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Doch in den 1950er Jahren verabschiedeten sich die Produzenten in der Pkw-Fertigung schrittweise von den noch aus den Anfangszeiten des Automobilbaus stammenden Bauprinzipien. Einzelradaufhängungen, Federungssysteme mit Stoßdämpfern und selbsttragende Karosserien wurden mit der Entwicklung modernerer Fahrzeuge im Zuge des wirtschaftlichen Wiederaufbaus auch in den Werken der europäischen Autobauer zum Standard. Mit etwas Verspätung galt das auch für das ostdeutsche Automobilwerk Eisenach mit seiner Marke Wartburg, das den beschriebenen Übergang mit dem Wechsel von den 311ern zur Baureihe der 312 Mitte der 60er Jahre vollziehen wollte. Für die DDR waren die 312er Modelle jedoch mehr als eine bloße Weiterentwicklung auf technologischem Gebiet. Vielmehr ging es um das nationale Prestige: Die Generation 312 sollte dokumentieren, dass die ostdeutsche Autoindustrie auf dem Weg war, beim Bau von Pkw den Anschluss an westliche Standards zu finden.
Die Wartburg der Baureihe 312 laufen in der Zeit von 1965 bis 1967 vom Band
Dass dieses Bemühen auch in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Deutschlands eine gewisse Zeit gebraucht hatte, zeigte das Beispiel der Bayerischen Motorenwerke, die im späteren Wartburg-Werk Eisenach bis in die 40er Jahre hinein ihre BMW-Modelle produziert hatten. Angesichts der Kapitalknappheit der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte selbst BMW noch Anfang der 60er Jahre Probleme, wirtschaftlich tragbare Lösungen für die Entwicklung neuer Volumenmodelle zu finden. Umso schwieriger musste es für das ehemalige Zweigwerk in der DDR sein, finanzielle Mittel für Innovationen zu bekommen, um die Marke Wartburg als Imageträger für die Autoindustrie der DDR weiterzuentwickeln. Zwar lagen gegen Mitte der 60er Jahre die Pläne für den nach neuen Konstruktionsprinzipien geplanten Wartburg 353 vor. Doch eine produktionsfertige Karosserie für die 353er Generation gab es noch nicht. Die Ostdeutschen machten daher einen Kompromiss: Mit dem 312er setzten sie im Jahr 1965 die neue Fahrwerktechnik ein, jedoch behielten die Wartburg den Aufbau ihrer Vorgänger der Baureihe 311. Erst mit dem Jahr 1967 erhielten die Flaggschiffe der Eisenacher komplett umgestaltete Karosserien, und aus den 312ern wurden nach nur zwei Jahren Bauzeit die Wartburg 353.
Die Modelle der Baureihe 312 zählen zu den seltensten Wartburg-Oldtimern
Nach der Öffnung der DDR-Grenzen Ende der 1980er Jahre tauchten die in Ostdeutschland einst als Prestigeobjekte angesehenen Wartburgs der unterschiedlichen Bauphasen verstärkt auf den Gebrauchtwagenmärkten auf. Viele Ostdeutsche wollten ihre 312er und die bis 1988 gefertigten Modelle der Baureihe 353 möglichst schnell gegen Neu- oder Gebrauchtwagen westlicher Hersteller austauschen. Das hing einerseits damit zusammen, dass die in den Wartburg verbauten Zweitaktmotoren weder unter Umwelt- noch unter Technikgesichtspunkten als zeitgemäß gelten konnten. Andererseits wollte in der Umbruchzeit kaum noch jemand ein Fahrzeug haben, dem das DDR-Image anhing. Doch im Laufe der Zeit änderte sich das. Im Zuge der Ostalgiewelle kamen Wartburg-Oldtimer wie der 312 als typischer Vertreter aus den Zeiten der frühen DDR-Produktion oder Youngtimer aus der letzten Zeit der 353er wieder zu neuen Ehren. Dabei zählten die Wartburg vom Typ 312 zu den seltensten Classic Cars der ostdeutschen Traditionsmarke.
Als Wartburg-Oldtimer spiegeln die 312er den typischen Stil der 50er Jahre wider
Dominiert wurde der Markt weitgehend von den Modellen der Baureihe 353, die während ihrer knapp 20-jährigen Bauzeit millionenfach in der DDR vom Band gelaufen waren. Im Vergleich dazu durften die 312er beinahe als Kleinserienmodelle gelten. Der Hintergrund: Von 1965 bis 1967 waren die als Zwischenlösung bis zur Einführung der 353er ins Programm gekommenen Wartburg 312 insgesamt nur gut 35.000 Mal gefertigt worden. Dass der 312er eine Sonderstellung einnahm, hing jedoch auch mit seiner Modellhistorie zusammen. Denn obwohl er in den 60er Jahren produziert worden war, spiegelte sich in ihm der typische Stil eines Modells der 50er Jahre wider. Und das galt nicht nur für die Limousine der Baureihe, sondern auch für die zahlreichen anderen Karosserievarianten, die auf dem Markt für Gebrauchtwagen allerdings noch seltener zu finden waren als die klassischen Stufenheckausführungen.
Die 312er Limousinen übernehmen bis ins Detail das Design des Wartburg 311
Breite Chromeinfassungen für die Rundscheinwerfer, chromierte Stoßstangen, gerundete Abdeckungen für Motor und Kofferraum sowie pausbäckig gewölbte hintere Kotflügel und eine rundum großzügige Verglasung, mit diesen stilistischen Merkmalen ihrer Karosserie unterschieden sich die 312er-Limousinen tatsächlich nicht von den 50er Jahre Wartburg der Baureihe 311. Selbst Details wie das gelochte Metallgitter zur Verkleidung der Kühleröffnung oder die rechteckig ausgeschnittenen Radhäuser übernahmen die Eisenacher beim 312 von den Vorgängern. Und noch eine weitere Tradition setzten die Wartburg in der Bauzeit von 1965 bis 1967 fort: Der Hersteller nutzte die 312er-Plattform, um neben den Limousinen weitere Karosserieformen zu realisieren.
Kombis, Coupés und Cabrios der Wartburg-Baureihe 312
So rollten die Wartburg der Baureihe 312 wiederum als fünftüriger Kombi und als Lieferwagen mit offener Pickup-Ladefläche sowie als zweitüriges Coupé und viersitziges Cabriolet vom Band. Da die Cabrios auf Basis der Limousinen entstanden, nutzten die Entwickler die Chance und leiteten ohne großen zusätzlichen Konstruktionsaufwand von den geschlossenen Limousinen eine Version mit Faltdacheinlage ab. Zugleich gab es eine Camping genannte Variante der 312er Kombis, die sich durch ihre bis in den Dachaufbau gezogene Seitenverglasung im Heck von den herkömmlichen Fünftürern der Baureihe unterschied. Als Wartburg-Oldtimer hatten diese Sonderkonstruktionen ähnlich wie die auf Basis des 312 entstandenen Coupés und Cabriolets aufgrund ihrer geringen Produktionszahlen Seltenheitswert und waren auf dem Markt für Gebrauchtwagen dementsprechend wenig vertreten.
Auch in der Baureihe 312 werden die Wartburg mit Zweitaktmotoren ausgestattet
So vielfältig das Programm von Wartburg in der kurzen Bauzeit der 312er-Phase auch war, so wenig Auswahl gab es hinsichtlich der technischen Ausstattung. Zwar liefen alle Modelle dieser Zeit mit dem modernisierten Fahrwerk der nachfolgenden Wartburg 353 vom Band. Doch war der Hersteller allein schon aus Kostengründen gezwungen, beim Antrieb weiter auf die seit den 50er Jahren verwendeten Zweitaktmotoren zu setzen, die aus einem Liter Hubraum eine bescheidene Leistung von gut 38 kW (52 PS) generierten.