Ausreichend Leistung für das Fahrzeuggewicht, so der Wunsch der BMW Versuchsabteilung, sollte in den Fahrzeugpapieren stehen. Die Geheimnistuerei hatte ihre Ursache in dem stetigen Wettbewerb zwischen Daimler-Benz und BMW um die Weltspitze im Automobilbau. Bereits Mitte der Siebziger hatten die Bayern das Projekt V12 mit einem Gussmotor bis zur Serienreife entwickelt, doch der Motor geriet zu schwer, zudem machte die aufziehende Energiekrise samt Sonntagsfahrverboten die ehrgeizigen Pläne zunichte. Der erste Versuch des werbewirksamen Top-Aggregates fand sein jähes Ende auf dem Schrottplatz. Doch bereits 1982 flammte der Ehrgeiz der Motorenentwickler in München erneut auf und man holte sich das Ok des damaligen Vorstandes für eine komplette Neuentwicklung. Gleichzeitig sorgte das Spitzenmodell des ersten Siebeners für Verwirrung bei der Konkurrenz. Die wähnte sich, angesichts des sechszylindrigen und mit einem Turbolader bestückten 745i, in Sicherheit und belächelte die Münchner ob des offenkundigen Prestigeverlustes.
V12 für Image und Leistung
Im Hintergrund werkelte jedoch die BMW-Versuchsabteilung unter Leitung von Projektentwickler Jens Tischer an dem Aggregat, das in der deutschen Automobilindustrie in der Nachkriegszeit nicht mehr anzutreffen war, dem V12. Basis für das Aggregat bildete der ausgereifte 2,5-Liter-Sechszylinder-Reihenmotor.
Als einziger Motor im BMW Programm konnte der V12 auf den Gewichtsvorteil durch den Einsatz von Aluminium zurückgreifen. Eine neuartige Beschichtung der Kolbenlaufbahnen machte es möglich auf die gewichtszehrenden Stahllaufbuchsen zu verzichten. Mit nur 240 Kilogramm wog der V12-Motor deutlich weniger, als die Topmotorisierung des Konkurrenten Daimler.
Eine neue Ära beginnt
Die Stuttgarter traten mit einem Zweiventil-Achtzylinder mit 5,6 Liter Hubraum an, aus denen in der Katalysatorversion gut 240 PS erzielt wurden. Der BMW-Motor hingegen kam bereits bei den ersten Funktionsmustern im Oktober 1983 auf glatte 300 PS; mehr als im Lastenheft ursprünglich vorgesehen. Der reichlich eingeschenkte Hubraum von 5,0 Litern bescherte dem Motor zudem ein Drehmoment von 450 Newtonmeter und war somit ein Garant für eine noch nie da gewesene Dynamik in der Oberklasse.
Doch auch fertigungstechnisch setzte der V12 von Beginn an Maßstäbe. Um eine kostengünstige Produktion zu ermöglichen setzte BMW auf eine Gleichteilestrategie. So entsprachen nicht nur die Zylinderköpfe einander, auch die dekorativen Saugrohre waren identisch, nur wurden sie seitenverkehrt eingebaut. Daneben legte BMW erstmals auch Wert auf einen ästhetisch schlichten Motorraum und investierte viel Zeit in Detaillösungen, wie etwa dem völligen Verbergen von Zündkabeln und elektrischen Leitungen unter einer zentralen Kunststoffabdeckung.
Maßstab der Oberklasse
Der leistungsstarke Motor machte den brandneuen Siebener der Baureihe E32 zum Shooting-Star der Oberklasse. Mit der Präsentation der Modelle 750i und 750 iL auf dem Genfer Automobilsaloon begann der Run auf die BMW-Händler. Insbesondere das sportliche Handling und der hohe Antriebskomfort faszinierten die Kundschaft und ließ sie zum Scheckbuch greifen. Bis zum Produktionsende 1994 liefen rund 50.000 V12-Siebener vom Band, jedoch nur wenige zum Basispreis von 119.000 DM.
BMW war dabei nicht nur im Hinblick auf die Motorentechnik innovativ, sondern bot den anspruchsvollen Kunden zusätzlich eine Reihe von elektronischen Ausstattungsmöglichkeiten an, mit denen das V12 Fahrerlebnis noch angenehmer und sicherer wurde.
Dazu gehörten neben einer geschwindigkeitsabhängigen Servolenkung und einer automatischen Stabilitätskontrolle auch eine elektronische Dämpferverstellung des Fahrwerks sowie ein Sperrdifferential. Mit einem luxuriösen Innenraum, der serienmäßig über Annehmlichkeiten wie eine Ganzlederausstattung, Klimatisierungsautomatik und elektrische Sitze verfügte und einer ansprechenden und dynamischen Optik wurde der E32 so zu einem kompletten Gegenentwurf zu der eher behäbigen S-Klasse.
Die Konkurrenz schläft nicht
Trotz dieses überzeugenden Angebotes sah sich BMW im Zugzwang, denn aus Stuttgart kam mit der Markteinführung der S-Klasse des Typs W140 die Ansage, ebenfalls einen V12 zu präsentieren. Entwicklungsvorstand Werner Niefer machte jedoch klar, dass man sich in Stuttgart keineswegs hinter BMW verstecken wollte und wies seine Techniker an, der V12 von Mercedes möge doch bitteschön auch mindestens 300 leisten - allerdings Kilowatt, nicht PS.
BMW hatte zu diesem Zeitpunkt zwar Vierventilköpfe für den 5,0-Liter-V12 fertig, nutzte diese aber nicht und entschied sich für den Einsatz eines auf 5,4 Liter aufgebohrten Blocks. Seine Wirkungsstätte war ab 1994 der 7er der dritten Generation mit der internen Bezeichnung E38. Wie auch sein Vorgänger verfügte auch dieser Siebener wieder über zahlreiche Highlights.
Gesamtkonzept
BMW sah sich bei der Entwicklung des Autos in der komfortablen Situation, sich die voll und ganz dem Gesamtfahrzeug widmen zu können, da sich der V12 im Vormodell als außerordentlich standfest erwiesen hatte. So konnte weder die aufwändige Motronic, noch die Mechanik mit einer gesteigerten Defektanfälligkeit den Kritikern Argumente liefern. Solange der Motor regelmäßig mit frischem Öl versorgt wurde und materialmordende Kurzstrecken vermieden wurden, lief der Zwölfzylinder genauso problemlos wie jeder andere BMW Motor.
Sicher auch ein Verdienst des niedrigen Drehzahlniveaus, dass sich im E38 durch den Einsatz eines elektronisch gesteuerten Fünfgang-Automaten noch einmal senken ließ. Dem Verbrauch tat dies nur geringfügig Abhilfe. Unter 15 Litern ließ sich auch ein BMW 750 i der zweiten Generation kaum bewegen. Angesichts der gebotenen Leistung von 326 PS und einem Fahrzeuggewicht von rund zwei Tonnen ein Wert, der noch in Ordnung ging – in der Zeit vor Down-Sizing und Zylinderabschaltung.
Wasserstoff statt Benzin
In der dritten Version des Zwölfzylinder Siebener tat sich im Vergleich zu der rundum erneuerten Karosserie relativ wenig unter der Motorhaube. Der 5,4 Liter V12 erhielt nur geringfügig mehr Hubraum und verfügte im 2003 vorgestellten 760i und 760 Li (E65) nun über das von Daimler seit Jahren vorgegebene Gardemaß von 6,0 Litern. 445 PS sorgen in dem von dem Amerikaner Chris Bangle gezeichneten BMW für Vortrieb und schoben die Limousine binnen 5,6 Sekunden auf 100 km/h.
Das eigentliche Highlight der Zwölfzylinderentwicklung präsentierte BMW jedoch im Jahr 2006 mit dem Hydrogen7. Der nahezu unverändert verbaute V12 erhielt einen Wasserstoff-Antrieb und machte den Siebener in einer Serie von 100 Fahrzeugen zum fortschrittlichsten Modell in der BMW Oberklasse. Da Wasserstoff im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen bis zu hundert mal schneller verbrennt, musste die Motorsteuerung angepasst werden, weshalb BMW die Motorleistung auf 260 PS reduzierte. Trotz eines problemlosen Einsatzes gelangte diese Version nicht in die Serienfertigung. BMW beließ es bei den Prototypen und widmete sich der nächsten Stufe der Optimierung des V12-Motors.
Mehr Leistung dank Biturbo
Nach dem Auslaufen der E65-Baureihe im Jahr 2008 ging es für den V12 in die Entwicklungsabteilung. Die bis dahin größte Umbaumaßnahme brachte einen in Leistung und Drehmoment nochmals erstarkten Motor in der neuen Umgebung des Siebener-Typs F01. Dank BMW TwinPower-Turbo-Technologie, der Benzin-Direkteinspritzung High Precision Injection für verbrauchsgünstigen Teillastbetrieb mit hohem Restgasanteil und reduzierten Drosselverlusten sowie der stufenlosen Nockenwellenverstellung Doppel-Vanos stoppten die Zeiger des Prüfstandes erst bei 544 PS. Damit erreicht der Siebener das Fahrleistungsniveau hochkarätiger Sportwagen.
Das enorm hohe Drehmoment von 750 Nm in Verbindung mit einer blitzschnell agierenden Achtgang-Automatik lässt Zwischenspurts trotz des hohen Leergewichtes von 2,2 Tonnen zu einer äußerst kurzweiligen Angelegenheit werden. Die solide Basis des V12 ist zudem Garant dafür, dass der Motor trotz Aufladung und hoher Literleistung von 5,3 kg/kW eine lange Lebensdauer erreicht. Und auch für sauberes Abgas ist gesorgt, denn BMW hat das Aggregat dank zahlreicher Katalysatoren und einer hoch entwickelten Gemischaufbereitung den aktuellen Schadstoffnormen immer wieder angepasst. Ein Prozess, der angesichts des nach wie vor hohen Kraftstoffkonsums des V12 im Alltag zunehmend schwieriger wird.
Für den Weltmarkt und für das Prestige
In Europa flaut das Interesse an dem V12-Motor nicht zuletzt wegen der hohen Betriebskosten zunehmend ab, während sich der Motor in den Exportmärkten Russland, China und USA nach wie vor so großer Beliebtheit erfreut, dass BMW versichert, auch für den nächsten Siebener wieder einen Zwölfzylinder fest eingeplant zu haben, nicht zuletzt, weil eine Alleinstellung im Markt winkt. Denn angesichts der immensen Entwicklungskosten stehen bei der etablierten Konkurrenz die Ampeln für V12-Neuentwicklungen auf rot. Und so könnte es passieren, dass BMW nicht nur als erster deutscher Hersteller wieder einen V12-Motor im Angebot hatte, sondern auch als letzter...