigende Marktanteile zeigen. (mh/sp-x)