Nie zuvor führte Volvo so viele technische Innovationen ein wie beim 480, einem fast schon avantgardistischen, keilförmigen Sportler, der den großen Sprung nach vorn schaffen sollte. Ein Vorhaben, das jedoch nur teilweise gelang. So konnte der erste Volvo mit Vorderradantrieb zwar das einstige sportliche Markenimage wiederbeleben, nicht aber die ehrgeizigen Verkaufsziele verwirklichen. Dennoch schrieb der Keil mit Klappscheinwerfern Geschichte – als Urahn aller modernen Volvo.
Denn gerade die Moderne war es, die Volvo in einem Designwettbewerb Ende der 1970er Jahre beinahe verzweifelt suchte. Kantig-kastige Formen, „Sicherheit aus Schwedenstahl“ und Unverwüstlichkeit waren die pragmatischen Qualitäten und Slogans, die damals mit der bereits betagten großen Volvo-Reihe 240/260 verbunden wurden. Dynamik und Sportlichkeit fand das junge zahlungskräftige Publikum dagegen vor allem bei BMW, allmählich bei Audi und auch bei einer noch nie da gewesenen Vielfalt an Sportcoupés europäischer und japanischer Provenienz.
Als Türöffner angedacht
Für Volvo trug nicht einmal die Übernahme des niederländischen Automobilherstellers Daf die erhofften Früchte in der Mittelklasse. Zu sehr zielte der noch als Daf 77 projektierte Volvo 343 auf die überwiegend ältere Riemenautomatik-Kundenschaft. Volvo-Chef Per Gyllenhammar forderte deshalb besonders für die wichtigsten Absatzmärkte USA und Schweden einen kompakten Sportler im Stil des früheren 1800 ES. Als exklusives Kombicoupé aus niederländischer Produktion sollte der künftige 480 der Türöffner sein in die sportive Mittelklasse. Der große Durchbruch sollte anschließend mit den mehrheitstauglichen Limousinen 440 und 460 gelingen.
Zu viel Zeit verging jedoch vom Designwettbewerb für das Projekt E12 im Jahr 1978 bis zur Markteinführung des 480 im Frühjahr 1986. Acht Jahre, in denen sich die Automobilwelt radikal veränderte, ähnlich wie der 480 die Volvo-Formensprache revolutionierte. Das zweitürige Sportcoupé mit gepfeilter Silhouette, gläserner Heckklappe und Klappscheinwerfern geht zurück auf einen Entwurf von John de Fries aus dem niederländischen Designstudio Helmond. De Fries setzte sich damit durch gegen die Visionen der italienischen Starcouturiers Bertone und Coggiola, aber auch gegen einen Vorschlag des damaligen Volvo-Designchefs Jan Wilsgaard.
Pflegebedürftige Ikone
Unter Mitwirkung des späteren Chefdesigners Peter Horbury entstand schließlich ein spektakulärer Sportwagen, der ursprünglich in puristischer Keilform ohne jeden Kühlergrill in Serie gehen sollte. Dies wiederum verhinderte Per Gyllenhammar im letzten Moment. Der Konzernboss ließ einen Grill mit Volvo-Logo unter die Stoßstange pressen, der wie ein Fremdkörper wirkte. Immerhin konnte der 480 dennoch mit einem damals beachtlichen Cw-Wert von 0,34 glänzen und dies sogar in Serienspezifikation mit zwei Außenspiegeln und Breitreifen. Zugleich ging mit dem 480 die weltweit erste Motorhaube aus stahlhartem Fiberglas in Bienenwabenstruktur in Serie und ein futuristisches Cockpitdesign mit Druckschaltern aus dem F-16-Kampfjet.
Nicht zu vergessen sind der Bordcomputer und die elektronische Kommandozentrale, das sogenannte Central Electronic Modul (CEM) zur Steuerung von bis zu 27 unterschiedlichen Funktionen. Allerdings sollte es im Alltagseinsatz gerade die Elektronik sein, die immer wieder mit eigentlich Volvo-untypischer Unzuverlässigkeit auffiel. Zuverlässig in ihrer Häufigkeit, aber nicht weniger ärgerlich waren dagegen in vielen dieser Volvo feuchte Stellen oder gar Wassereinbrüche. So gilt der 480 in Youngtimerkreisen heute als zwar gesuchte, jedoch pflegebedürftige automobile Ikone.
- Historie
1978:
Unter dem Projektnamen E12 beginnt die Entwicklung des Volvo 480 ES
1981:
Das endgültige Design für den Volvo 480 wird am 9. Juni verabschiedet. Gezeichnet wurde das keilförmige Kombicoupé von John de Vries aus dem Volvo-Designstudio Helmond in den Niederlanden
1985:
Pressevorstellung des 480 ES. 831 Einheiten werden produziert
1986:
Weltpremiere des 480 ES auf dem Genfer Salon. Markteinführung in Schweden und weiteren europäischen Ländern. Zulassungen: 11.243 Einheiten
1987:
Offizielle Markteinführung in Deutschland. Die Gesamtproduktionszahl liegt bei 15.944 Einheiten
1988:
Zwei Prototypen mit US-Spezifikation werden gebaut. Premiere für den 480 Turbo mit 1,7-Liter-Hubraum und 90 kW/121 PS Leistung. 12.295 Volvo 480 laufen vom Band. Im Juni wird die fünftürige Limousine 440 vorgestellt
1990:
Auf dem Genfer Salon 1990 debütiert das 480 Cabriolet als seriennahe Studie. Zu einer Serienfertigung kommt es aber nicht, da der Zulieferer für das Cabriodach Insolvenz anmeldet. Zum neuen Modelljahr sind alle 480 serienmäßig mit geregeltem Katalysator ausgestattet. 7.297 Einheiten werden vom 480 hergestellt. Auf dem Brüsseler Salon feiert die viertürige Limousine 460 Weltpremiere
1992:
Kleine Modellpflege und Einführung des Volvo 480 in Zweifarbenlackierung. 4.908 Einheiten werden verkauft
1993:
Optional mit Fahrerairbag bestellbar, Turboversionen serienmäßig mit ABS.
1994:
Sondermodell 480 GT mit serienmäßiger Klimaanlage, Lederausstattung, Sitzheizung, höhenverstellbarem Beifahrersitz, Traktionskontrolle TRACS und Metalliclackierung. Kleine Pflegemaßnahmen zum nächsten Modelljahr: ABS, Fahrerairbag und weiße Blinkleuchten sind jetzt Standard. 3.560 Einheiten rollen im letzten vollen Produktionsjahr vom Band
1995:
Das auf 480 Exemplare limitierte und einzeln durchnummerierte Sondermodell 480 Collection geht an den Start. Am 7. September fährt der letzte Volvo 480 vom Band
2006:
Die Modellreihe C30 soll laut Volvo das Erbe des 480 antreten
Multinationaler Antrieb
Ganz anders die Versprechungen, die Volvo bei der Premiere des 480 ES im Jahr 1985 machte. Lediglich zehn Servicestunden seien für die ersten 100.000 Kilometer notwendig, hieß es zur Pressevorstellung des im niederländischen Born gebauten Schweden. Multinational waren übrigens auch die Triebwerke unter der flachen Front des sportlichsten Volvo.
Da weder die hauseigenen, großen Vierzylinder noch ein ursprünglich vorgesehener Dieselmotor unter die Haube passten, entsprang der schließlich eingesetzte 1,7
Kein Export nach USA
Dennoch wurde der flotte Schwede auch jetzt nicht zur Rakete, nicht einmal in den Zulassungszahlen. Mindestens 35.000 Einheiten wollte Volvo jedes Jahr von dem Imageträger bauen, davon sollten allein 25.000 nach Nordamerika geliefert werden. Tatsächlich aber dümpelten die Verkaufszahlen in den meisten Jahren unter 10.000 Einheiten und zum Export in die USA, dem damals wichtigsten Markt der Schweden, fehlte dem Konzern plötzlich der Mut.
Dabei hatten doch gerade die amerikanischen Händler nach einem Auto wie dem 480 gefordert und sogar die Klappscheinwerfer waren ursprünglich ein Zugeständnis an die amerikanischen Zulassungsbestimmungen, die eine Mindesthöhe fürs Fahrlicht verlangten. Ein Grund für die Amerikaabstinenz der Göteborger war sicherlich der inzwischen äußerst ungünstige Dollarkurs, der wenig Aussicht auf Gewinn versprach.
Cabrio nur als Studie
Eine spezieller 480 für die amerikanischen Ocean Boulevards schaffte es nicht einmal bis in die Serienproduktion: Nach dem Konkurs eines Zulieferers verschwanden die Einzelexemplare einer eleganten Cabriostudie mit Überrollbügel in Depots und Museen, dabei stand der offene Keil noch 1990 im Rampenlicht der internationalen Automobilsalons. Vielleicht musste sich Volvo auch eingestehen, dass die meisten Cabriolets inzwischen bügelfreien Schick zeigten.
Was folgte waren zweifarbige Sonderserien und kleine Modellpflegemaßnahmen, mit denen das Interesse am 480 belebt werden sollte. Vergebliche Bemühungen, denn 1993 rollten nur noch 2.870 Einheiten vom Band. Inzwischen hatte Volvo den Spaß an dem Sportler verloren. So wurden zwar die Limousinen der 400er Reihe auf der IAA 1993 in überarbeiteter Form gezeigt, kurzfristig abgesagt wurde dagegen die Präsentation der zweiten Serie des Volvo 480.
Keine zweite Serie
Vorgesehen war ein neues Frontdesign mit bis zum Stoßfänger reichender Motorhaube und Ersatz der Klappscheinwerfer durch konventionelle Leuchteinheiten. Seinen Abgesang zelebrierte der Wegbereiter für fast alle heutigen Volvo dafür mit neuem 2,0-Liter-Motor, dem üppig ausgestatteten Sondermodell 480 GT und der finalen, auf 480 Exemplare limitierten und einzeln durchnummerierten Sonderedition 480 Collection. (SP-X)